Geld, Privilegien und ein Kick fürs Ego

Käufer von Elektroautos haben viele Motive – die Umwelt zu schützen gehört nicht unbedingt dazu

13 Minuten
Ein weißer Kleinwagen parkt neben einer Ladesäule. Das Ladekabel zeigt, dass es sich um ein Elektroauto handelt.

Der Absatz von Elektroautos entwickelt sich in Deutschland für Hersteller und Politik enttäuschend. Da liegt der Blick nach Norwegen oder China nahe, wo die Stromer große Erfolge feiern. Doch die Rezepte anderer Länder lassen sich hierzulande nicht unbedingt kopieren.

Tatsächlich bewegt eine komplizierte Mischung aus inneren und äußeren Motiven die Käufer von Elektroautos. Das eigene Image kann genauso eine Rolle spielen wie finanzielle Anreize und Vorrechte im Verkehr und beim Parken.

Der Verkäufer war sicher: „Damit kommen Sie nur 80 Kilometer weit.“ Ein anderer behauptete: „Wenn Sie 350 Kilometer fahren wollen, dann brauchen Sie dafür zwei Tage.“ Der Dritte sagte: „So etwas haben wir gar nicht. Ach doch, aber das ist nichts für Sie.“ Ein Vierter erklärte: „Die kosten mehr und sind es wahrscheinlich nicht wert.“ Der Fünfte schließlich warnte: „Dieses Auto wird sie finanziell ruinieren.“

Dies sind nur einige Beispiele der Sprüche, die Autoverkäufer über Elektromobile auf Lager haben. Gerardo Zarazua de Rubens und seine Kollegen von der Universität Aarhus haben sorgsam notiert, was sie zu hören bekamen, als sie die Rolle einfacher Kunden annahmen und sich nach den Batterie-betriebenen Fahrzeugen erkundigten. Insgesamt 126 Mal gingen die Forscher in geheimer Mission in Autohäuser in 15 Städten der fünf skandinavischen Staaten von Island bis Finnland, und in 92 Fällen hörten sie abwertende Urteile oder bekamen schlicht falsche, negative Auskünfte. Mehr als drei Viertel der Verkäufer erwähnten die Batteriemobile ihrer Marke nicht einmal von selbst; die vermeintlichen Kunden mussten danach fragen.

„Autohäuser sind ein signifikantes Hindernis für die Markteinführung von Elektroautos“, stellte das Team aus Aarhus bei der Auswertung der Undercover-Recherche in einer Studie in Nature Energy fest. „Dort hat die Mehrheit der Kunden den ersten Kontakt mit der Technologie. Ein typischer Interessent wäre ahnungslos geblieben oder falsch über die Leistung der Elektroautos informiert worden.“

Die Studie von Zarazua de Rubens und seinen Kollegen fügt damit einen neuen Aspekt zu einer Frage an, die schon viele Psychologen und Wirtschaftswissenschaftler beschäftigt hat: Wann entscheiden sich Autokäufer für Elektroautos? Und warum tun es die meisten nicht? In Deutschland zum Beispiel hatten 2017 nur 25 000 der 3,4 Millionen Neuwagen einen Elektromotor. Was motiviert die Fahrer der Batteriemobile, sind es finanzielle Gründe oder psychologische? Wie können Regierungen und Hersteller den Interessenten die Wahl erleichtern?

Einen Teil der Antwort gibt ein Kommentar in dem Fachblatt: „Die Einstellungen und die Anreize in den Autohäusern müssen sich verändern“, heißt es dort. „Elektroautos sind an den Punkt gelangt, wo die Verkäufe an early adopters in die Verkäufe an eine early majority münden müssen. Zwischen den beiden Stadien [in der Absatztheorie der Technikinnovation; CS] gibt es einen wohlbekannten und vielgefürchteten Abgrund.“ Doch reicht das? Sind Verkäufer die einzigen Hindernisse? Welche Empfehlungen lassen sich aus der bisherigen Forschung ableiten?

