Todesfalle Regierungsviertel: Wenn Waldschnepfen gegen die CDU-Zentrale rasen
Jedes Jahr sterben allein im Berliner Zentrum Tausende Vögel an den modernen Glasfassaden. Dabei wäre Abhilfe möglich
An diesem Tag waren die Fensterputzer schon da. Die riesige Glasfassade des Paul-Löbe-Hauses, in dem die Abgeordneten des Bundestages ihre Sitzungssäle und Büroräume haben, spiegelt in der Sonne. Vergeblich sucht Claudia Wegworth die Fassade des Gebäudes mit dem Fernglas ab. Normalerweise könne man hier regelmäßig die Abdrücke zerschellter Vögel an den Scheiben sehen, sagt sie.
Doch jetzt ist alles blitzsauber. Sie zeigt mir Fotos, die sie an anderen Tagen aufgenommen hat: Kein schöner Anblick. Wie geisterhaft sind die Umrisse der Vögel im Augenblick ihres gewaltsamen Todes zu sehen: Flügelspitzen, Federreste, manchmal Blut. „Es ist vor allem der Talg aus dem Gefieder, der an den Scheiben kleben bleibt“, erklärt Wegworth. „Allerdings hinterlassen die Vögel erst ab Taubengröße Abdrücke. Die kleinen Arten wie Wintergoldhähnchen oder Meisen sind zu leicht, von denen bleibt nichts am Glas zurück.“ Sterben tun sie trotzdem.
Das Berliner Regierungsviertel mit seinen Neubauten aus den 1990er Jahren, architektonisches Sinnbild für Transparenz und Moderne, bringt jedes Jahr vielen Vögeln den Tod. Zum Verhängnis wird ihnen auch die Nähe zum Tiergarten. „Glas und grüne Umgebung, das verträgt sich einfach nicht“, sagt Wegworth. Himmel und Bäume spiegeln sich in den Fassaden, das suggeriert den Vögeln freien Flug in die Landschaft. Noch schlimmer sind begrünte Innenhöfe hinter Glasfassaden.
Wie beim Kanzleramt, das gegenüber vom Paul-Löbe-Haus den verlockend grünen Kanzlergarten hinter Betonwänden mit großen Glaselementen versteckt. Dass das für Vögel ein Problem sein könnte, daran hat beim Bau niemand gedacht. „Ganz besonders gefährlich sind gläserne Eckkonstruktionen wie bei der CDU-Parteizentrale“, sagt Wegworth. „Vögel können nicht erkennen, dass sie da nicht durchfliegen können.“ Hier hat sie im vergangenen Jahr für eine Studie tote Vögel aufsammeln lassen. Unter den Opfern waren Rotkehlchen, Trauerschnäpper und sogar eine Waldschnepfe.
Bis zu 115 Millionen Todesopfer in Deutschland?
Claudia Wegworth ist Vogelschutzreferentin beim Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND), und sie hat sich angewöhnt, moderne Architektur mit kritischen Augen zu betrachten. Erst Anfang April ist in den USA eine wissenschaftliche Studie veröffentlicht worden, derzufolge dort pro Jahr zwischen 400 Millionen und einer Milliarde Vögel an Fensterscheiben zerschellen.
Der Hotspot des Vogelschlags ist Chicago – hier ragen zahllose gläserne Super-Skyscraper ausgerechnet auf einer der wichtigsten Vogelzugrouten des Kontinents in den Himmel. Aber auch Manhattan mit seiner Skyline wird jedes Jahr zum zigtausendfachen Vogelgrab. Deutschland hat zwar deutlich weniger Hochhäuser. Doch rechnet man die Zahlen aus den USA auf Deutschland um, wie es die Länderarbeitsgemeinschaft der Vogelschutzwarten getan hat, kommt man auch hierzulande auf eine Zahl von 100 Millionen bis 115 Millionen tote Vögel pro Jahr. Und das sei eher konservativ geschätzt, betonen die Wissenschaftler.
Bei der Hochrechnung wurden nur Gebäude erfasst, nicht aber die zahlreichen Bushaltestellen aus Plexiglas, die transparenten Lärmschutzwände, die gläsernen Überführungen oder Verbindungsgänge, an denen Vögel ebenfalls den Tod finden. Die Mehrzahl der gefiederten Opfer überlebt die Kollision nicht. Und selbst wenn, sterben viele später an inneren Verletzungen – oder werden, benommen vom Zusammenprall, von Katzen oder Krähen gefressen. Letztere sind auch der Grund, warum es schwer ist, die genauen Todeszahlen zu ermitteln: Die toten Vögel werden schnell gefunden. In Berlin kennen die Krähen die für Vögel gefährlichen Ecken genau – und statten ihnen regelmäßig Besuche ab, erzählt Wegworth.
