Wieso Palmöl schlecht für Krebs-Kranke ist und andere News aus der Epigenetik
Wie man mit CRISPR Alkohol-abhängige Ratten kuriert, warum schweres Asthma manchmal schon im Mutterleib entsteht und wieso Palmitinsäure Metastasen fördert: Drei neue Beispiele zeigen, wie die Wissenschaft der Epigenetik derzeit die Biomedizin verändert.
DieEpigenetikist eines der aufregendsten Forschungsgebiete unserer Zeit. Sie erforscht Strukturen, die an oder neben den Genen unserer Zellen sitzen und bestimmen, wie gut oder schlecht diese abgelesen werden können. Weil diese Strukturen indirekt auch auf Umwelteinflüsse reagieren und damit eine Art Gedächtnis der Zellen bilden, gelten sie als wichtigeSchnittstelle zwischen Lebensstil, Umwelt und Genetik. Hier sind drei aktuelle Beispiele, die unterstreichen, wie sehr die Biomedizin in Zukunft von den neuesten Erkenntnissen profitieren dürfte.
Sollten Krebspatient*innen kein Palmöl essen?
Schon länger ist bekannt, dass Nahrungsmittel mit einem hohen Gehalt an Fettsäuren zumindest bei bestimmten Krebsarten einen Einfluss darauf haben können, ob und wie stark sie metastasieren, wie aggressiv ein Tumor also seine Zellen im Körper streut. Auf die Entstehung von Krebs haben die Fettsäuren allerdings keinen Einfluss. Unklar war indes, auf welche Substanz die unterschiedliche Tendenz zur Metastasierung wirklich zutrifft und welche Mechanismen dem Effekt zugrunde liegen. Beides konnten spanisch-US-amerikanische Onkolog*innen im Team mit Epigenetiker*innen jetzt in einer Serie von Experimenten mit Haut- und Mundkrebs-Zellen ein Stück weit aufklären.
Gloria Pascual und Kolleg*innen setzten menschliche Krebszellen verschiedenen Fettsäuren aus und pflanzten sie dann in Mäuse ein. Es zeigte sich, dass nur solche Zellen stark metastasierten, die zuvor Palmitinsäure ausgesetzt waren. Diese Säure kommt besonders häufig in Palmöl vor. Linolensäure, häufig in Leinöl, und die in Olivenöl häufige Ölsäure hatten keine Auswirkung.
Ein weiteres Experiment ergab, dass Krebszellen von erkrankten Mäusen, die sehr viel Palmöl zu fressen bekamen, ungewöhnlich stark metastasierten. Spannend auch, dass dieser Effekt noch anhielt, nachdem die Tumore in Mäuse transplantiert worden waren, die niemals Palmöl gefressen hatten. Verantwortlich für dieses „Palmöl-Gedächtnis“ sind epigenetische Veränderungen von so genannten Schwann-Zellen, die mit dem Tumor verbunden sind und Einfluss auf die Streuung des Tumors haben.
Krebspatient*innen sollten Produkte mit einem hohen Anteil an Fettsäuren – vor allem mit viel Palmöl also eher meiden. Das gilt übrigens nicht nur für die Nahrung, sondern auch für Kosmetika. Auch diesen ist nicht selten Palmöl beigemengt.
Mit der CRISPR-Genschere Alkoholkrankheit heilen?
Die Genschere CRISPR/Cas9 wird längst nicht mehr nur genutzt, um den genetischen Code gezielt zu verändern. Auch das Epigenom lässt sich damit relativ einfach und zuverlässig editieren. Die Gene selbst bleiben dabei unverändert, nur ihre Regulation wandelt sich. John Bohnsack von der University of Illinois in Chicago, USA, nutzte jetzt mit Kolleg*innen diese Methode, um süchtige Ratten von ihrer Alkoholabhängigkeit zu kurieren.
Die Forscher*innen änderten die Epigenetik rings um einen so genannten Enhancer, der unter anderem die Wirkung des Gens Arc verstärkt. Der Enhancer wurde dadurch besser aktivierbar. Die Alkoholabhängigkeit sowie damit verbundene Ängste verschwanden. Stellten die Forschenden den Enhancer hingegen auf weniger gut aktivierbar, förderte das die Sucht und die Angst der Tiere sogar. Der epigenetische Eingriff erfolgte in einer Gehirnregion namens Amygdala. Die neuen Erkenntnisse dürften auch zum besseren Verständnis der Mechanismen beitragen, die bei Menschen, die als Teenager exzessiv Alkohol konsumierten, das Suchtrisiko erhöhen. Und möglicherweise lässt sich die Technik eines Tages sogar zur Alkoholismus-Therapie weiterentwickeln.
Schweres Asthma entsteht manchmal schon im Mutterleib
Hat die Mutter Asthma, steigt das Risiko der Kinder, das gleiche Leiden zu bekommen. Das hat aber nicht nur mit Genetik zu tun, sondern vermutlich auch mit Umwelteinflüssen aus der perinatalen Zeit im Mutterleib und im ersten Lebensjahr. Das belegt jetzt eindrucksvoll eine Studie von Genetiker*innen, Systembiolog*innen und Allergolog*innen aus den USA.
Die Forschenden verglichen die Epigenome von Schleimhautzellen aus den Atemwegen dreier verschiedener Gruppen: Erwachsene ohne Asthma, Erwachsene mit Asthma, deren Mutter kein Asthma hatte, und Erwachsene mit Asthma, deren Mutter während der Schwangerschaft an Asthma litt. Dabei fanden sich einige DNA-Methylierungen, die nur in der letzten Gruppe vorkamen. Als Bestätigung spürte das Team die gleichen Resultate auch in Proben von Kindern mit asthmatischen Müttern auf.
In einem nächsten Schritt, suchten die Forschenden mit einem systembiologischen Ansatz – also mit mathematischen Analysen komplexer Muster – nach verborgenen Zusammenhängen zwischen den epigenetischen Besonderheiten der Menschen mit asthmakranker Mutter und einem womöglich dadurch gesteigerten Asthmarisiko. Dabei zeigte sich, dass die Regulation von Genen betroffen ist, die in das Immunsystem eingreifen und bekanntermaßen das Risiko für Allergien wie Asthma erhöhen.
Es seien also sehr wahrscheinlich Einflüsse aus der Zeit im Mutterleib, die diese epigenetische Prägung verantworten und damit das Asthmarisiko im späteren Leben erhöhen, folgern die US-Amerikaner*innen. Weil das Asthma dieser Menschen also eine besondere „Geschichte“ hat, wundert es auch nicht, dass sich ihr Krankheitsbild von der Mehrheit eher gewöhnlicher Asthmatiker*innen unterscheidet.
Wurde die epigenetische Grundlage für die spätere Atemnot schon derart früh geprägt, führt das offenbar besonders oft zu einem schweren Typ von Asthma, der mit üblichen Therapien nicht zu behandeln ist. Anders als gewöhnliche Asthmatiker*innen würden Betroffene vielleicht sogar davon profitieren, wenn man ihr Immunsystem künstlich ankurbelt.
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