Norwegen und China sind die Weltmarktführer

Die Studie aus den skandinavischen Ländern zeigt schon mal, wie eine Brücke über den Abgrund nicht aussehen sollte: Den Autoherstellern vorzuschreiben, Autos mit Elektromotor ins Programm zu nehmen, bringe diese keineswegs auch auf die Straße, stellen die Ökonomen fest. Manager der Autobranche bestätigten den Forschern diese Einschätzung. Nicht einmal jeder zehnte ihrer Händler habe im Vorjahr auch nur versucht, ein Elektroauto an den Kunden zu bringen, sagte einer der Industrievertreter im Interview. Die Verkäufer wüssten zu wenig und bräuchten viel mehr Zeit für den Abschluss als bei einem Benziner oder Diesel – Batteriemobile seien unattraktiv für sie.

Die Besuche in den Autohäusern, so schätzt das Team aus Aarhus, hätten darum bei einer Fortsetzung nur selten zum einem Verkauf geführt. Um die Täuschung nicht allzu weit zu treiben, beendeten die Forscher ihre Visiten stets nach zehn Minuten. Später zählten sie die abwertenden Bemerkungen und die eher seltenen positiven Informationen, etwa über die geringeren Versicherungskosten der Stromer, aus und analysierten sie statistisch. Nur in Oslo hätte das Gespräch demnach mit nennenswerter, 34-prozentiger Wahrscheinlichkeit zu einem Abschluss geführt. In Göteborg lag die Quote noch bei zwölf Prozent, in allen anderen Städten deutlich unter zehn. In Kopenhagen und der eigenen Heimatstadt ließen die Verkäufer den Kunden praktisch keine Chance – dort hatte die dänische Regierung kurz zuvor die einst üppigen Anreize für die Stromer drastisch gekürzt. So etwas, das zeigen auch Beispiele aus anderen Ländern, kann einen Markt effektiv abwürgen.

Manche Länder haben viel Geld in die Förderung der Elektromobilität investiert (grüne Balken, linke Skala, Stand 2012). Doch der Erfolg hatte offenbar andere Regeln (rote Striche, rechte Skala). Auch Deutschland hat mit seiner inzwischen auf 4000 Euro angehobenen Kaufprämie noch keinen durchschlagenden Erfolg. Und Dänemark, das einst am großzügigsten war, hat inzwischen die Konsequenzen gezogen und die Subventionen zusammengestrichen. Der Markt für Elektroautos brach daraufhin zusammen.
Manche Länder haben viel Geld in die Förderung der Elektromobilität investiert (grüne Balken, linke Skala, Stand 2012). Doch der Erfolg hatte offenbar andere Regeln (rote Striche, rechte Skala). Auch Deutschland hat mit seiner inzwischen auf 4000 Euro angehobenen Kaufprämie noch keinen durchschlagenden Erfolg. Und Dänemark, das einst am großzügigsten war, hat inzwischen die Konsequenzen gezogen und die Subventionen zusammengestrichen. Der Markt für Elektroautos brach daraufhin zusammen.

Auch wenn Verkaufsgespräche bisher kein Thema der Forschung waren – aus Dutzenden Studien weiß die Wissenschaft recht viel darüber, welche äußeren Anreize und inneren Motive Autokäufer dazu bringen, sich für ein Elektroauto zu entscheiden. Viele dieser Untersuchungen haben die USA als große, reiche Nation zum Gegenstand. Auch China und Norwegen sind häufig vertreten, weil sie die beiden Marktführer sind: In dem skandinavischen Land haben Stromer den weltweit größten Marktanteil von knapp 40 Prozent bei den Neuwagenverkäufen erreicht, in der asiatischen Großmacht werden in absoluten Zahlen die meisten Batteriemobile verkauft. Etliche Studien beleuchten auch die Situation in Deutschland. Ein Überblick über die finanziellen und emotionalen Faktoren zeigt, welche Strategien in welchen Ländern Erfolge brachten.

