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UNESCO warnt vor Bedrohung des Weltnaturerbes Wattenmeer durch zuviel Offshore-Wind und Gasbohrungen
Warnschuss zum Geburtstag: UNESCO äußert Sorge um Zustand des Weltnaturerbes Wattenmeer
Umstellt von Offshore-Wind, bedroht durch Gasbohrungen und durchzogen von Leitungen und Pipelines: Das Weltnaturerbe Wattenmeer ist bedroht. Nun sendet auch die UNESCO eine deutliche Warnung an Deutschland, Dänemark und die Niederlande.
Auf solche Geburtstagsgrüße hätten Deutschland, Dänemark und die Niederlande sicher gerne verzichtet. Pünktlich zum 15. Bestehen des Weltnaturerbes Wattenmeer rügt die UNESCO die drei Anliegerstaaten für den immer stärkeren industriellen Druck auf das weltweit bedeutende Ökosystem vor ihren Küsten.
UNESCO Welterbe-Kommission reagiert besorgt auf Beschwerden zum Zustand des Wattenmeers
In einer Resolution zeigt sich die UN-Organisation für Wissenschaft und Kultur besorgt über geplante Öl- und Gasgewinnung, den Bau von Leitungen und Pipelines sowie die steigende Anzahl von Offshore-Windkraftanlagen entlang der Grenzen des Wattenmeers. Mit Besorgnis nehme man drohende Beeinträchtigungen des Weltnaturerbes durch solche Vorhaben zur Kenntnis, heißt es in einer am vergangenen Donnerstag (25. Juli) verabschiedeten Resolution des zuständigen Welterbe-Komitees.
Die von 195 Mitgliedstaaten getragene UN-Organisation überprüft derzeit bei ihrer Tagung in Neu-Delhi, ob die als Welterbe ausgezeichneten Stätten ihren „universellen Wert für die Menschheit“ weiterhin verdienen. Am Ende eines solchen Prozesses kann die Aberkennung des Titels stehen. Der Status als Welterbe ist ein Ehrentitel für Gebiete, die durch ihren kulturellen oder ökologischen Wert eine weltweit herausragende Stellung einnehmen.
Die UN-Wächter warnen in ihrer Bewertung vor den sich addierenden Negativ-Einflüssen vieler einzelner Projekte in allen drei Wattenmeer-Ländern. Genannt werden die Gewinnung von Öl, Salz und Gas, der Hafenausbau, ein zunehmender Schiffsverkehr sowie der Bau von Anlagen zur Energiegewinnung wie Offshore-Windparks nahe den Grenzen des Welterbes. Zwar erkenne man die Notwendigkeit an, die Erzeugung erneuerbarer Energien zu beschleunigen. Die zahlreichen neuen Anlagen nehme die UN-Organisation dennoch mit „ernster Sorge“ zur Kenntnis – im UN-Jargon eine Chiffre für deutliche Kritik.
Bundesregierung sieht Offshore-Wind als zentralen Baustein der Energiewende
Die Bundesregierung sieht in den Offshore-Windparks dagegen eine wichtige Säule der Energiewende. Nach der von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck vorgelegten Novelle des Windenergie-auf-See-Gesetzes sollen bis 2045 eine installierte Leistung von 70 Gigawatt erreicht werden. Die Kabel zur Anbindung der Hochsee-Anlagen werden durch das Welterbe verlegt.
Ökologische Bedeutung im Weltmaßstab
Das durch den Wechsel der Gezeiten geprägte Wattenmeer erstreckt sich auf 500 Kilometer Länge entlang der Küsten Dänemarks, Deutschlands und der Niederlande.
Es ist das größte zusammenhängende Wattgebiet der Erde und Heimat von rund 10.000 verschiedenen Tier- und Pflanzenarten. Seinen Weltnaturerbe-Titel verdankt das Wattenmeer vor allem seiner Bedeutung als eine der wichtigsten Drehscheiben des interkontinentalen Vogelzugs.
Ohne das Wattenmeer bräche das System Vogelzug zusammen
Zwischen zehn und zwölf Millionen Watvögel nutzen das Gebiet in jedem Jahr als Tankstelle auf ihrem Weg von den arktischen Brutgebieten in die afrikanischen Winterquartiere. Das Wattenmeer liegt für viele Vogelarten etwa auf der Hälfte ihres rund 10.000 Kilometer langen Zugwegs. Ohne diesen Rastplatz bräche das Vogelzugsystem zusammen. Der Titel ist auch ein wichtiges Marketing-Instrument für den Tourismus und die regionale Wirtschaft. Entsprechend stolz zeigen sich die deutschen Wattenmeer-Anlieger Schleswig-Holstein, Niedersachsen und Hamburg darauf, in einer Liga mit weltbekannten Naturgebieten wie der Serengeti in Tansania oder dem Great Barrier Reef in Australien zu spielen.
Schon der zweite Warnschuss der UNESCO - Ist der Weltnaturerbe-Titel in Gefahr?
Die Rüge ist bereits der zweite Warnschuss an die Anliegerstaaten. Schon auf der vergangenen Jahresversammlung des Welterbe-Komitees in Riad äußerte die UN-Organisation deutliche Kritik vor allem an der fossilen Energiegewinnung und der Zerschneidung des Wattenmeeres durch Kabeltrassen für den Ausbau der Offshore-Windenergie.
Allerdings wurde das Wattenmeer nicht auf die Liste der bedrohten Welterbe-Gebiete gesetzt – der Vorstufe zur Aberkennung des Titels. Auch Umweltverbände hatten bei der UNESCO deshalb Beschwerde eingereicht.
Umweltverbände hatten Beschwerde bei Welterbekomitee der UNESCO eingereicht
NABU-Präsident Jörg-Andreas Krüger forderte die Bundesregierung jetzt auf, ihre Energiepläne zu überdenken, um das Welterbe nicht zu gefährden. Nötig sei eine kritische Bedarfsprüfung und Folgenabschätzungen für sämtliche Vorhaben. „Das Welterbe darf nicht zum Verlierer der Energiewende werden“, warnte er. „Die UNESCO ruft Stopp – Bund und Küstenländer müssen jetzt entschlossen gegensteuern.“
Auch der Direktor des gemeinsamen Wattenmeersekretariats der Anrainerländer, Sascha Klöpper, teilte die Bedenken der UNESCO in einer Stellungnahme. Zwar seien Belastungen durch menschliche Aktivitäten im und um das Wattenmeer nicht neu. „Aber die notwendige Beschleunigung, um die Verpflichtungen für die Energiewende zu erreichen, die geopolitische Situation zusätzlich zu anderen menschlichen Nutzungen und die Auswirkungen des Klimawandels haben den Druck auf das Ökosystem deutlich erhöht.“