Egal welcher Nationalität, egal welcher Religionszugehörigkeit, egal ob Frau oder Mann: Raumfahrer beschreiben ihre Sicht auf unseren Heimatplaneten mit auffällig ähnlichen Worten. Nun sind Raumfahrer keine geborenen Lyriker oder Umweltschützer. Und doch scheinen Aufenthalte außerhalb der Erdatmosphäre in ihrem Denken und Empfinden Erstaunliches bewirkt zu haben, wie ein Blick auf dieses „Nebenprodukt“ der Raumfahrt zeigt.
Die Erkenntnis ist nicht neu, dass sich Raumfahrer während oder nach ihren Missionen in ähnlicher Weise äußern. Im Jahre 1987 benannte der amerikanische Journalist Frank White dieses Phänomen als „Overview-Effect“. Seither wird – auch mit schmunzelndem Blick – immer mal wieder die Frage aufgeworfen, ob Ausflüge in den Erdorbit, oder damals zum Mond, aus manchen Raumfahrern „Linke“ gemacht haben oder machen. Ich will das nicht deuten, vielmehr einige der Zitate, die ich im Laufe der Jahre sammelte, für sich stehen und sprechen lassen. Natürlich ist die Auswahl, die ich hier präsentiere, subjektiv. Aber: In vielen Jahren habe ich keinen einzigen Ausspruch eines Raumfahrers gefunden, der nicht in dieselbe Richtung ginge wie die hier präsentierten Aussagen. Es gibt höchstens wortkargere Raumfahrer, von denen kein einziges Interview und nicht einmal einzelne Aussagen überliefert sind. Die sozialen Medien, von den Raumfahrtagenturen öffentlichkeitswirksam genutzt, sind da ein Glücksfall: Viele Besucherinnen und Besucher der internationalen Raumstation ISS zeigen sich in den vergangenen Jahren besonders auskunftsfreudig, teilweise mit sehr persönlichen Worten und Bildern. Oder ist es andersherum? Sehen wir nur mehr ihrer Aussagen über unseren Heimatplaneten, weil ihre oft mit eindrucksvollen Fotos illustrierten Aussagen durch die sozialen Medien präsenter sind? Wie auch immer, auch Tweets, Facebook-Posts oder Instagram-Bilder sind es wert, eine Sammlung von Raumfahrer-Zitaten aufzuwerten.
Seit Juri Gagarin im April 1961 als erster Mensch einen Raumflug von knapp 108 Minuten absolvierte, taten es ihm bei rund 300 Raumflügen mehr als 500 weitere Menschen aus 41 Nationen gleich. Die allermeisten dieser Raumfahrer hielten oder halten sich dabei im Erdorbit auf. Nur sehr wenigen Menschen war es bislang vergönnt, sich auf dem Weg zum Mond weiter von der Erde zu entfernen: Insgesamt 24 Astronauten – ausnahmslos männliche Amerikaner – umkreisten einmal oder mehrfach den Mond, nur 12 von ihnen verbrachten bis zu drei Tage auf seiner Oberfläche und kamen in den Genuss der leichten Mondanziehung. Die kurze Phase der sechs Mondstippvisiten begann vor fünf Jahrzehnten, und endete schon drei Jahre darauf. Seit Dezember 1972 war Schluss mit Mondfahrten. Aus heutiger Sicht waren diese dem kalten Krieg geschuldeten Unterfangen der USA heikle und riskante Abenteuer. Glücklicherweise brachte selbst der Beinahekatastrophenflug von Apollo 13, bei dem auf dem Weg zum Mond ein Sauerstofftank explodierte, die Astronauten heil zurück zur Erde. Die einzige Katastrophe des Apollo-Programms fand 1967 im NASA-Testzentrum auf Cape Canaveral statt, als die drei Astronauten Virgil Ivan ´Gus` Grissom, Edward H. White und Roger B. Chaffee während einer Routineübung in der (noch) fehlkonstruierten Kapsel starben.