Geld und Privilegien machen Stromer attraktiver

Das klarste Bild gibt es bei wirtschaftlichen Anreizen und Vorteilen im Straßenverkehr. Norwegen fördert Elektroautos seit 1990 und hat mit den Subventionen für Käufer gleichzeitig versucht, eine eigene Autoindustrie aufzubauen – weitgehend erfolglos, jedenfalls sind die Firmen immer wieder Pleite gegangen. Heute werden vor allem ausländische Batteriemobile verkauft und mittlerweile hoch bezuschusst: zwischen 12 000 und 20 000 Euro, sagen manche Beobachter, je nachdem wie man rechnet. Die Autos sind von einer sehr hohen Kauf- und Zulassungssteuer und der 25-prozentigen Mehrwertsteuer ausgenommen. Hinzu kommen Erleichterungen bei Maut und Fährgebühren sowie beim Parken. Und die Elektroautos dürfen reservierte Busspuren benutzen. Der Weg zum Erfolg, stellen Beobachter fest, war für das Land aber durchaus gewunden (siehe Grafik am Ende des Artikels).

Kristin Ystmark Bjerkan von der norwegischen Forschungsstiftung SINTEF in Trondheim hat vor einigen Jahren knapp 3400 Fahrer von Elektroautos gefragt, welche Anreize für ihre Wahl wichtig waren. Für mehr als 80 Prozent waren das eindeutig die Steuervorteile, aber ein Sechstel der Befragten sagte auch, ohne die Erlaubnis, die Busspuren zu benutzen, und so in der Rushhour schneller voran zu kommen, hätten sie sich nicht für das Batteriemobil entschieden. Ähnliche Erkenntnisse gibt es aus den USA, wo die Benutzung der „carpool lanes“ auf den Highways in manchen Staaten, besonders in Virginia und damit im Umfeld der Hauptstadt Washington und der Ballungsregion Norfolk, den Fahrern attraktiv erscheint. Der Effekt war dort allerdings im Zusammenspiel vieler Faktoren schwer isoliert nachzuweisen.

In China ist der Kauf eines Elektroautos für viele Bürger die einzige Möglichkeit, überhaupt zu eigenen vier Rädern zu kommen. In Metropolen wie Beijing, Shanghai, Shenzhen oder Guangzhou werden Nummernschilder nur per Lotterie oder Auktion vergeben. Ein erfolgreiches Gebot kostet schnell mehr als 10 000 oder sogar 12 000 Euro; andere Autofahrer zahlen 1600 Euro pro Jahr, um das Schild – illegal – von jemandem zu mieten. Außerdem dürfen nicht alle Fahrzeuge an jedem Tag fahren. Von beiden Regeln sind Elektroautos ausgenommen, genau wie die sogenannten Plug-in-Hybride (sie haben einen Elektro- und einen Verbrennungsmotor und können mit Strom aufgeladen und konventionell betankt werden). Beide Privilegien zusammen waren Testpersonen in einer psychologischen Studie fast 12 000 Euro wert, stellten Ning Wang und seine Kollegen von der Tongji Universität in Shanghai fest. Kostenloses Laden an öffentlichen Säulen oder die Benutzung von Busspuren seien demgegenüber weniger wichtig.

Sind Kaufanreize nur Subventionen für Reiche?

Diese Regelung treibt in China allerdings vor allem den Umsatz der Hybrid-Modelle nach oben. Das macht Forschern Sorge, weil die Besitzer ihre Autos letztlich wie normale Benziner betreiben können, ohne die Batterie aufzuladen und nennenswerte Strecken elektrisch zu fahren. China belässt es aber nicht bei den Anreizen für die Käufer, sondern es hat ein kompliziertes System eingeführt, das die Produzenten zwingt, mehr batterie-elektrische Gefährte auf den Markt zu bringen. Nach einer Schätzung der Internationalen Energie-Agentur in Paris, die vor kurzem einen Ausblick auf den Elektroauto-Markt 2030 veröffentlicht hat, könnte Chinas Politik dazu führen, dass es dort schon innerhalb der kommenden beiden Jahre weitere 900 000 bis 1,7 Millionen Stromer gibt. Allerdings ist in den Regeln stets vom Herstellen oder Importieren die Rede – nicht vom Verkaufen.

