Händigkeit: Warum Tiere Vorlieben für die rechte oder die linke Körperseite haben

Händigkeit oder Verhaltensasymmetrie: Die Vorliebe, bestimmte Handlungen jeweils mit einer Körperhälfte vorzunehmen, ist unter Tieren weit verbreitet. Sie entlastet das Hirn, macht satt und rettet das eigene Leben.

vom Recherche-Kollektiv Tierreporter:
8 Minuten
braungelbes Baumkänguru sitzt auf einem Ast und greift mit einer Pfote nach einem grünen Farnwedel.

Stellen wir uns vor, wir tauchen an der Nordostküste Grönlands und beobachten ein Walross. Der Bulle kommt seit Jahren jeden Sommer hierher. Er will Muscheln fressen. Nur ein paar Meter unter der Wasseroberfläche ist der Boden voll mit Felsenbohrer- und Klaffmuscheln, seiner Hauptnahrung. Meistens schwebt der massige Walrossbulle leicht schräg in der Strömung über dem Grund; die gewaltigen Stoßzähne berühren wie Schlittenkufen den Sand. Manchmal stützt er sich auch auf eine Schulter ab. Hauptsache, er kommt mit der Schnauze nah an den Boden, in den sich die Muscheln eingegraben haben. Nur ihre Siphos ragen heraus, die Rohre, mit denen die Tiere frisches Wasser ansaugen. So einen Sipho muss das Walross mit der Schnauze zu packen bekommen: Dann kann es das Fleisch heraussaugen. Aber dazu müssen erst einmal Sand und Schlamm vom Boden beiseitegewirbelt werden. Das macht der Bulle mit seiner Vorderflosse – mit der rechten, immer. Nahezu alle machen das so.

Ein Walross rollt sich auf dem Strand.
Wenn das Walross unter Wasser jagen müsste, ginge es die Futtersuche immer mit der gleichen Seite an.

Walrosse sind Rechtsflosser. Das schließen eine dänische Zoologin und ihr Taucher- und Forscherteam aus Videobeobachtungen und anatomischen Untersuchungen. Händigkeit oder Lateralität nennen Wissenschaftlerïnnen es, wenn eine Fähigkeit auf den verschiedenen Körperhälften unterschiedlich ausgeprägt ist. Auch die meisten Menschen können mit der einen Hand sehr viel virtuoser arbeiten als mit der anderen.

Diese Vorliebe für eine Seite fällt bei einigen Tieren aber viel eher ins Auge als bei anderen. „Das sind fast immer Lebewesen, die auch mit ihren Extremitäten etwas Besonderes tun müssen“, erklärt Onur Güntürkün, Professor für Bio-Psychologie an der Ruhr-Universität Bochum: „Also wenn die Tiere nur einfach auf ihren Beinen stehen, dann gibt es nicht so etwas wie eine Füßigkeit.“

Küken kurz vor dem Schlüpfen blickt aus dem Ei.
Wenn ein Küken sich aus dem Ei windet, steht seine Vorliebe schon fest, bestimmte Aufgaben mit einer Körperhälfte zu erledigen.
Im blauen Meer jagen Fächerfische mit speerartigem Maul einen Schwarm Fische, der sich zu einer Kugel geformt hat.
Fächerfische benutzen ihre speerförmigen Mäuler bei der Jagd wie Knüppel.
Mehrere versteinerte Trilobiten; sie ähneln im Aussehen Kellerasseln.
Trilobiten gibt es heute nur noch als Fossilien aus prähistorischer Zeit.
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