Definitiv kein Raumfahrer war der chinesische Philosoph Lǎozǐ, der vermutlich im 6. Jahrhundert v. Chr. lebte, aber ihm wird ein Aphorismus zugeschrieben, der den „Overview-Effekt“, ohne in philosophische Tiefen abzutauchen, recht gut zu erklären vermag:
„Klar sieht, wer von Ferne sieht, nebelhaft, wer Anteil nimmt.” Lǎozǐ
Der Ausspruch Juri Gagarins nach seinem Kurztrip in den Erdorbit 1961 enthält in nuce alles, was sich in vielen späteren Beschreibungen von Raumfahrern findet – und bis heute sind Aussagen des ersten Raumfahrers präsent, so etwa jüngst in einem Tweet des italienischen Raumfahrers Paolo Nespoli:
„Ich sah, wie schön unser Planet ist. Leute, lasst uns diese Schönheit erhalten und vermehren, nicht zerstören.“ Juri Gagarin
Auch der erste deutsche Raumfahrer, Sigmund Jähn, der mit der sowjetischen Raumstation Saljut 6 im Spätsommer 1978 die Erde sieben Tage lang 124 Mal umrundete, beschreibt den blauen Planeten nach seinem Flug mit lyrischen Worten:
„Bereits vor meinem Flug wusste ich, dass unser Planet klein und verwundbar ist. Doch erst als ich ihn in seiner unsagbaren Schönheit und Zartheit aus dem Weltraum sah, wurde mir klar, dass der Menschheit wichtigste Aufgabe ist, ihn für zukünftige Generationen zu hüten und zu bewahren.” Sigmund Jähn
Weniger lyrisch und deutlich inhaltsleerer klingt da sein Grußwort, das er während seines Raumflugs via Funk an die DDR-Bevölkerung richtete:
„Liebe Fernsehzuschauer der Deutschen Demokratischen Republik, ich bin sehr glücklich darüber, als erster Deutscher an diesem bemannten Weltraumflug teilnehmen zu dürfen.“ Sigmund Jähn
Bezeichnend für die DDR-Zeit ist die Anekdote, dass Sigmund Jähn nach seiner harten Landung in der kasachischen Steppe, die ihm einen dauerhaften Wirbelsäulenschaden bescherte, ein Foto seines kurz vor dem Start geborenen Enkels überreicht bekam, die DDR-Medien dies aber geflissentlich verschwiegen: Die DDR pflegte das Heldenimage „ihres“ Raumfahrers nach innen und nach außen sorgsam. Westdeutschland hatte im Jahre 1978 immerhin noch keinen Raumfahrer aufzubieten. Dass Sigmund Jähn eine Familie hatte, gar Kinder und einen ersten Enkel, passte in den Augen der SED keineswegs zum Bild eines Helden. Ein anderer Ausspruch Sigmund Jähns sei erwähnt, in dem er die Startphase mit der Sojus 31 beschreibt, als die russische Trägerrakete Sojus U ihn und Waleri Bykowski mit satten 4088 kN Schub in den Erdorbit verfrachtete. Das Zitat stammt aus einem Interview mit der Illustrierten Superillu im Jahre 1998:
„Die Stimme des Flugleiters im Kopfhörer klang fast feierlich: ´Podjom – Aufstieg!` Es war zuerst, als würde es in weiter Ferne donnern. Das dumpfe Grollen kam schnell näher und näher. Die Rakete begann zu vibrieren, als zitterte sie, so schnell wie möglich vom Krater des Vulkans wegzukommen, auf dem sie saß. Ich sah es zwar nicht aus unserer Kapsel 50 Meter über der Erde, aber Augenzeugen berichteten mir später von diesem einmaligen Schauspiel. Es sah aus wie ein feuerspeiender Drachen, der ein Meer aus Flammen und Rauch ausstieß. Rot, gelb, blau und violett tobten die Strahlen aus den fünf Triebwerken. Ein faszinierender Anblick. Meine Pulswerte waren erhöht. Aber dieses Herzklopfen war keine Angst, eher anregend. Und was ich dann sah, war totale Glückseligkeit: Unsere Erde, in leuchtendes Blau gehüllt. Einfach traumhaft.“ Sigmund Jähn