Diese Rezepte – das Aufheben von Beschränkungen oder Steuerpflichten beim Kauf sowie die Abkürzung am Stau vorbei – dürften in Deutschland wenig helfen. Hier gibt es keine hohen Hürden und Kosten, wenn man ein Auto zulassen will. Der Staat kann also nicht auf Einnahmen verzichten, er müsste entsprechend hohe Beträge überweisen. Das kommt zwar auf das Gleiche heraus, übermittelt aber ganz andere Signale, weil das Geld an die Käufer teurer Neuwagen fließt. So nannte vor kurzem auch die Frankfurter Allgemeine die Kaufanreize in Deutschland ein „lächerliches Förderwerkzeug für Reiche“.

Zwei Männer hocken neben einem Auto und halten einen überdimensionalen Netzstecker aus Pappe in die Kamera. Im Auto sitzt eine Frau und sieht aus dem offenen Fenster. Mitglieder der Grünen in Irland werben für Elektroautos.
Den Stecker haben sie überdimensional aus Pappe gebastelt, um ihre Botschaft ganz klar zu machen: Mitglieder der Grünen in Irland werben für Elektroautos.

Das Benutzen von Busspuren wiederum ist bereits seit 2015 im Prinzip erlaubt, wird aber von fast allen betroffenen Städten abgelehnt: Ein reibungsloser Busverkehr in der Rushhour sei dann nicht mehr möglich. Dennoch wirbt die Bundesregierung weiterhin damit, genau wie mit der im internationalen Vergleich eher geringen Kaufprämie von 4000 Euro. Daneben wird hierzulande die Kfz-Steuer erlassen – und das Laden beim Arbeitgeber gilt nicht als geldwerter Vorteil, der versteuert werden muss.

Autos zum Sich-Gut-Fühlen

Elektroautos wirken nicht nur auf den Geldbeutel, sondern oft auch auf das Ego. Ihr Kauf ist – wie bei vielen Autos – selten eine rein rationale, sondern meist auch eine emotionale Entscheidung. Viele Wissenschaftler haben darum den psychologischen und sozialen Einflussfaktoren beim Kauf von Batteriemobilen nachgespürt. Das ist mühsame Arbeit, oft sind die ermittelten Effekte klein und mehr als Fingerzeig denn als Handlungsempfehlung zu verstehen. Etliche dieser Studien beziehen sich zudem allgemein auf Fahrzeuge mit einem unkonventionellen Antrieb – darunter kann auch die Möglichkeit fallen, praktisch reinen Biosprit zu tanken.

So zeigte sich in Schweden am Beispiel des in vielen Varianten erhältlichen VW-Golfs und beim Vergleich von Personen- und Zulassungsregister, dass Nachbarn einen messbaren Einfluss hatten. Der Kauf eines Wagens mit alternativem Antrieb war um fünf Prozent wahrscheinlicher, wenn der neue Besitzer im unmittelbaren Umfeld seiner Wohnung ein solches Fahrzeug immer wieder zu sehen bekam. Diese Wirkung war sogar größer, als wenn Verwandte oder Kollegen ein derartiges Auto fuhren. Von Freunden, die bereits Erfahrung mit E-Autos hatten, ließen sich die Teilnehmer einer anderen Studie zwar warnen, aber nicht ermutigen. Das gilt offenbar auch für Berichte, zum Beispiel in der Presse, dass die Ökobilanz eines Elektroautos empfindlich von der Herkunft des Stroms abhängt.

