Raumfahrt in der Schusslinie

Der Krieg gegen die Ukraine entfremdet Russland und den Westen auch im Weltall. Binnen weniger Tage wurden etliche Missionen abgesagt oder verschoben. Selbst die Zukunft der Internationalen Raumstation ist ungewiss.

vom Recherche-Kollektiv Die Weltraumreporter:
9 Minuten
Der Russe Juri Gagarin flog am 12. April 1961 als erster Mensch ins All. Alt: Eine Steinstatue vom Kopf Juri Gagarins mit Helm, davor ein paar abgelegte Blätter

Es erscheint als Randnotiz des Kriegs gegen die Ukraine: Am Mittwoch stiegen Arbeiter auf dem russischen Startplatz Baikonur an die Spitze einer fast startbereiten Sojus-Rakete, um die dort angebrachten Flaggen von Großbritannien, Japan und anderen Staaten zu überkleben. Der Chef der russischen Raumfahrtagentur Roskosmos, Dimitri Rogosin, verbreitete das Video auf Twitter.

Die Szene wirkt unbedeutend, verglichen mit der humanitären Katastrophe unter der ukrainischen Bevölkerung. Dennoch lohnt ein genauerer Blick auf das, was derzeit in der Raumfahrt als Folge des Ukraine-Krieges passiert. Die Raumfahrt steht nicht einfach für die umfassende Verflechtung einer globalisierten Welt, wie viele andere Branchen auch. Sie ist nicht irgendeine Industrie, denn sie war immer auch politisch. Im Orbit arbeiteten die alten Rivalen des Kalten Kriegs bisher eng zusammen. Sie handelten mit Triebwerken und anderen Raketenteilen, sie entwickelten gemeinsam Raketen – eine Technik, die zu allen Zeiten auch militärisch genutzt wurde. Im All waren Russland und die westlichen Staaten bislang enge Partner und arbeiten selbst jetzt friedlich auf der Internationalen Raumstation zusammen, dem größten zivilen Forschungsprojekt aller Zeiten.

Viele dieser Verflechtungen scheinen sich nun relativ schnell zu lösen. Wie ein Band, das Forschende, Unternehmen, Raumfahrtagenturen und Politiker in Ost und West über drei Jahrzehnte lang immer enger knüpften, das sie selbst in schwierigen Zeiten beieinander hielt und das sie jetzt binnen weniger Tage zerschnitten. Das zeigt sich auch beim anstehenden Raketenstart in Baikonur: In der Rakete befinden sich 36 Satelliten der britisch-indischen Konstellation OneWeb, an der etliche andere Länder beteiligt sind. Mittlerweile droht Dimitri Rogosin, den Start abzusagen und sogar die Satelliten einzubehalten, wenn Großbritannien nicht die militärische Nutzung des Netzwerks für schnelle Internetverbindung ausschließt. Diese Entwicklung beschleunigt sich derzeit: Manche Kernprojekte der Raumfahrt laufen noch relativ unbeschadet weiter, während andere bereits mit den ersten Explosionen in ukrainischen Städten zu Bruch gingen.

Ein Space Shuttle, angedockt an der Raumstation Mir im Erdorbit
Das Space Shuttle der USA besuchte 11 mal die Raumstation Mir. Die Zusammenarbeit stützte die russische Raumfahrt auch finanziell und sicherte ihr Fortbestehen.
Vier Raumfahrer sitzen gemeinsam am Tisch und betrachten Dosennahrung. Die US-Astronauten tragen braune Anzüge, die sowjetischen Kosmonauten sind kakifarben. Alle tragen identisch aussehende Hauben.
Die Raumfahrer des Apollo-Sojus-Projekts beim Training: US-Raumfahrer Thomas Stafford, Deke Slayton, und die Kosmonauten Aleksei Leonov und Valeri Kubasov
Drei leicht lächelnde Raumfahrer auf der Raumstation, über einer Hand von jedem schwebt eine Orange.
Die erste Crew der Internationalen Raumstation: Juri Gidsenko (Russland), William Shepherd (USA) und Sergei Krikaljow (Russland). Sie waren am 2. November 2000 gemeinsam mit einer russischen Sojus-Rakete in Kasachstan gestartet.
Zwei Männer überkleben eine US-Flagge.
Am 2. März 2022 überkleben Arbeiter auf dem Raketenstartplatz Baikonur die Flaggen mehrerer Nationen auf einer Sojus-Rakete. An Bord befinden sich kommerzielle Satelliten der OneWeb-Konstellation.
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