Klimakatastrophe vor der Tür: Warum die Unwetter Teil der globalen Klimakrise sind

Orte, die aussehen wie in einem Endzeitfilm, Sturzfluten und Tote: Die schweren Unwetter zeigen, was uns in Zukunft noch häufiger drohen kann. Und sind ein Beleg dafür, dass sich die Klimakatastrophe längst vor unserer Haustür abspielt.

von Ludwig Obermeier
5 Minuten
Die Straßen von Esch (Kreis Ahrweiler) haben sich in reißende Ströme verwandelt. Extreme Niederschläge, wie es sie selten gab, haben in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen zahlreiche Ortschaften und Keller geflutet.

Solche Szenen haben die Menschen in Hagen noch nicht erlebt: Seit Donnerstagnacht rollen durch die idyllische Kleinstadt in Westfalen Panzer der Bundeswehr. Nach dem katastrophalen Starkregen sollen die Soldaten mit schwerem Gefährt die schlimmsten Schäden beseitigen. Die Bilder der Verwüstung, sie lassen erahnen, mit was für einer zerstörerischen Kraft das Unwetter und die Wassermassen getobt haben müssen. „Hagen sieht aus wie ein Schlachtfeld“, sagt ein Einwohner der dpa.

Doch Hagen ist in diesen Tagen nicht allein. Bei weitem nicht. Die Unwetterkatastrophe hat vor allem im Westen Deutschlands katastrophale Folgen. Häuser stürzten ein, Bächlein verwandelten sich in reißende Sturzfluten, zahlreiche Menschen starben, hunderttausende Einwohner waren ohne Strom und alte Hochwasserrekorde wurden pulverisiert.

"Hagen sieht aus wie ein Schlachtfeld." – ein Einwohner der schwer getroffenen Stadt in NRW

So etwa an der Ruhr. Der alte Rekordpegelstand von 6,17 Meter aus dem August 2007 wurde deutlich übertroffen. Auf mindestens 6,78 Meter war der Pegel der Ruhr in Hattingen am Donnerstagmorgen gestiegen. Da die Website des Hochwassernachrichtendiensts nicht erreichbar war, könnte der Hochwasserpegel sogar noch höher liegen.

Unwetter und Hochwasser: Sehr wahrscheinlich Folge der Klimakrise

Es sind Zahlen, die klar zeigen, dass das, was da vom Himmel kam, kein gewöhnliches Unwetter mehr ist. Die Intensität des Starkregens und die Rekordwerte bei Niederschlagsmengen und Hochwassermarken zeigen ein historisches Ausmaß. Dass derartige Starkregenfälle so dramatische Folgen haben, liegt nach Ansicht vieler Wissenschaftler zu großen Teilen an der Versiegelung der Böden.

Einzelne Extremwetter-Ereignisse, das sagt auch der renommierte Klimaforscher Stefan Rahmstorf, können zwar nicht in direkten Zusammenhang mit dem Klimawandel gebracht werden. Doch es gibt ein großes Aber – und drei sehr klare Indizien, weshalb die Unwetterkatastrophe der vergangenen Tage nahezu sicher auf die Klimakrise zurückzuführen ist.

1. Die Häufung extremer Ereignisse

Bei einem Einzelereignis könne die Wissenschaft „nicht zweifellos“ sagen, dass ihre Ursache in der Erderhitzung liegt, wie Rahmstorf, der am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung arbeitet, dem WDR sagte. Allerdings beobachten Klimaforscher weltweit eine Zunahme und Häufung extremer Wetterereignisse wie Dürren und Starkregen.

„Extremregen nimmt durch den Klimawandel zu. Das ist lange vorhergesagt worden“, so Rahmstorf. Die Zunahme solcher besonders starken Regenfälle begründet sich in gesättigten Luftmassen“, so der Forscher Rahmstorf. In der Physik wird dieses Phänomen mit der Clausius-Clapeyron-Gleichung erklärt. Pro Grad Erwärmung der Temperatur, kann die Luft sieben Prozent mehr Wasserdampf aufnehmen, bis sie gesättigt ist.

Aufgrund der physikalischen Gleichung sorgt die globale Erwärmung des Klimas somit für eine Zunahme extremer Unwetter.

Der Klimawissenschaftler Jakob Zscheischler von der Universität Bern sagt: „In den letzten Jahren konnte man diesen Zusammenhang auch von Beobachtungsdaten ableiten und damit die Theorie bestätigen. In der Zukunft werden solche Starkniederschläge also noch extremer werden, solange wir weiterhin CO2 ausstoßen.“

Klimaforscher sehen klare Zunahme von Starkregen-Ereignissen

Bis 1980 ließen sich Schwankungen in der Häufigkeit von extremem Starkregen übrigens mit natürlichen Faktoren erklären. Für die jüngste Zeit aber haben Wissenschaftler vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung einen klaren Aufwärtstrend solcher zuvor nie dagewesener Regenfälle entdeckt. Eine Erkenntnis, die die Forscher bereits vor sechs Jahren gemacht hatten.