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Bauherren und Architekten wissen oft wenig über die Gefahren, die von ihren Glaskonstruktionen ausgehen. Manchmal führt die Intervention der Naturschutzorganisationen dazu, dass Pläne geändert oder Gebäude nachgerüstet werden. „Viel besser wäre es, wenn Vogelschutz von Anfang an in den Baurichtlinien fest verankert wäre“, sagt Wegworth. Eigentlich ist die gesetzliche Grundlage dafür gelegt: Im Naturschutzgesetz gilt für geschützte Tiere – und das sind in Deutschland so gut wie alle Vögel – ein Tötungsverbot. Doch am Ende ist es eine Frage der Interpretation, ob das Verbauen von großen Glasflächen zumindest unter für Vögel besonders ungünstigen Bedingungen unter die Kategorie „absichtsvolles Töten“ fällt.
In der Bundesregierung ist man sich des Problems bewusst, wie aus einer Antwort auf eine Kleine Anfrage hervorgeht, die die Bundestagsfraktion der Grünen vor drei Jahren stellte. Bei Neubauten des Bundes werde das Thema Vogelschutz „durch vogelfreundliche Fassadengestaltung“ berücksichtigt werden, heißt es in der Antwort. Und: „Die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben bemüht sich in eklatanten Fällen von Vogelkollisionen auch um Abhilfe im Rahmen der Verhältnismäßigkeit.“
Das gilt freilich nur für die Gebäude im Eigentum des Bundes. Verbindliche Bauvorschriften, die Vogelschutz an Neubauten genauso selbstverständlich vorschreiben wie Maßnahmen zum Brandschutz, seien vorerst nicht geplant. Stattdessen verwies das damals noch für beide Bereiche zuständige Bundesministerium für Umwelt und Bauen auf den weiteren Forschungsbedarf.
Regeln für verantwortungsvolle Gebäudebesitzer
Doch der ist begrenzt, denn Abhilfe gibt es längst. Am einfachsten wäre es, weniger Glas zu verbauen – im Zeitalter des Klimawandels und der im Sommer aufgeheizten Städte ohnehin eine naheliegende Lösung. Wo Architekten und Bauherren auf Licht und Transparenz beim Bauen nicht verzichten wollen, können Glasfassaden mit Mustern bedruckt werden. Das kann sogar sehr ästhetisch aussehen. Tramhaltestellen oder Wartehäuschen für den Bus können einfach mit Strukturen oder Streifen versehen werden. Der Durchblick bleibt trotzdem erhalten.
„Bei großen Fassaden geht maximal 6 Prozent an Licht verloren, sagt Wegworth. Wichtig sei, dass die „Handflächenregel“ eingehalten werde. Zwischen den aufgedruckten Elementen darf nicht mehr als eine Handbreit frei sein. Denn Vögel sind geschickte Flieger, sie wissen genau, wie groß sie sind. Schon eine nur wenig größere Lücke nehmen kleine Singvögel noch als „schnell durchfliegbar“ wahr.
Mit Glasmarkierungen beschäftigt sich der Wiener Ornithologe Martin Rössler. Er erprobt seit 15 Jahren in speziellen Flugtunneln, welche Art von Glas Vögel als Hindernis wahrnehmen und welche nicht. Dass die Greifvogelsilhouetten, die jahrzehntelang zur Beruhigung des Gewissens auf Scheiben geklebt wurden, leider gar nichts bringen, hatten vor ihm schon andere Wissenschaftler herausgefunden.
In Studien stellte sich heraus, dass Vögel die Aufkleber nicht als bedrohliche Räuber wahrnehmen, sondern lediglich als Hindernis, das sie umfliegen – und dann rechts oder links davon gegen die Scheibe knallen. Rössler hat auch nachgewiesen, dass das extra entwickelte Ornilux-Vogelschutzglas mit UV-Beschichtung, das lange vom NABU empfohlen worden war, ebenfalls nahezu wirkungslos ist. „Nur etwa die Hälfte der Vogelarten können UV-Licht überhaupt wahrnehmen“, sagt Rössler. Und für diejenigen, die es sehen, bedeutet es eher „freie Bahn Richtung Himmel“ – sie erkennen es nicht als Warnsignal, das sie zum Ausweichen bewegt.