Der Aspekt, die Erde als schützenswert anzusehen, taucht bei vielen Raumfahrern der ersten Generationen auf. Der Physiker Ulf Merbold, der – zwischen 1983 und 1994 – als bislang einziger Deutscher drei Raumflüge absolvierte, beschreibt die dünne Erdatmosphäre:
„Zum ersten Mal in meinem Leben sah ich den Horizont als eine gebogene Linie. Sie war durch eine dunkelblaue dünne Naht betont – unsere Atmosphäre. Offensichtlich handelte es sich hierbei nicht um das Luftmeer, wie man mir oft in meinem Leben erzählte. Die zerbrechliche Erscheinung versetzte mich in Schrecken.“ Ulf Merbold
„Zerbrechlichkeit“ gerade der Erdatmosphäre auch im Fokus auch der Worte des deutschen Raumfahrers Alexander Gerst nach seinem ersten Raumflug 2015. Im Gespräch mit Rangar Yogeshwar in einer Folge der WDR-Sendung Quarks & Co sagt er über seine Zeit im Erdorbit:
„Mein Blickwinkel auf die Erde ist sehr verändert worden, dadurch dass ich sie von oben gesehen habe. Ich habe die Erde plötzlich als Gesamtsystem gesehen, als Kugel abgeschlossen mit einer hauchdünnen Atmosphäre. Die sieht unvorstellbar zerbrechlich aus, als ob man sie mit einem Hauch wegpusten könnte. Und man sieht, wie wir Menschen da Schadstoffe reinpusten. Und gleichzeitig wirkt das so zerbrechlich, und unsere Erde so einsam und klein, als unser einziges Raumschiff, das wir Menschen haben, mit dem wir durch das schwarze Universum fliegen. …“ Alexander Gerst
Der ab 1985 auf drei Raumflügen eingesetzte Kosmonaut Alexander Wolkow erlebte während seines fünfmonatigen Aufenthalts zwischen Oktober 1991 und März 1992 an Bord der Mir die Auflösung der UdSSR. Auch seine Eindrücke sind poetisch:
„Man sieht, wie am Horizont zunächst Lichtstrahlen in seltsamen und kontrastierenden Farben aufsteigen. Danach werden auch die Wolken farbig. Sie bekommen eine rosa Tönung, und ihre gleichfalls rosafarbenen Gipfel sehen irgendwie wie Zauberpferde aus.“ Alexander Wolkow
Die bislang größten Raumfahrt-Abenteuer sind die sechs Mondlandungen, insbesondere die Premiere der Mission Apollo-11. Rund 600 Millionen Fernsehzuschauer weltweit verfolgten am 21. Juli 1969 die Landung von Neil Armstrong und Buzz Aldrin mit dem Landemodul „Eagle“ im Mare Tranquillitatis. Der erste Raumfahrer, der seinen Fuß auf den Erdtrabanten setzte, war der Kommandant der Mission, Neil Armstrong, und sein im Kollektivgedächtnis der Menschheit verankerter Ausspruch, jenen mit dem kleinen Schritt für einen Menschen und dem großen für die Menschheit, strahlt überzeitlich. Dieses unbekanntere Zitat von ihm geht in eine ähnliche Richtung:
„Plötzlich fiel mir auf, dass diese winzige Erbse, hübsch und blau, die Erde war. Ich steckte meinen Daumen hoch und schloss ein Auge, und mein Daumen löschte den Planeten Erde aus. Ich fühlte mich nicht wie ein Riese. Ich fühlte mich sehr, sehr klein.“ Neil Armstrong
Gerade die Aussagen der ersten Raumfahrer sind interessant, da fast alle Jagdbomber-Piloten waren, ehe sie bei der NASA ihre Astronautenkarriere begannen. So hatte Neil Armstrong ab 1950 am Koreakrieg teilgenommen, und wie einige seiner Kollegen teils haarsträubende Beinaheabstürze überlebt. Armstrong war vor seiner Astronauten-Karriere NASA-Testpilot in Fluggeräten wie dem Raketenflugzeug X-15, mit der er 1962 die Rekordgeschwindigkeit von Mach 5,74 erreichte. Alles in allem handelte es sich um Einsätze, die zeigen: Es waren in der Tat harte Jungs. Und eben diese Kerle beschreiben die Erde im lyrischen Tone Rainer Maria Rilkes.
