Komplexes Manöver: Wie die Jupitersonde Juice an Mond und Erde Schwung holt für ihre weite Reise

Ohne Schwerkraftumlenkung an Planeten kann kein Raumschiff das äußere Sonnensystem jenseits der Marsbahn erreichen. Die europäische Jupitersonde Juice fliegt nun erstmals eng am Mond – und einen Tag später dicht an der Erde – vorbei. Mit diesem Doppel-Swing-by am 19. und 20. August bringt sich die Sonde auf einen Kurs zur Venus. Dort, und noch zweimal an der Erde, holt sie sich weiteren Schwung. Was steckt hinter diesen komplizierten Kursmanövern?

vom Recherche-Kollektiv Die Weltraumreporter:
10 Minuten
Eine Fotomontage zeigt eine künstliche Ansicht von Erde und Mond aus dem All. Zwischen beiden Himmelskörpern befindet sich eine Raumsonde mit großen Sonnenzellen-Auslegern.

Gäbe es in der interplanetaren Raumfahrt eine olympische Disziplin für die eleganteste Flugbahn, wäre die Jupitersonde Juice eine heiße Anwärterin auf die Goldmedaille. Auch hinsichtlich der Treffgenauigkeit bräuchte diese europäische Planetenmission kaum Konkurrenz zu fürchten. Denn nach einer Gesamtstrecke von sechs Milliarden Kilometern soll das Fluggerät sein Ziel mit einer maximalen Abweichung von nur wenigen Kilometern erreichen. Jeder Sportschütze würde vor Neid erblassen angesichts einer solchen Präzision.

Doch noch ist Juice weit vom Ziel entfernt. Ihre Ausdauer und andere Qualitäten gilt es noch zu beweisen. Erst im Juli 2031 wird die Raumsonde der europäischen Weltraumorganisation ESA den Riesenplaneten Jupiter und seine Monde erreichen.

Am 14. April 2023 vom ESA-Startplatz in Französisch-Guayana ins All geschossen, hat Juice, der Jupiter Icy Moons Explorer, erst ein knappes Fünftel der Reise hinter sich. Und streng genommen ist die Sonde bisher kaum vorangekommen. Denn noch immer befindet sich Juice im inneren Sonnensystem und nimmt gewissermaßen Anlauf, um auf ihre nötige Reisegeschwindigkeit zu kommen. Dabei nutzt sie nacheinander den Mond, die Erde, die Venus und dann noch zweimal die Erde, um sich jedes Mal einen Energie-Kick abzuholen. Erst nach diesen komplizierten Manövern hat sie genügend Schwung, dass ihr weiter Sprung hinaus ins äußere Sonnensystem zum Jupiter gelingt. Dieser riesige Gasplanet mit seinen vier großen und zahlreichen kleineren Monden ist fünfmal so weit von der Sonne entfernt wie die Erde.

Eine Illustration zeigt die komplexe schleifenförmige Flugbahn einer Raumsonde durch das innere Planetensystem bis zum Jupiter. Eine Zeitleiste unten zeigt die wichtigsten Etappen der Reise.
Per Planetenschleuder zum Jupiter: Die Raumsonde Juice gewinnt durch Schwerkraftumlenkung am Mond sowie an Erde und Venus die nötige Geschwindigkeit, um bis zum Planeten Jupiter zu gelangen.

Weltpremiere: Der Doppel-Swing-by von Juice an Erde und Mond

In der inoffiziellen Meisterschaft der interplanetaren Schleudertechnik setzt Juice neue Maßstäbe. Als erste Sonde überhaupt wird sie sowohl am Mond als auch an der Erde vorbeifliegen und dabei einen Doppel-Swing-by ausführen. Ein Swing-by, auch Gravity Assist oder Schwerkraftumlenkung genannt, ist ein besonders enger Vorbeiflug einer Raumsonde an einem Himmelskörper. Geschickt ausgeführt, lässt sich dadurch nicht nur die Flugrichtung der Sonde ändern, sondern auch ihre Geschwindigkeit. Doch schauen wir uns zunächst die bisherige Flugbahn von Juice an und wie sie dem Erde-Mond-System sehr nahe kommen wird.

Eine Illustration zeigt links die gesamte schleifenförmige Flugbahn einer Raumsonde von der Erde zum Jupiter. Rechts ist im Detail die Ablenkung der Flugbahn dargestellt, die durch enge Vorbeiflüge an Mond und Erde erfolgt.
Doppel-Swing-by: Juice wird als erste Raumsonde überhaupt eng am Mond und an der Erde vorbeifliegen. Durch die Schwerkraft und Bahnbewegung der beiden Himmelskörper ändern sich Bahn und Geschwindigkeit der Raumsonde.
Eine Illustration zeigt links den Vorbeiflug einer Raumsonde an Mond und Erde. Rechts ist im Detail der Vorbeiflug am Mond dargestellt; wichtige Zeitpunkte sind markiert.
Während des Doppel-Swing-bys am 19. und 20. August 2024 fliegt die Jupitersonde Juice zunächst eng am Mond vorbei, bevor sie einen Tag später die Erde passiert und dort ein zweites Mal abgelenkt wird.
Eine Illustration zeigt links den Vorbeiflug der Raumsonde Juice an Mond und Erde. Rechts ist im Detail der Vorbeiflug an der Erde dargestellt; wichtige Zeitpunkte sind markiert.
Etwa 24 Stunden nach der Passage am Mond fliegt die Raumsonde Juice in geringem Abstand an der Erde vorbei, wobei sich ihre Richtung und Geschwindigkeit ändern.