Therapie mit Bakteriophagen: Der Angriff der Bakterienfresser

Bakterien, gegen die kein Antibiotikum mehr hilft, sind eine der größten medizinischen Bedrohungen unserer Zeit. Im Kampf dagegen entdeckt die Forschung jetzt eine hundert Jahre alte Methode wieder, die fast zu gut klingt, um wahr zu sein.

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Die Illustration zeigt mehrere Bakterien, dargestellt als ovale blaue Gebilde. Mehrere Phagen – dargestellt in grün als Gebilde aus einem Kopf, einer Art Wirbelsäule und sechs Beinen – steuern Kopf voran auf das Bakterium im Vordergrund zu oder sitzen auf seiner Oberfläche.

Sie sehen aus wie Mondsonden mit extralangen Beinen. Sie tummeln sich in Tümpeln, Pfützen, Abwasserkanälen und Kläranlagen. Um sie zu bekommen, pilgern Menschen aus der ganzen Welt in ein schweinchenrosa gestrichenes Gebäude ein paar Kilometer außerhalb des Stadtzentrums der georgischen Hauptstadt Tiflis. Und wer das erste Mal von ihnen hört, denkt leicht mal: Schon wieder so ein angebliches Wundermittel, mit dem kranken Menschen das Geld aus der Tasche gezogen wird.

Aber dass Bakteriophagen – kurz: Phagen – Teil der Lösung für ein gewaltiges globales Problem sein könnten, sagen nicht dubiose Heiler*innen, sondern seriöse Forscher*innen und Institutionen wie die Weltgesundheitsorganisation WHO und die Europäische Arzneimittelbehörde EMA. Das Problem heißt Antibiotikaresistenz und ist laut WHO eine der zehn größten Gefahren für die globale öffentliche Gesundheit.

33.000 Todesfälle pro Jahr allein in Europa

Antibiotika waren selbst mal ein echtes Wundermittel. Sie können viele Bakterien abtöten – aber oft mutiert ein Teil der Bakterien so, dass er unempfindlich gegen das Antibiotikum wird, und vermehrt sich dann umso munterer weiter. Weil Antibiotika in Medizin und Tierhaltung viel zu leichtfertig eingesetzt werden, infizieren sich mittlerweile allein in Europa rund 670.000 Menschen pro Jahr mit antibiotikaresistenten Bakterien, 33.000 sterben daran. Der Großteil steckt sich in Krankenhäusern an.

Wirken Antibiotika irgendwann gar nicht mehr, droht uns im Extremfall eine Rückkehr in ein Zeitalter, in dem auch in Europa Menschen massenhaft an Tuberkulose oder an heute völlig harmlosen Wunden starben, warnen WHO und EMA. Ironischerweise könnte auch die Antwort darauf mit einer Art Zeitreise zu tun haben: zurück in die Zukunft, zurück zu den Phagen. Wenn da nicht die Probleme der Gegenwart wären.

Eine ältere Frau mit kurzen grauweißen Locken, randloser, Brille, Perlenkette und einem ärmellosen blauen Shirt mit weißen Punkten steht in einem Garten und lehnt sich mit der Hand leicht an einen Baumstamm.
Dank der Phagen, sagt Eva Maria Maicovski, gehe es ihr heute viel besser als noch vor ein paar Jahren.
Eine ältere Frau mit kurzen grau-weißen Locken, Brille und Perlenkette sitzt auf einer gepolsterten Bank in einem Garten. Auf dem Holztisch vor ihr liegt ein aufgeschlagenes Buch. Darin sind je zwei Fotos von ihr und einem Mann erkennbar.
Ihre Zeit in Tiflis haben die Maicovskis in einem Fotobuch festgehalten – auch den Tag, an dem Eva Maria Maicovski erstmals Phagen bekam.
Ein Mann in Jeans und Kurzarm-Hemd steht zwischen Schilf und Büschen. Er hat eine lange Stange in der Hand. Vorne an der Stange ist ein großer Plastikbecher  befestigt, in dem ein bisschen Wasser zu sehen ist.
Mit einem Plastikbecher schöpft der Forscher Johannes Wittmann Wasser aus einem Tümpel am Gelände des Science Campus Braunschweig. Im Labor kann er daraus später Phagen gewinnen.
Eine ältere Frau mit kurzen weiß-grauen Locken, Brille und Perlenkette sitzt an einem Schreibtisch. Sie hält einen dünnen Stapel A4-Papiere in der Hand und blickt auf eines davon. Im Hintergrund sind ein Computerbildschirm und eine Tastatus sowie ein Fenster mit fast geschlossenen Fensterläden zu sehen.
Atteste, Formulare, Bestätigungen, Briefe aus Georgien: Im Arbeitszimmer ihres Hauses zeigt Eva Maria Maicovski einige der Unterlagen, die sie für ihre Phagentherapie benötigte.
Eine Hand in einem weißen Gummihandschuh hält eine Petrischale in die Höhe. In dem weißlichen Inhalt sind viele kleine Punkte erkennbar. weißlichen Inhalt
Wo Phagen die Bakterien aufgelöst haben, bilden sich Löcher im sogenannten Bakterienrasen – in der Petrischale als kleine Punkte erkennbar.
Auf einer weiß gestrichenen Backsteinwand sind in grau und schwarz stilisiert verschiedene Mikroorganismen aufgemalt, unter anderem eine Phage. Darunter ist ein Treppengelände zu sehen.
In einem Treppenhaus der Deutschen Sammlung von Mikroorganismen und Zellkulturen in Braunschweig sind die Objekte der dortigen Forschung zu sehen. Dritte von links: Ein Phage.
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