Nahezu jeder Raumfahrer hat irgendeinen Rekord zu bieten, als "die erste, die" oder "der erste, der". Zwei solcher Rekorde des Amerikaners John H. Glenn, von 1974 bis 1998 Senator von Ohio, sind erwähnenswert: Die Amerikaner ließen ihn kurz nach Juri Gagarins Erdorbitpremiere 1962 gleich dreimal um die Erde kreisen – und er ist der bis heute älteste Raumfahrer: Mit stolzen 77 Jahren nahm er 1998 als Nutzlastspezialist am neuntägigen Raumflug STS-95 des Space-Shuttles Discovery teil. Sein Ausspruch „Zero G and I feel fine“ nach seinem ersten Raumflug, ist bekannt. Weniger bekannt ist sein Ausspruch nach seinem Discovery-Flug:
„Auf diese Art von Schöpfung hier draußen zu schauen und nicht an Gott zu glauben, ist für mich unmöglich.” John H. Glenn
Dieses Zitat des Amerikaners James Irwin, der 1971 mit Apollo 15 der achte Mensch auf dem Mond war, ist ein schönes Beispiel für einen Raumfahrerausspruch, der je nach Belieben gekürzt wird, oder auch nicht. Evangelikale und Sektierer benutzen den abschließenden Satz gerne, um den 1991 verstorbenen Astronauten als Vorzeigechrist darzustellen:
„Die Erde erinnerte uns an eine in der Schwärze des Weltraums aufgehängte Christbaumkugel. Mit größerer Entfernung wurde sie immer kleiner. Schließlich schrumpfte sie auf die Größe einer Murmel – der schönsten Murmel, die du dir vorstellen kannst. Dieses schöne, warme, lebende Objekt sah so zerbrechlich, so zart aus, als ob es zerkrümeln würde, wenn man es mit dem Finger anstieße.
Ein solcher Anblick muss den Menschen einfach verändern, muss bewirken, dass er die göttliche Schöpfung und die Liebe Gottes dankbar anerkennt.“ James Irwin
Ähnlich äußert sich der Amerikaner Eugene Cernan, der im Dezember 1972 mit dem bislang letzten bemannten Mondflug, Apollo 17, den Mond besuchte:
„Es ist unglaublich. Man zwinkert mit den Augen und schaut hinaus. Man weiß wohl, dass diese dreidimensionale Erde, die da vor uns liegt, enorm groß ist. Aber aus unserer Perspektive ist alles unverständlich. Sie liegt mitten im Nichts …” Eugene Cernan
Der erste Raumfahrer, der einige Jahre vor Apollo 11 einen Außeneinsatz an seinem Raumschiff unternahm, war im März 1965 der Russe Aleksej Leonow. Sein Zitat lässt nicht erahnen, dass dies fast schief gegangen wäre: Sein Raumanzug hatte sich durch den Druckunterschied zum Vakuum des Weltraums weit aufgebläht, so dass die Luftschleuse zum Wiedereinstieg zu eng geworden war. In bangen Minuten der Improvisation gelang es Aleksej Leonow, den Druck in seinem Anzug so weit zu reduzieren, dass er gerade eben wieder durch die Schleuse passte und unversehrt ins Raumschiff, der Woschod 3KD, zurückkehren konnte. In seiner Beschreibung ist von diesen Schreckminuten keine Spur:
„Die Erde war so klein, blau und rührend einsam – unsere Heimstatt, die wir erhalten müssen. … Sie erschien mir vollkommen rund. Ich glaube, mir ist nie so recht klar geworden, was „rund“ heißt, bis ich die Erde aus dem Kosmos gesehen habe.“ Aleksej Leonow
Die Worte des Franzosen Patrick Baudry, der 1985 im Rahmen der Mission STS-51-G mit der Raumfähre Discovery im Erdorbit kreiste, um drei Kommunikationssatelliten in ihre Umlaufbahn zu bringen, lassen ein impressionistisches Gemälde ahnen:
„Die Erde in ihrer Schönheit ist unendlich zart und reich, eine wunderbare Harmonie strahlender sanfter Farben. Einzig ein Kind könnte in seiner Unschuld die Reinheit und den Glanz dieses Anblicks erfassen.“ Patrick Baudry
Alexander Gerst, der während seiner beiden Aufenthalte auf der Raumstation ISS satte 362 Tage im Erdorbit verbrachte, beschreibt die Schwärze des Weltraums 2017 in einem Interview mit der dpa mit nüchternen Worten:
„Ich dachte, der Weltraum sei ein besonderer Ort. Was ich da oben gelernt habe, ist, dass er genau das Gegenteil davon ist. Es gibt zwar viele interessante Objekte dort draußen, die es sehr wert sind, von uns gründlich erforscht zu werden. Aber der gigantische Rest des Weltraumes ist schwarz, öde und lebensfeindlich. Der wirklich, wirklich besondere Ort darin, das ist unser einzigartiger blauer Heimatplanet.“ Alexander Gerst
