Schräge Vögel: Feenseeschwalben reicht eine Astgabel zum Brüten
Diese Art ist in tropischen Inselparadiesen zuhause
Ein Nest schützt Eier und Nachwuchs unter anderem vor Kälte und Fressfeinden. Vogelnester können sogar regelrechte Kunstwerke sein. Aber es geht auch ohne. Feenseeschwalben zeigen wie: Sie legen ihr Ei einfach in eine Astgabel, auf einen dickeren Ast oder auf Steine und bebrüten es dort. Dass diese Strategie aufgeht, liegt auch daran, dass Feenseeschwalben auf tropisch-warmen Inseln rund um den Globus leben. Man findet sie unter anderem im Indischen Ozean auf den Seychellen und den Malediven, im südlichen Atlantik auf Ascension und im Pazifik in Mikronesien, auf Hawaii und Palau.
Wir stellen diese Art in unserer Reihe „Schräge Vögel“ vor. Darin haben wir auch schon die schlauen Keas portraitiert.
Paradies für Vogelbeobachtung
Ein Ort, wo sich nistende Feenseeschwalben gut beobachten lassen, ist Bird Island. Die flache Koralleninsel gehört zu den Seychellen und liegt nahe am Äquator. Auf der Insel gibt es nur eine rustikale Lodge mit einzelnen kleinen Hütten. Sie stehen zwischen Kasuarinen und anderen Bäumen. Und man muss nur vier Schritte von der eigenen Veranda machen und in die tiefhängenden Äste schauen, und schon sieht man mindestens einen weißen Vogel andächtig auf einem Ei sitzen. Von den zweibeinigen Lodgebesuchern lassen sie sich nicht stören. Die meisten Bäume sind aber nicht nur mit Feenseeschwalben besetzt. Das „Erdgeschoss“ ist oftmals von einer anderen Vogelart belegt: Aus den Zwischenräumen der Baumwurzeln ragen die langen Schwanzfedern von Weißschwanz-Tropikvögeln hervor.
Sehen so Feen aus?
Ihren deutschen Namen verdanken die Feenseeschwalben wohl ihrem Aussehen. Alle ausgewachsenen Vögel, egal ob Männchen oder Weibchen, haben rein-weißes Gefieder. Schwarze Ringe vermitteln den Eindruck von großen Kulleraugen, dazu kommt ein blauschwarz-schimmernder Schnabel. Aus menschlicher Sicht möglicherweise nicht ganz so feenhaft sind ihre Füße. Zwischen den Zehen haben die Vögel Schwimmhäute und an den Zehenspitzen ausgeprägte Krallen – Ausrüstung für ein Leben, das sich im Meer und auf Bäumen abspielt. Insgesamt gibt es vier Unterarten von Feenseeschwalben (Gygis alba), die sich im Aussehen zum Teil leicht unterscheiden.
Trotz ihres Namens – für menschliche Ohren klingen Feenseeschwalben wohl eher nach Kobold, wie man auf dieser Tonaufnahme in der Macaulay Library hören kann.
Brüten ist ein Balanceakt
Feenseeschwalben sind monogam und brüten das ganze Jahr über. Ihr Ei kann zwar durch einen Windstoß vom Ast fallen und zerbrechen. Doch es lohnt sich offenbar eher, einfach ein paar Wochen später ein neues Ei zu legen, als Arbeit in ein Nest zu investieren. Die beiden Elternvögel lösen sich beim Brüten ab, und bei der Übergabe sind die beiden sehr vorsichtig, damit das Ei nicht runterfällt.
Nach etwa 36 Tagen schlüpft das Küken. Es besitzt zum Glück große Krallen, mit denen es sich vom ersten Moment an am Ast festhalten kann. Praktisch an dieser Kinderstube ist auch: Wer ohne Nest groß wird, muss sich auch nicht mit Nestparasiten wie Zecken oder Milben herumschlagen. Zu essen gibt es für große und kleine Feenseeschwalben Seafood: kleine Fische, aber auch Tintenfische und kleine Krebse. Ein Video aus der Macalay Library zeigt, wie ein Elternvogel ein kleine Küken auf den Pitcairn Inseln im Pazifik mit Fisch füttert.
Feenseeschwalben wären für konsequenten Klimaschutz
Zahlenmäßig ist bei den Feenseeschwalben die Welt noch in Ordnung. Ihre weltweite Population wurde für 2006 auf 150.000 bis 1,1 Millionen Tiere geschätzt. Die große Bandbreite der Schätzung zeigt aber: Es liegen keine wirklich aussagekräftigen Daten zur Größe der Population vor. In der Rote-Liste-Datenbank der Weltnaturschutzunion IUCN wird die Art als „nicht bedroht“ geführt. Trotzdem sind die Vögel in ihren tropischen Inselparadiesen Gefahren ausgesetzt. Eingeschleppte Ratten und Hauskatzen haben Eier, Küken und zum Teil auch Altvögel zum Fressen gern. Mancherorts sammeln auch Menschen die Eier.
Mittelfristig würden Feenseeschwalben von einem konsequenten Klimaschutz profitieren – zusammen mit den menschlichen Bewohnern ihrer Heimatinseln. Denn die Erderwärmung lässt den Meeresspiegel ansteigen und Tropenstürme zum Teil intensiver werden. Das gefährdet Nistbäume an den Küsten, vor allem auf flachen Koralleninseln wie Bird Island.
In Honolulu haben Feenseeschwalben ihr eigenes Festival
Auf Hawaii genießen Feenseeschwalben Promistatus. Hier brüten die Vögel auch mitten in der Hauptstadt Honolulu. 2007 wurde die Art offiziell zum Vogel der Stadt ernannt, und es gibt sogar ein jährliches Festival für Manu-o-Kū. So heißen die Vögel auf Hawaiianisch. Übersetzt bedeutet das „Vogel des Ku“ – Ku ist in der hawaiianischen Mythologie der Gott des Krieges.
Die Art steht in Hawaii unter Naturschutz, und nicht nur die Behörden, sondern auch Bürger engagieren sich für das Wohlergehen von Manu-o-Kū. Freiwillige können unter anderem noch unbekannte Nistbäume melden. Sie werden dann mit einem blauen Band markiert: „Nistende Feenseeschwalben“. Gärtner, die Bäume schneiden, wissen so, wo sie vorsichtig sein müssen. Auch eine Telefon-Hotline-Nummer ist angegeben. Dort können sich Passanten melden, falls sie ein Küken auf dem Boden finden. Vogelschützer helfen dann, das Tier wieder in den Baum zu setzen und mit den Elternvögel zu vereinen. So werden immer wieder Jungvögel gerettet.
In Honolulu wurde schon ein Paar beobachtet, dass sich für ein Balkongeländer als Nistort entschieden hatte. Die Renovierung des Gebäudes wurde zum Schutz der Vogelfamilie verschoben. Damit schaffen es Feenseeschwalben sogar in die lokalen Fernsehnachrichten von KOHN 2 News.
Früher waren Feenseeschwalben unter anderem für hawaiianische Seefahrer auf dem Meer verlässliche Anzeiger von Land. Denn die Vögel entfernen sich zum Fischen in der Regel höchstens ein paar Dutzend Kilometer weit von ihrer Insel und kehren jeden Abend zum Schlafen ans Land zurück, anders als etwa Küstenseeschwalben, die wochenlang über dem offenen Meer segeln.