Ohne Ohrstöpsel ist das Leben der Horror: Wie Misophonie-Betroffene unter Alltagsgeräuschen leiden

Kauen, schmatzen, rascheln: Die meisten Menschen nehmen so etwas kaum wahr. Wer unter Misophonie leidet, empfindet bestimmte Geräusche hingegen als Folter.

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Eine Frau steckt sich Finger in die Ohren und schreit

Irgendwann, in der fünften oder sechsten Klasse, fing es an. „Ich konnte plötzlich nicht mehr mit meinem Bruder in einem Zimmer schlafen“, erinnert sich Lina Meier (Name geändert). „Seine Schlafgeräusche haben mich so gestört, dass ich die ganze Nacht wach lag.“

Bei Schullagern war es noch schlimmer. „Ich hatte immer Angst vor dem Abend“, erzählt die 19-Jährige, die in der Nähe von Basel lebt. „Mit anderen in einem Raum zu sein und sie atmen zu hören, hat mich extrem gestresst. Irgendwann habe ich überall Ohrstöpsel mit hingenommen.“

Lange Zeit wusste Lina nicht, worunter sie leidet. War es eine Phobie? Eine Zwangsstörung? Eine Überempfindlichkeit – aber gegen was?

Wut auf den schmatzenden Bruder

„Ich fühlte mich so alleine, weil mich niemand verstehen konnte“, erzählt die junge Frau. So auch beim alltäglichen Abendessen. „Das Schmatzen meines Bruders hat große Wut in mir ausgelöst. Meine Mutter hat ihn natürlich in Schutz genommen, weil er in ihren Augen nichts falsch macht. Das hat das Familienleben richtig belastet.“

Eine Kinder- und Jugendpsychologin stellte schließlich die Diagnose: Misophonie.