Schulterschluss mit Grünen entzweit den NABU

Im Alleingang schreibt NABU-Chef Jörg-Andreas Krüger mit den Grünen ein Strategiepapier pro Windenergie. Seinen Verband stürzt er damit in eine Zerreißprobe. Ein Report aus einem aufgewühlten Verband.

vom Recherche-Kollektiv Flugbegleiter:
18 Minuten
Eine Nahaufnahme eines Windrotors, bei der die messerscharfen Zacken an der Unterseite zu erkennen sind.

Ohne Rückendeckung durch Basis und Gremien hat NABU-Präsident Jörg-Andreas Krüger gemeinsam mit führenden Politikerïnnen der Grünen ein Strategiepapier zugunsten eines schnelleren Ausbaus der Windenergie veröffentlicht. Darin finden sich zahlreiche Vorschläge, die auf eine deutliche Stärkung der Windbranche im Konflikt mit dem Artenschutz hinauslaufen und einen massiven Neubau von Windkraftanlagen auch in bereits stark belasteten Regionen zur Folge haben könnten. Krüger will damit den ohnehin stattfindenden weiteren Ausbau der Windenergie naturverträglicher gestalten als er bislang stattfindet.

Nach Einschätzung vieler NABU-Aktiver markiert das Papier dagegen einen einschneidenden Kurswechsel in der Politik des Verbandes, der als eine der letzten großen Naturschutzorganisationen bislang die Fahne des Vogel- und Artenschutzes hochhält. Auch Expertïnnen bewerten das Papier kritisch.

Der Alleingang des NABU-Vorsitzenden löst bei vielen Mitgliedern heftige Proteste aus und stürzt ihn in eine Zerreißprobe. Unsere Recherche zeigt einen tief gespaltenen Verband. Wir haben dazu über mehrere Wochen mit zahlreichen Menschen innerhalb von Deutschlands größtem Naturschutzverband gesprochen – von Aktiven an der Basis, über Kreis- und Landesvorsitzende bis hin zu Mitgliedern der engen Verbandsführung in Berlin. Und ausführlich auch mit NABU-Präsident Jörg-Andreas Krüger selbst.

Kurswechsel über die Zeitung – "Der NABU lenkt dem Klimaschutz zuliebe ein"

In der NABU-Bundesgeschäftsstelle in Berlin-Mitte war man spürbar stolz auf den Coup des neuen Präsidenten. Über Monate hinweg hatte ein kleiner Kreis um NABU-Chef Jörg-Andreas Krüger an einer abgestimmten Position zwischen NABU und der engen Partei- und Fraktionsspitze der Grünen zum Ausbau der Windenergie gearbeitet.

Nun sollte das Papier in Kürze „medial gespielt“ werden, wie es der Leiter der Sektion Vogelschutz in der Zentrale des größten deutschen Naturschutzverbandes, Lars Lachmann, in einer Mail formulierte. Engagierte Vogelschützerïnnen, die Hand in Hand mit den entschiedensten Windkraft-Fans im Parlament für einen naturverträglichen Ausbau der Windenergie plädieren – das wäre eine für beide Seiten vorteilhafte Botschaft.

Die Grünen erhielten das Siegel „von Naturschützerïnnen empfohlen“ und der NABU stellte unter Beweis, dass er nicht nur gegen Windräder klagen, sondern auf Augenhöhe mit dem möglichen nächsten Kanzler Kompromisse schließen kann. Eine echte Win-Win-Situation. Ausgehandelt und unterzeichnet haben das Papier neben dem seit gut einem Jahr amtierenden NABU-Vorsitzenden Krüger der Grünen-Parteichef Robert Habeck und der Vize-Chef der Grünen-Bundestagsfraktion, Oliver Krischer.

Anfang Dezember meldete NABU-Vogelschutzexperte Lachmann in einer weiteren Mail an einen ausgewählten Kreis von Mitgliedern Vollzug. Das „gemeinsame strategische Arbeitspapier“ sei „über die Süddeutsche Zeitung lanciert“ worden, schrieb er am Tag nach dem Erscheinen. Und so kam es, dass die allermeisten NABU-Mitglieder aus der Zeitung vom Schulterschluss ihres Verbandes mit den Grünen in der wohl aktuell wichtigsten und strittigsten naturschutzpolitischen Frage erfuhren.

Selbst einige Landesvorsitzende waren nach eigener Auskunft völlig überrascht. „Grüne und Nabu schließen Vogelfrieden“, konnten sie im Wirtschaftsteil der SZ lesen: „Umweltverbände klagen seit Jahren fleißig gegen Windräder – zum Schutz der Vögel. Jetzt lenkt der Nabu dem Klimaschutz zuliebe ein“, fasste das Blatt das vierseitige Papier im Vorspann pointiert zusammen.

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