„Darauf kann man sich nicht vorbereiten, man kann nur fliehen“
Dass es nach der Hitzewelle im Mittelmeer-Raum zu Unwettern kommen würde, war vorhersehbar, sagt ZDF-Metereologe Özden Terli. Das Ausmaß der Niederschläge in Griechenland aber ist exorbitant. Innerhalb von drei Tagen werden Regenmassen erwartet, die in Deutschland im Jahresdurchschnitt fallen.
Tomma Schröder: Özden Terli, wie ist die derzeitige Lage in Griechenland? Wie lange und wie stark wird es den Prognosen zufolge regnen?
Terli: Wir haben verschiedene Modelle, die eine Regenmenge von etwa 500 bis 700 Liter pro Quadratmeter vorhersagen – teilweise flächendeckend. Andere Modelle zeigen regional auch 1000 Liter. Und das wäre für europäische Verhältnisse wirklich exorbitant. Zum Vergleich: 500 bis 700 Liter ist in etwa die Jahresmenge an Niederschlägen in deutschen Städten. Und das kommt in Griechenland jetzt in drei Tagen herunter.
Wir sehen jetzt schon Bilder von Überschwemmungen im Osten Griechenlands. Weiß man, wie viel Regen schon gefallen ist und wie lange die Niederschläge noch andauern?
Terli: Ich denke der größte Teil der Niederschläge wird Dienstag und Mittwoch fallen. Bereits heute Vormittag fielen 500 Liter pro Quadratmeter. Das ist wirklich sehr viel Regen in so kurzer Zeit. Und das passt auch zu den Schadensbildern, die wir sehen.
Was kann man denn als Bürger oder auchals Gemeinde, als Stadtnoch machen, wenn eine solche Wetterlage angekündigt wird?
Darauf kann man sich eigentlich nicht vorbereiten. Da kann man nur die Gegend verlassen, fliehen. Ob die Warnungen in Griechenland entsprechend energisch waren, weiß ich nicht. Im Grunde ist es fast egal, ob am Ende 800 oder 1000 Liter runterkommen. Denn das Ganze fließt ja die Berge herunter und sammelt sich dann in den Rinnsalen und Flüssen, so dass es zu diesen krassen Überschwemmungen kommt. Und das wird sich in den kommenden Stunden fortsetzen bis Donnerstag.
Wie kommt es zu den heftigen Regenfällen?
Terli: Das hängt damit zusammen, dass das Mittelmeer zu warm ist. Wir hatten in diesem Jahr extreme Oberflächentemperaturen in den Ozeanen und auch im Mittelmeer. Und das warme Wasser ist im Prinzip der Treibstoff für Gewitter. Das ist genauso wie bei Hurrikanen. Dieses aufgeheizte Mittelmeer ist also eine beständige Quelle für Unwetter-Ereignisse.
Wenn kältere Luft sich über dem Mittelmeer erwärmt, Feuchtigkeit aufnimmt und aufsteigt, können sehr hohe Wolken entstehen. Bei dieser Wolkenbildung wird Energie freigesetzt, die zu heftigen Gewittern führen kann, heißt es dazu in einemErklärvideo des ZDFs.
Auch das Tief, das sich vor kurzem über der Adria gebildet hatte und über den Alpen für extreme Niederschläge gesorgt hat, ist dadurch entstanden, dass Kaltluft Richtung Mittelmeer runtergezogen ist und sich dort erwärmt hat. Das gleiche passiert jetzt mit der Kaltluft, die auf der Ostseite des Hochs, das uns gerade das Sommerwetter beschert, Richtung Süden strömt. Jedes Mal, wenn Kaltluft jetzt in den nächsten Wochen in Richtung Mittelmeer unterwegs ist, müssen wir davon ausgehen, dass es irgendwo zu Überschwemmungen kommt, zu extremen Wetterereignissen. Das wird sich wahrscheinlich nicht vermeiden lassen. Und ganz ehrlich: Wir haben darüber schon vor Wochen während der Hitzewelle gesprochen, weil es klar absehbar war. Eigentlich passiert das jedes Jahr. Aber wenn das Mittelmeer besonders warm ist, dann sind die Auswirkungen eben auch besonders stark bis extrem.
Kann das hierzulande auch noch zu heftigen Unwettern führen?
Terli: Nicht in diesen enormen Regenmengen, aber Unwetter sind selbstverständlich möglich. Wir haben jetzt eine Hitzewelle, die mindestens bis zum Wochenende andauern wird. Und wie der Übergang zu kühlerem Wetter dann wird, werden wir sehen. Wir haben jetzt zwar keinen Hochsommer mehr, insofern wird es nicht so explosiv werden. Das ist jetzt natürlich keine Vorhersage, sondern nur eine Abschätzung anhand der Zutaten, die momentan im Wettersystem sind.
Werden wir uns an solche Wetterlagen gewöhnen müssen?
Terli: Was wir an den Unwettern in Griechenland sehen: das Globale bricht sich hier quasi runter in ein lokales Ereignis. Wir hatten ja in diesem Jahr schon einige Extreme. Auch der Nordatlantik ist enorm warm und da muss man leider befürchten, dass da etwas Größeres im Gange ist. Dass sich eine so riesige Fläche dermaßen erwärmt, das hat es in den bisher aufgezeichneten Daten noch nie gegeben. Das ist schon echt beunruhigend.
Im Herbst und im Winter werden die Temperaturen natürlich sinken, aber die Frage ist, ob dieser Wärmeüberschuss noch bis in den Frühling, bis in den kommenden Sommer erhalten bleibt. Dann haben wir vielleicht etwas richtig kaputt gemacht. Denn wenn die Temperatur im Atlantik nicht mehr deutlich sinkt, ist etwas ganz im Argen.