2. Gestörter Jetstream und heftige Intensität

„Das Unwetterereignis steht definitiv im Kontext des Klimawandels“, sagt ARD-Wettermoderator Karsten Schwanke im Gespräch mit Riffreporter. Ein Indiz dafür, dass die Extrem-Wetterlage wie im Westen Deutschlands durch die Klimakatastrophe mindestens begünstigt wurde: Das Tief, das Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz derart extreme Regenmengen beschert hat, lag über einen Zeitraum von mehreren Tagen fest über Mitteleuropa. Es konnte also lange Zeit nicht abziehen, zog immer wieder feucht-warme Luft an, die sich dann wieder abregnete. Deswegen waren Dauer und Intensität des Starkregens so katastrophal.

"Das Unwetterereignis steht definitiv im Kontext des Klimawandels." – ARD-Meteorologe Schwanke

Schuld an der Situation hat laut ARD-Meteorologe Schwanke auch der Jetstream. Die globale Höhenströmung auf der Nordhalbkugel ist so etwas wie der Chefkoch in der Wetterküche. Doch der Jetstream ist aufgrund der Klimaerwärmung aktuell (wieder einmal) gestört.

Der Jetstream, also die Wetterdüse, die eigentlich dafür sorgt, dass Druckgebiete quasi um den Globus herum Karussell fahren, erlahmt immer häufiger. Der Grund: Weil sich wegen der Erderwärmung die Temperaturunterschiede zwischen den Polkappen und Subtropen abschwächen, kommt der Jetstream häufiger zum Erliegen. Ein Tiefdruckgebiet wie jenes, das Deutschland den Starkregen bescherte, bleibt also länger in einer Region liegen.

Klimaforscher Rahmstorf vom Potsdam-Institut für Klimaforschung bestätigt dies und warnt vor den Folgen: „Die Zunahme der Starkregen und Abnahme von Tagen mit schwachem Regen ist inzwischen auch in den Messdaten gut nachgewiesen, vor allem in den mittleren nördlichen Breiten, zu denen auch Deutschland gehört.“ Rahmstorf weiter: „Ein weiterer in der Forschung viel diskutierter Effekt ist die Abschwächung der Sommerzirkulation der Atmosphäre, die zu weniger Wetterwechsel und länger anhaltenden Wetterlagen führt – so werden ein paar heiße Tage zur Hitzewelle, ein ‚steckengebliebenes‘ Tief führt zu Dauerregen.“ Eine unmittelbare Folge des schwächelnden Jetstreams.

Schwanke: "Im Prinzip haben wir seit zwei Wochen dieselbe Wetterlage"

„Der Jetstream verläuft momentan weit im Norden Europas“, sagt Meteorologe Schwanke. „Im Prinzip haben wir in Deutschland seit zwei Wochen mehr oder weniger dieselbe Wetterlage.“ Da sich die Grundwetterlage seitdem nicht geändert habe, habe es auch vor dem Unwetterereignis schon immer wieder geregnet. Die Böden, so sagt Schwanke, waren also zum Teil schon vorher vollgesogen. Perfekte Bedingungen für Hochwasser also.

3. Großes regionales Unwetter-Ereignis

Und noch etwas spricht Schwanke zufolge dafür, dass der Klimawandel das Unwetter in seiner Intensität wahrscheinlicher gemacht hat. Die Größe und das Ausmaß des Unwetterereignisses. So seien früher bei Unwettern meist nur lokal einzelne Orte oder Landkreise betroffen gewesen; doch bei den extremen Regenfällen dieser Tage war eine „riesige Region“ betroffen, so Schwanke. „An so etwas kann ich mich nicht erinnern“, sagt der erfahrene Meteorologe im Gespräch mit Riffreporter weiter. In der Tat gab es vom Ruhrgebiet über das Rheinland bis in die Eifel und nach Rheinland-Pfalz massive Zerstörungen durch Sturzfluten und Hochwasser.

Dass die Klimakrise im Hintergrund die Fäden zieht, ist nach Ansicht zahlreicher Experten sehr wahrscheinlich. Alte Rekordmarken sowohl bei den Niederschlagsmengen als auch Hochwasserständen –wurden eingestellt. Oder wie ARD-Wettermann Schwanke sagt: „Beeindruckend im negativen Sinn ist der neue Rekordpegel an der Ahr in Altenahr, wo der alte Rekord bisher bei 3,71 Meter lag und nun mit 5,75 Meter gleich um mehr als zwei Meter übertroffen wurde.“ Da ist es schon fast eine Randnotiz der tragischen Unwetterkatastrophe, dass der Pegelmesser bei 5,75 Meter und stark steigender Tendenz einfach kapitulierte.

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