Wie umgekehrt der Erwerb eines Elektroautos auf die soziale Umgebung wirken, was er mit dem eigenen Ansehen machen würde, war für viele Befragte wichtig. In einigen Studien zeigte es sich als prägend für die Motivation, dass die Freunde und Kollegen zustimmen oder gar applaudieren. Viele Fahrer von E-Autos zeigten sich mit der Entscheidung als soziale Vorbilder, Innovatoren oder Meinungsführer. An dem Gefährt hing der soziale Status, doch wahrhaben wollten die Befragten das meist nicht. Wenn man sie direkt darauf ansprach, wie wichtig ein möglicher Image-Gewinn für die Entscheidung war, wehrten die meisten ab: Nein, funktionelle Argumente oder der Effekt für die Umwelt seien viel wichtiger. Aber wie Wenbo Li und seine Kollegen von der chinesischen Universität für Bergbau und Technologie in Xuzhou bei einer Überblickstudie mittels statistischer Analyse feststellten, hing die Entscheidung doch sehr am möglichen Renommeezuwachs.

Mancher möchte sich für's kleine Elektroauto schämen

Mögliche Käufer bei der Eitelkeit zu packen, ist dennoch keine sonderlich erfolgversprechende Methode. Erstens nutzt sich der Effekt ab, wenn immer mehr Elektroautos auf den Straßen fahren. Zweitens gibt es auch Menschen, die um ihren Ruf fürchten, wenn sie mit einem Stromer gesehen werden. Offenbar plagt diese Angst einer Studie zufolge auch manche deutschen Männer. In einer englischen Studie äußerten Testpersonen, die eine Woche ein Elektroauto ausprobiert hatten, gelegentlich sogar Scham, in einem derart kleinen und langsamen Gefährt unterwegs zu sein. Oder sie fürchteten, nun als Grüne zu gelten. Dies ließ sich aber dadurch abmildern, dass das Gefährt als Zweitwagen eingestuft wurde.

Eine Grafik mit waagerechten Balken, die verschiedenen Optionen zugeordnet sind. Sie geben an, um wie viel verschiedene Fördermöglichkeiten für Elektroautos den akzeptierten Preis potenzieller Käufer erhöhen würden. Die beiden Optionen mit den großen Balken sind "Keine KFZ-Steuer" mit gut 7000 Euro, und die Verdopplung der Reichweite von 100 auf 200 Kilometer mit 9000 Euro. Für die Studie von 2016 wurden 711 Versuchspersonen befragt. – 
Was ist es deutschen potentiellen Autokäufern wert, wenn sich die Eigenschaften eines Elektroautos verbessern, fragten die Wissenschaftler André Hackbarth und Reinhard Madlener von der RWTH Aachen 711 Testpersonen. Grafik: Eigene Darstellung und teilweise eigene Berechnungen nach der Studie.
Was ist es deutschen potentiellen Autokäufern wert, wenn sich die Eigenschaften eines Elektroautos verbessern, fragten die Wissenschaftler André Hackbarth und Reinhard Madlener von der RWTH Aachen 711 Testpersonen. Grafik: Eigene Darstellung und teilweise eigene Berechnungen nach der Studie.

Und drittens hängen solche sozialen Einflüsse sehr vom Land ab, in dem die Bürger befragt werden, fanden Hazel Pettifor vom Tyndall Center in England und ihre Kollegen heraus. Sie bescheinigten in ihrem Überblick den Deutschen große Sachlichkeit: Bei einer Messung, wie ernst Menschen soziale Normen nehmen oder wie unabhängig davon sie agieren, lagen deutsche Befragte deutlich auf der pragmatischen Seite. In Schweden war demnach der normative Einfluss der sozialen Umgebung doppelt, in den USA sogar dreimal so stark. „Das mahnt zur Vorsicht, wenn man amerikanische empirische Daten auf andere Regionen überträgt“, stellen die Wissenschaftler fest.