Der Amerikaner Loren Wilber Acton, 1985 knapp acht Tage im Erdorbit mit der 19. Space-Shuttle-Mission, und dem achten und vorletzten Flug der Raumfähre Challenger:
„Wenn du auf die andere Seite, zu den Sternen hinausblickst, wird dir klar, dass es bis zur nächsten Wasserstelle entsetzlich weit ist.“ Loren Wilber Acton
Virgil Ivan ´Gus` Grissom ahnte von der Existenz von Planeten, die um andere Sterne als die Sonne kreisen, aber konnte von ihnen noch nicht wissen. Seit dem ersten, definitiven Nachweis eines Exoplaneten im Jahre 1995 sind etwa 4000 weitere hinzugekommen. Nach Alan Shepard war Grissom der zweite US-Amerikaner und dritte Mensch im Weltraum und zudem der erste Mensch, der zweimal in den Weltraum reiste. Er kam, wie oben beschrieben, 1967 bei einem Routinetest im NASA-Testzentrum neben Edward H. White und Roger B. Chaffee ums Leben. Seine Worte blicken weit hinaus:
„Der Weltraum besitzt eine Klarheit und eine Leuchtkraft, wie es das auf der Erde überhaupt nicht gibt, nicht einmal an einem wolkenlosen Sommertag im Hochgebirge. Nirgendwo sonst kannst du die Majestät unserer Erde vollkommener erfassen und so viel von Ehrfurcht erfüllt werden von dem Gedanken, dass sie nur einer von unzählig vielen Tausenden von Planeten ist.“ Virgil Ivan ´Gus` Grissom
Ein Aspekt, der sich wie ein roter Faden durch Raumfahrerzitate zieht: Das Verschwinden nationaler Grenzen. Der erste arabische Raumfahrer aus Saudi-Arabien, Sultan bin Salman bin Abdul-Aziz Al Saud, war 1985 mit der 18. Space-Shuttle-Mission und dem fünften Flug der Raumfähre Discovery sieben Tage lang im Erdorbit:
„Am ersten Tag – oder so – wiesen wir auf unsere Länder. Am dritten oder vierten Tag wiesen wir auf unsere Kontinente. Am fünften Tag waren wir uns bewusst: Es ist dies die eine Erde.“ Sultan bin Salman bin Abdul-Aziz Al Saud
Ähnlich äußert sich Muhammed Achmed Faris, erster und bislang einziger Syrer im Weltraum, der 1987 sieben Tage an Bord der Mir verbrachte:
„Ich sah die Erde vom Weltraum aus; sie war unbeschreiblich schön, die nationalen Ländergrenzen waren verschwunden.“ Muhammed Achmed Faris
Die folgenden Zitate legen den Fokus auf natürliche Grenzen. Juri Petrowitsch Artjuchin flog 1974 mit Sojus 14 zur sowjetischen Raumstation Saljut 3 und verbrachte 15 Tage im Erdorbit:
„Es spielt keine Rolle, in welchem See oder Meer du Verschmutzungen entdeckt hast, in den Wäldern welchen Landes du das Ausbrechen von Bränden bemerkt hast, oder über welchem Kontinent ein Wirbelsturm entsteht. Du bist Hüter deiner ganzen Erde.“ Juri Petrowitsch Artjuchin
Sein Landsmann Wladimir Kowaljonok verbrachte bei drei Raumflügen zwischen 1977 und 1981 insgesamt 216 Tage im Erdorbit – und zieht denselben Schluss:
„Nachdem eine orangefarbene Wolke, die sich infolge eines Sandsturms über der Sahara gebildet hatte, von Luftströmungen bis zu den Philippinen getrieben worden war, wo sie als Regen niederging, habe ich begriffen, dass wir alle im selben Boot sitzen.“ Wladimir Kowaljonok
Edgar Mitchell, der 1971 mit Apollo 14 als sechster Mensch den Mond betrat, sagt:
„Der Höhepunkt unserer Reise war die Erkenntnis, dass das Universum harmonisch, zweckvoll und schöpferisch ist. Der Tiefpunkt lag in der Feststellung, dass sich die Menschheit nicht gemäß dieser Erkenntnis verhält.“ Edgar Mitchell
Nach seiner ersten ISS-Mission sagt Alexander Gerst 2015:
„… Und das ist ein Blickpunkt, den ich unbedingt teilen möchte, weil er selbst für mich als Geophysiker – ich habe von mir behauptet, ich habe die Erde verstanden vorher – aber man kann eine Sache verstehen, oder man kann sie mit den eigenen Augen sehen. Und das sind zwei unterschiedliche Dinge. Und deswegen ist es mir wichtig, dass ich dieses mit den menschlichen Augen sehen, diese Bilder teile und wieder zurück auf die Erde bringe. Und ich denke, das ist eine wichtige Perspektive, die uns manchmal hier unten fehlt.“ Alexander Gerst
Auf seinem zweiten Raumflug, der vom 4. Oktober 2018 an 76 Tage dauerte, war Alexander Gerst Kommandant der ISS-Expedition 57. Einen Tag vor seiner Rückkehr veröffentlichte die ESA eine Ansprache von ihm, die „Nachricht an meine Enkelkinder“. Es lohnt sich, dieses aufwendig produzierte ESA-Video anzuschauen, bei Youtube oder bei Facebook.
