Satellitenmessungen zeigen: Deutschland hat trotz feuchter Monate noch immer Wasserdefizit
An der Oberfläche ist der Boden nach jahrelanger Dürre wieder gut mit Wasser versorgt. Dennoch ermittelt das Geoforschungszentrum ein Minus von 10 Milliarden Tonnen Wasser im Vergleich zum langjährigen Durchschnitt – ein Satellitenpaar kann auch Veränderungen im Grundwasser detektieren, das für Landwirtschaft, Trinkwasser und Feuchtgebiete wichtig ist
Die ergiebigen Regenfälle der vergangenen Monate haben dafür gesorgt, dass die über viele Jahre hinweg ausgetrockneten Böden wieder feucht geworden sind. Der vom Helmholtz-Umweltforschungszentrum Leipzig betriebene Dürre-Monitor zeigt an, dass in ganz Deutschland an den Messstellen bis in eine Bodentiefe von zwei Metern wieder ausreichend Wasser vorhanden ist. Das kommt nicht nur der Landwirtschaft, sondern auch Feuchtgebieten wie Mooren, Sümpfen und Wiesen in Talauen zugute – diese wichtigen Ökosysteme und ihre Tiere und Pflanzen hatten in den vergangenen Jahren sehr unter Wassermangel gelitten. Ist also alles wieder in Ordnung?
Langjähriger Trend nach unten
Im Orbit kreist ein Satellitenpaar um die Erde, das tiefer als zwei Meter blicken kann. In der Mission GRACE-FO erforschen die NASA und das Deutsche Geoforschungszentrum Potsdam (GFZ) Veränderungen im gesamten Wasserbestand der Erde. Zum heutigen Weltwassertag publizierte das GFZ neue Daten, denen zufolge in Deutschland trotz des vielen Niederschlags noch immer ein Wasserdefizit gegenüber dem langjährigen Mittel besteht. Es beträgt zehn Milliarden Tonnen Wasser, was in etwa einem Fünftel der Wassermenge im Bodensee entspricht. Für ganz Europa besteht ein Wasserdefizit von 100 Milliarden Tonnen Wasser. Zudem zeigen auch die neuesten Messungen einen langjährigen Trend nach unten.
„Im Moment mag der Oberboden in Deutschland wieder ganz gut durchnässt sein, mit GRACE-FO können wir allerdings sehen, dass sich in der Tiefe der Wasserspeicher eben noch nicht vollständig regeneriert hat“, sagt die Geowissenschaftlerin Eva Börgens vom GFZ. Sie hebt hervor, dass das Satellitenpaar GRACE-FO mit seiner Messmethode Veränderungen des Wasserhaushalts auch tief im Boden registrieren kann, was es auch erlaubt, Schwankungen im Grundwasser zu vermessen. Das Grundwasser durchzieht Boden und Erde bis in mehrere Hundert Meter Tiefe, es ist unter anderem sehr wichtig, um Trink- und Brauchwasser zu gewinnen.
GRACE-FO misst beim Überflug kleinste Schwankungen in der Anziehungskraft der Erde zwischen den beiden Satelliten. Daraus lassen sich Veränderungen in der Wasserbilanz ermitteln. Ein Vorgängerprojekt wurde seit 2002 der Nasa und dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrtforschung betrieben, seit 2018 ist das Geoforschungszentrum Partner der US-Raumfahrtbehörde. Die Messungen gelten der Wasserbilanz der gesamten Erde im Klimawandel. Sie lassen sich in 300 mal 300 Kilometer großen Messarealen aber auch auf einzelne Länder oder Regionen anwenden. Die Auflösung der Daten ist dabei allerdings gering, sodass nicht unterschieden werden kann, ob Wasser zum Beispiel in Seen oder im Grundwasser fehlt.
Erholung nur an der Oberfläche
Der sogenannte terrestrische Gesamtwasserspeicher setzt sich nach Angaben des GFZ aus Eis in Gletschern, Schnee, Bodenfeuchte, Grundwasser sowie dem Oberflächenwasser in Flüssen, Seen und künstlichen Reservoirs zusammen. Er gilt als eine wichtige Messgröße für die Umwelt- und Klimaforschung, sie wird unter anderem vom Weltklimarat IPCC benutzt. Die nun vorliegende Auswertung der Daten bis einschließlich Dezember 2023 zeigt dem GFZ zufolge, „dass sich der Gesamtwasserspeicher in Deutschland im Jahr 2023 zwar etwas erholt hat, dass im Vergleich zum langjährigen Mittel aber immer noch rund 10 Milliarden Tonnen fehlen.“
Die Messdaten spiegeln in ihrem Auf und Ab den natürlichen Zyklus ab, in dem Landschaft und Boden in den Wintermonaten Wasser aus Niederschlägen aufnehmen und einspeichern und in den wärmeren Monaten in der Vegetationsperiode abgeben. Wenn im Frühjahr oder Sommer starke Niederschläge zu Hochwassern führen, wird auch das in den Schwankungen des Gesamtwasserspeichers sichtbar.
Dass in Deutschland immer häufiger eine Abweichung ins Negative auftritt, spiegelt einen zunehmenden Wasserverlust gegenüber dem langjährigen Durchschnitt wider. Allerdings hebt das GFZ hervor, dass sich erst nach einer Messperiode von dreißig Jahren eine echte Trendaussage machen lässt. Deshalb ist das Messprogramm GRACE-FO noch bis zum Jahr 2028 geplant, anschließend soll es ein Nachfolgeprogramm geben, um Schwankungen in der Wasserbilanz der Erde langfristig zu untersuchen. Das Satellitenpaar kann auch Wasserverluste der polaren Eisschilde ermitteln. Nach Angaben des GFZ belaufen sich diese aufgrund der Klimaerwärmung in Grönland auf jährlich rund 224 Milliarden Tonnen Eis und in der Antarktis auf 138 Milliarden Tonnen.
In vielen Weltregionen sinkt das Grundwasser
Zunehmende Wasserverluste an Land sind nicht nur für den Nahrungsanbau problematisch, sondern auch für den Schutz der Biodiversität. Zahlreiche feuchte Lebensräume sind auf ganzjährig ausreichendes Wasser angewiesen. Wenn etwa Feuchtwiesen im Frühjahr ausgetrocknet sind, kann sich ihre von Natur aus große Vielfalt an Pflanzen und Insekten nicht gut entwickeln, und für größere Tiere steht weniger Nahrung zur Verfügung. Dasselbe gilt für die Bewohner von Auwäldern und Sümpfen.
Bei Mooren kommt noch hinzu, dass eine starke Austrocknung das Treibhausgas Kohlendioxid in großen Mengen freisetzt, weil der Humusboden zerfällt. Deshalb laufen in ganz Deutschland derzeit Versuche, Moore wiederzuvernässen. Langfristig sind Landwirtschaft, Stadtbewohner und Natur darauf angewiesen, dass die natürlichen Grundwasserspeicher ausreichend gefüllt sind, aus denen sehr viel Wasser später an die Oberfläche gelangt. Weltweit verzeichnen Wissenschaftler eine Erschöpfung von Grundwasservorkommen hauptsächlich durch Bewässerung für die intensive Landwirtschaft und schlagen deshalb Alarm.