Der Kern des Problems

In vielen dieser Studien spielt ein Faktor eine erstaunlich geringe Rolle, der doch zentral für den Umstieg von konventionellen auf Elektroautos zu sein scheint: die Umwelt. Einerseits zeigen viele der Untersuchungen, dass die Sorge um Klima und Umwelt bei etlichen der sogenannten early adopters den Ausschlag für das Auto mit der neuartigen Antriebstechnik gegeben hat. Sie beurteilen die Leistungswerte der Fahrzeuge positiver, werten die Nachteile als geringer als Fahrer konventioneller Fahrzeuge. Und wenn sie in ihrem Verhalten gegenüber der Gemeinschaft eher altruistisch eingestellt sind, betrachten sie ihre private Entscheidung als Umwelt- und damit gesellschaftliche Frage.

Andererseits ist oft nicht einmal für die Umweltfreunde die saubere Mobilität das wichtigste oder entscheidende Kriterium – auch sie möchten den Alltag mit dem Fahrzeug bewältigen und die Finanzierung stemmen können. Und Mitbürger mit eher egoistischer Disposition halten den Autokauf ohnehin für eine reine Privatsache. Einseitig den Umweltaspekt zu betonen, engt daher womöglich die Zielgruppe der Absatzförderung unnötig ein.

Eine Studie von Forschern der Technischen Hochschule Aachen aus dem Jahr 2016 enthält dazu interessante Zahlen für Deutschland (siehe auch Grafik oben). Mindestens in der Umstellung des Verkehrssystems ist den Menschen die Praktikabilität demnach viel mehr wert als die Entlastung der Umwelt. Die Befragten zeigten sich nämlich bereit, mehr als 100 Euro dafür zu bezahlen, dass eine halbfertige Infrastruktur, mit der sie ihr neuartiges Gefährt auftanken oder aufladen, um ein weiteres Prozent ausgebaut wird. Stößt ihr Auto aber 49 statt 50 Prozent der normalen Kohlendioxid-Menge aus, war ihnen weniger als 30 Euro wert. Erst für das Einsparen der letzten zehn oder fünfzehn Prozent der Emissionen hätten die Teilnehmer etliche Tausend Euro aufgebracht.

So interessant solche Zahlen und Hinweise sind – die ganze Forschungsrichtung, die sich mit so viel Aufwand den Motiven der Interessenten nachspürt, enthält womöglich einen Grundfehler. Sie vergleicht die Käufer von Elektro- und konventionellen Autos so, also müssten und könnten die Batteriemobile all die Familienkutschen, Rostbeulen, Pendlerschüsseln, Yuppielaster, Stadtpanzer, PS-Schleudern und Sportwagen heutiger Zeit ersetzen. Dieses Denken herrscht sicherlich bei vielen Fahrzeugkäufern vor, aber es verkennt, dass sich die Mobilität in Zeiten der Klimakrise ändern muss und sich bereits ändert, und dass Autos eine andere Rolle einnehmen.

„Oft wird es so dargestellt, dass der einzige plausible Weg zum Erfolg für Elektroautos darin besteht, Wagen mit Verbrennungsmotor nachzuahmen“, stellt ein Team um Noam Bergman von der University of Sussex in einer Studie fest, die explizit die Vorstellungen der Briten von der Zukunft des Verkehrs thematisiert. „Diese Darstellung ist unvollständig und schränkt die mögliche Entwicklung ein.“ Die Stromer treten so in einem Wettbewerb an, dessen Regeln für Benziner und Diesel geschrieben wurden und in dem sie schwerlich bestehen können. Wer über Motive und Anreize für Käufer nachdenkt oder die Studien der Zukunft plant, sollten daher vermehrt die Autofahrer und anderen Verkehrsteilnehmer ansprechen, die das alte Spiel schon lange satt haben und aussteigen wollen. ◀

Ein verworrenes Diagramm zeigt die Veränderungen der norwegischen Politik zur Förderung von Elektroautos. Die Zeitachse läuft von 1989 bis 2017.
Für Feinschmecker: Norwegens Weg zu einer erfolgreichen Förderung von Elektroautos.
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