Einige Auszüge aus Alexander Gersts „Nachricht an meine Enkelkinder“ seien zitiert:
„… Und wenn ich so auf den Planeten runterschau, glaube ich, dass ich mich bei euch entschuldigen muss. Im Moment sieht es so aus, als ob wir, meine Generation, euch den Planeten nicht gerade in bestem Zustand hinterlassen werden. Im Nachhinein sagen natürlich immer viele Leute, sie hätten davon nichts gewusst, aber in Wirklichkeit ist es uns Menschen schon sehr klar, dass wir im Moment den Planeten mit Kohlendioxid verpesten, dass wir das Klima zum Kippen bringen, dass wir Wälder roden, dass wir die Meere mit Müll verschmutzen, dass wir die limitierten Ressourcen viel zu schnell verbrauchen und dass wir zum Großteil sinnlose Kriege führen.…“
„… Ich bin mir sicher, dass ihr die Dinge inzwischen sehr viel besser versteht als meine Generation. Und wer weiß, vielleicht lernen wir ja auch noch was dazu. Dass ein Blick von außen immer hilft, dass dieses zerbrechliche Raumschiff Erde sehr viel kleiner ist, als die allermeisten Menschen sich das vorstellen können. Wie zerbrechlich seine Biosphäre ist und wie limitiert seine Ressourcen. Dass es sich lohnt, mit seinen Nachbarn gut auszukommen. Dass Träume wertvoller sind als Geld und dass man ihnen eine Chance geben muss. Dass junge Mädchen Dinge genauso gut können, aber dass doch jeder von euch eine Sache hat, die er besser kann als alle anderen. Dass die einfachen Erklärungen oft die falschen sind und dass die eigene Sichtweise eigentlich immer unvollständig ist. Dass die Zukunft wichtiger ist als die Vergangenheit und dass man niemals ganz erwachsen werden soll. …“
Der vietnamesische Raumfahrer Phạm Tuân schoss 1972 mit einer MiG-21 eine US-amerikanische B-52 über Hanoi ab, was ihm zu einer steilen Militärkarriere verhalf, die 1979 in die Aufnahme als Kosmonaut in das Interkosmos-Programm gipfelte. Schon ein Jahr darauf, im Juli 1980, verbrachte er sieben Tage auf der sowjetischen Raumstation Saljut 6.
„Nach sieben Flugtagen im Weltraum erkannte ich, dass der Mensch die Höhe vor allem braucht, um die Erde, die so vieles durchlitten hat, besser zu verstehen und manches zu erkennen, was aus der Nähe nicht wahrgenommen werden kann. Nicht allein, um von ihrer Schönheit in Bann geschlagen zu werden, sondern auch um zu einem Verantwortungsgefühl dafür zu kommen, dass durch nichts, was wir tun, die Natur auch nur im geringsten Maße Schaden leiden darf.“ Phạm Tuân
Der US-Amerikaner Donald E. Williams flog im Vietnamkrieg als Bomberpilot von einem Flugzeugträger aus 330 Einsätze. Auch er war folglich kein gelernter Humanist. Wie bei Phạm Tuân sei der militärische Lebenshintergrund vermerkt, da die Zitate beider Raumfahrer so in einem anderen Licht erscheinen. Je nach Lesart in einem strahlenderen – oder auch in einem trüberen Licht. Auf den Raumfähren Discovery (STS-51-D) und Atlantis (STS-34, bei der die Jupitersonde Galileo die Hauptnutzlast war) verbrachte Williams 1985 und 1989 insgesamt 11 Tage im Erdorbit.
