Physikerin Loredana Gastaldo: „Ich wusste sofort, das ist das Experiment meines Lebens“

Die Masse des leichtesten Elementarteilchens zu messen, könnte schwieriger sein als bislang angenommen. Möglicherweise ist das Neutrino sogar zu leicht für die derzeit präziseste Neutrinowaage der Welt in Karlsruhe. Doch findige Physiker arbeiten schon an einfallsreichen Alternativen.

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Spektrometer des Experimentes „Karlsruhe Tritium Neutrino Experiment“ (Katrin), das die winzige Masse des Neutrinos messen soll.

Loredana Gastaldo hat ihr Forscherleben dem leichtesten Ding des Universums gewidmet. Eigentlich wollte sie 1999 ihre Diplomarbeit am europäischen Kernforschungszentrum Cern in der Schweiz beginnen. Doch einer ihrer Professoren in Genua begeisterte sie für ein damals exotisches Projekt: die Messung der Masse des Neutrinos. „Ich wusste sofort: Das ist das Experiment meines Lebens“, sagt die Physikerin.

Heute interessieren sich viele Physiker für die Masse des Neutrinos. Da das Neutrino etwa eine Million Mal leichter ist als das nächstschwerere Elementarteilchen, das Elektron, vermuten sie, dass seine Masse durch einen noch unbekannten Mechanismus entsteht. Dieses exotische Teilchen könnte also dabei helfen, die Grenzen der bekannten Physik zu erweitern. Das halten viele Physiker für nötig, um große Rätsel des Fachs zu lösen. Zum Beispiel, woraus die sogenannte Dunkle Materie besteht, die etwa ein Viertel der Masse des Universums ausmacht.

„Das Neutrino ist ein kosmischer Architekt“

Die Methode, mit der Gastaldo an der Universität Heidelberg versucht, das Neutrino zu wiegen, hielten Experten lange für aussichtslos. Die Fachwelt blickte allein auf das Projekt Katrin („Karlsruhe Tritium Neutrino Experiment“), eine hausgroße Neutrinowaage am Forschungszentrum Karlsruhe, das bislang präziseste Gerät dieser Art. Doch seit Kosmologen im Jahr 2020 die Masse des Neutrinos besonders niedrig einschätzten, bekommen alternative Messmethoden mehr Aufmerksamkeit. Denn das Elementarteilchen könnte zu leicht sein für Katrin.

„Das Neutrino ist ein kosmischer Architekt“, sagt Kathrin Valerius vom Karlsruher Institut für Technologie, die Katrin maßgeblich mitentwickelt hat. Was dem Elementarteilchen an Masse fehlt, macht es durch seine schiere Zahl wett: „Neutrinos sind die häufigsten Teilchen im Universum“, sagt Valerius. Hundert Billionen durchqueren den menschlichen Körper pro Sekunde. Man spürt sie nicht, weil die Elementarteilchen kaum mit anderen wechselwirken. Erst im kosmischen Maßstab machen sie sich bemerkbar. Galaxien ballen sich im All zu gigantischen, netzartigen Strukturen zusammen. Neutrinos bewirken durch ihre Gravitation, dass die Stege dieser Netze sich verbreitern.

Der Spektrometer des „Karlsruher Tritium Neutrino Experiment“ (Katrin) beim Transport durch Leopoldshafen. Das Gerät passt gerade so durch die Straßen des Ortes.
Der Spektrometer des „Karlsruher Tritium Neutrino Experiment“ beim Transport durch Leopoldshafen.