Eine neue Studie behauptet: Das Gehirn ist Hardware, auf der Software läuft

Wenn das Ganze Qualitäten zeigt, das seinen Teilen fehlt, nennen Forscher das „Emergenz“. Doch der Begriff lässt sich kaum exakt fassen. Komplexitätsforscher behaupten nun, emergente Phänomene – etwa im Gehirn – ähnelten Software. Bleibt da noch Platz für den freien Willen?

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Künstlerische Darstellung eines Gehirn mit elektronischen Schaltkreisen. Laut einer neuen Studie lassen sich komplexe Systeme wie das Gehirn als Hardware beschreiben, auf denen Software ausgeführt wird.

Ein Mensch klettert über einen Zaun. Warum tut er das? Vielleicht will er sich im Pool auf der anderen Seite abkühlen. Oder er will seine Freunde beeindrucken. Es gibt viele Erklärungsmöglichkeiten. Aber kaum jemand würde behaupten, dass er klettert, weil die Atome in seinem Körper ihn durch ihre naturgesetzlichen Wechselwirkungen untereinander dazu zwingen.

Dennoch fragen sich Wissenschaftler, ob und wie sich das Verhalten komplexer Systeme wie des Wetters oder lebender Organismen aus den Eigenschaften und Regeln ihrer Bestandteile, der Atome und Moleküle, ableiten lässt. Schließlich besteht alles aus kleinsten Teilchen, die bestimmten Naturgesetzen folgen. Sogenannte Reduktionisten behaupten sogar, dass es so etwas wie einen freien Willen gar nicht geben kann, weil sich alle Ursachen letztlich aus den Wechselwirkungen zwischen Elementarteilchen ergeben.

Mehr als die Summe der Teile

Eine neue Arbeit um den Komplexitätsforscher Fernando Rosas von der University of Sussex widerspricht nun mathematisch exakt dem reduktionistischen Bild. Das Forscherteam vergleicht komplexe Systeme mit Computern, auf denen eine Software läuft. Die übergeordnete Ebene ist demnach die Software, die nach eigenen Regeln funktioniert. Die einzelnen Teile bilden die Hardware, deren Details unwichtig ist. Unter dem Titel „Software in der natürlichen Welt“ beschreibt das Team um Rosas seine neue Methode auf dem Preprint-Server Arxiv. Die Arbeit ist noch nicht von Fachkollegen begutachtet worden, hat aber schon viel Aufmerksamkeit bekommen, zum Beispiel von der Youtuberin und Physikerin Sabine Hossenfelder.