„Ich kann verstehen, dass es eine große Sehnsucht nach solchen durchsichtigen Wunderlösungen gibt, aber das UV-Glas funktioniert einfach nicht“, so Rösslers Bilanz. Um Vögel für seine Testflüge möglichst geringen Belastungen auszusetzen, arbeitet er mit der Vogelberingungsstation Hohenau-Ringelsdorf im Nordosten Österreichs zusammen. Bevor die Vögel nach der Beringung freigelassen werden, müssen sie dort noch einmal für die Wissenschaft durch den Flugtunnel. Darin haben sie die Wahl zwischen einem durchsichtigen Referenzglas und dem zu testenden Vogelschutzglas. 40 Zentimeter vor dem Aufprall werden sie mit unsichtbaren Japannetzen abgefangen.
Das Bundesforschungsministerium zeigt, wie es geht
Das Ergebnis dürften viele Anhänger grenzenloser Transparenz nicht gerne hören: Wirklich hilft nur, was auch Menschen sehen. Also Muster. Diese müssen außen aufgedruckt oder aufgeklebt sein, denn sonst werden sie von Spiegelungen überblendet. Senkrechte Strukturen sind besser als waagerechte. Und größere Objekte wirken besser als filigrane. Ansonsten sind der Gestaltung eigentlich kaum Grenzen gesetzt: Punkte, Streifen, Rillen, Vögel, Delfine – alles ist denkbar. „Schwarze und orange Muster funktionieren besonders gut, weiße eher schlechter“, ergänzt Rössler.
Seit einiger Zeit wenden sich immer mehr Architekten und Unternehmen an Rössler, um ihre Entwürfe oder Produkte testen zu lassen. Das macht Hoffnung, dass sich insgesamt mehr Menschen als früher mit dem Problem Vogelschlag auseinandersetzen. Doch so lange das auf freiwilliger Basis geschieht, wird es ein Randthema der Baubranche bleiben, ist sich Rössler sicher. Dabei habe sich in den meisten Fällen herausgestellt: Ist das bemusterte Glas einmal eingesetzt, stört sich in der Regel kein Mensch daran. „An die Unzumutbarkeit der nicht vollständigen Transparenz glaube ich nicht“, sagt Rössler.
Warum also nicht ein Paul-Löbe-Haus mit Streifenmuster? Auch vor die Scheibe gespannte dünne Nylon-Schnüre wären denkbar. Oder aufgedruckte Paragraphen? Ein Design-Wettbewerb könnte die besten Ideen küren.
Dass vieles möglich ist, zeigt ein Positivbeispiel aus dem Regierungsviertel: Das frisch errichtete Bundesforschungsministerium wurde vor kurzem nachgerüstet. Erst vor fünf Jahren war es stolz eingeweiht worden als Beispiel für Energieeffizienz und Nachhaltigkeit. Doch das Thema Vogelschutz war vergessen worden. Der begrünte Innenhof wurde durch seine gläsernen Verbindungsgänge zwischen den Stockwerken für Vögel regelrecht zur Todesfalle. Jetzt sind die Gänge durch Spezialglas mit aufgedrucktem Muster ersetzt worden. Die durchbrochenen Linien nehmen geschickt die Form der Fenster wieder auf: Ein Gestaltungselement, das aussieht, als sei es von Anfang an so geplant gewesen. Der BUND hat den Architekten dabei beraten. Seitdem sind keine Vögel mehr umgekommen.
Claudia Wegworth gibt auch Tipps, was jeder selber tun kann, um Vogelschlag wenigstens zu minimieren. Wo verglaste Büros auf einen grünen Innenhof hinausgehen – wie an vielen Abgeordnetenbüros – hilft es schon viel, wenn abends nach Dienstschluss die Außenrollos heruntergelassen und erst morgens wieder hochgezogen werden. Denn die meisten Unfälle mit Vögeln finden in den frühen Morgenstunden statt. „Auch tagsüber können Außenlamellen so oft wie möglich waagerecht gestellt werden.“ Gleiches gelte für große Balkon- und Terrassenfenster zuhause: „Es gibt immer Zeiten, in denen man nicht daheim ist. Dann können die Rollos unten bleiben“, erklärt Wegworth.
Unterdessen greifen zumindest in der CDU-Parteizentrale die Vögel zur Selbsthilfe. Dort vertreiben sich die Krähen die Zeit damit, kleine Steinchen auf das Glasdach zu werfen. Einfach nur weil es so schöne Geräusche macht. Schon mehrfach mussten beschädigte Scheiben deswegen ausgewechselt werden. Transparenz hat eben ihren Preis.