„Für diejenigen, die die Erde aus dem Weltraum gesehen haben, und für die Hunderte oder vielleicht Tausende, die es noch tun werden, verändert das Erlebnis sehr wahrscheinlich ihre Weltsicht. Die Dinge, die wir auf der Erde miteinander teilen, sind viel wertvoller als die, die uns trennen.“ Donald E. Williams
Die ersten Menschen besuchten vor nunmehr 51 Jahren den Mond. Kein Zitat im eigentlichen Sinne sind die folgenden Worte, aber wohl den meisten Menschen bekannt; Neil Armstrong und Buzz Aldrin ließen eine Plakette an der Leiter der Landefähre im Mare Tranquillitatis zurück, auf der geschrieben ist:
„Here men from the planet Earth first set foot upon the Moon. July 1969 A.D. We came in peace for all mankind.“
„Hier betraten erstmals Menschen vom Planeten Erde den Mond. Juli 1969 n. Chr. Wir kamen in Frieden für die ganze Menschheit.“ Plakette an der Landefähre von Apollo 11
Am 2. Juni 2020 twitterte Buzz Aldrin, der älteste der vier noch lebenden Astronauten, die den Mond zwischen 1969 und 1972 betraten, zusammen mit jenem berühmten Foto, das Neil Armstrong von ihm auf dem Mond aufnahm, ein starkes Statement gegen die Flammenwerferpolitik des derzeitigen amerikanischen Präsidenten.
Zur Zeit der Mondfahrten beherbergte die Erde rund 3,7 Milliarden Menschen. Bis heute hat sich die Zahl mehr als verdoppelt: Die Menschheit zählt knapp 7,8 Milliarden Individuen – und spätestens seit Beginn der Moderne ist der Homo sapiens zum geologisch wirksamen Faktor geworden. Seine Spuren hinterlässt er auf dem gesamten Planeten, allen Kontinenten, den Weltmeeren, der Atmosphäre, dem Erdorbit, überall – bis in den allerhintersten, -untersten, -fernsten Winkel. Viele seiner Spuren sind selbst aus dem All sichtbar. Findige Geologen der Zukunft werden das „Anthropozän“ einst als eine Schicht im Weltengefüge erkennen, in der es unter anderem zu einer starken Artendezimierung kam.
Einige der hier aufgeführten Raumfahrerzitate zeigen: Wer einen Schritt zurück auf die Metaebene tritt, dem verblassen Kategorisierungen wie Nationalität, Ethnie oder Religion mehr und mehr, dem verwischen nationale und natürliche Grenzen – und bei dem festigt sich die Erkenntnis, es beim Planeten Erde mit einer zerbrechlichen Lebensgrundlage zu tun zu haben. Vielleicht sollten wir jene amtierenden Staatslenker und Präsidenten für eine Weile ins All schicken, welche sich diesen Einsichten renitent verschließen? Natürlich ist dieser Gedanke Unfug. Aber wir können unser eigenes Bewusstsein schärfen, und in demokratischen Systemen unsere Wählerstimmen entsprechend verteilen. Raumfahrerzitate zeigen auch: Die Erde ist ziemlich einsam. Es gibt keinen Ersatzplaneten, keinen Planeten B, auf den die Menschheit ausweichen könnte, sollten die Lebensgrundlagen für die auf Erden dominanteste und destruktivste Art, den Homo sapiens, irgendwann ruiniert sein.
Was den Homo sapiens von anderen Arten auf der Erde unterscheidet: Er hat einen weit reichenden Verstand. Der Kosmonaut Igor Wolk, der 1984 elf Tage an Bord der russischen Raumstation Saljut 7 im Erdorbit verbrachte, betonte den Stolz, den uns diese einzigartige Gabe einflößen kann:
„Nachdem wir die Erde einige Tage lang betrachtet hatten, kam uns der kindische Gedanke, dass man uns etwas vormache. ´Wenn wir wirklich die Ersten im Kosmos sind, wer hatte da den Globus so perfekt konstruieren können?` An die Stelle dieses Gedankens trat dann der Stolz auf die Fähigkeit des Menschen, mit dem Auge des Verstandes zu sehen.“ Igor Wolk
_____
Originalbeitrag für die Weltraumreporter