Spannendes aus dem Mikrokosmos: Wie die seltsamen Phänomene der Quantenwelt unser Denken verändern

Die Quantenphysik überforderte selbst Albert Einstein. Ihre oft bizarren Effekte gelten als auf den Mikrokosmos beschränkt. Doch das stimmt so nicht. Neue Forschungsergebnisse regen an, den Blick auch auf die makroskopische Wirklichkeit – sogar im Alltag – zu schärfen. Denn vielleicht gibt es nicht nur eine Realität.

15 Minuten
Albert Einstein war ein Geburtshelfer der Quantenphysik, aber auch einer ihrer größten Kritiker.

Vielleicht hätte Albert Einstein besser Schuster oder Croupier werden sollen. Denn dann wäre ihm der ganze Ärger über die Quantenphysik erspart geblieben, also die Erkenntnis, dass in der Quantenwelt das Zufallsprinzip herrscht. Denn dass „Gott würfeln“ soll, entfremdete den großen Physiker vor etwa 100 Jahren von seinem Fach. Einstein würde heute zu den 31 Prozent der Deutschen gehören, die laut Pew Research Institute ans Schicksal glauben. Alle anderen können sich auf die Quantenphysik berufen, wie diese Geschichte zeigen wird.

Das Alltagsdenken könnten noch mehr von der Quantenphysik lernen. Dieses Fach stellt vieles infrage, was uns selbstverständlich erscheint, etwa, Probleme durch Zerlegen in Einzelteile zu lösen. Es hinterfragt auch naive Vorstellungen von der Wirklichkeit, etwa den „Realismus“. Dieser besagt, wissenschaftliche Theorien beschreiben die Welt, wie sie wirklich ist. Realität sei etwas Gegebenes, unabhängig vom menschlichen Geist, das sich durch Wissenschaft aufdecken lässt. Forscher wären demnach wie Kommissare, die durch Beobachten und Prüfen von Hypothesen einen objektiven Tathergang rekonstruieren.

Wankt das Fundament unserer modernen Welt?

Was aber, wenn dieser Tathergang nie stattgefunden hat? In der Quantenphysik gibt es keine zu enthüllende Realität – sie entsteht erst durch Beobachten. Das muss Steuerberater, Bäcker oder Virologen nicht kümmern, denn unsere makroskopische Welt ist das Ergebnis solcher „Beobachtungen“ und in diesem Sinne real. Doch auch dahinter setzen Quantenphysiker ein vorsichtiges Fragezeichen. Neuere Experimente legen nahe, dass Messergebnisse nicht für alle Beobachter eindeutig sein müssen. Forscher wie Eric Cavalcanti von der Griffith University im australischen Brisbane bezweifeln die „Absolutheit beobachteter Ereignisse“. Es ist, als würden fünf Zeugen einen Tathergang in fünf Varianten beschreiben – und alle treffen zu. Das wäre in der Naturwissenschaft ein No-Go. Sie lebt davon, dass sich Wissenschaftler auf eine Version einigen. Heißt das jetzt, dass die Basis des modernen Lebens, die Wissenschaft, wankt?

Zeit für eine Bestandsaufnahme: Welche scheinbar sicheren Konzepte bringt die Quantenphysik ins Wanken? Wie kann sie uns zu schärferem Denken über die Realität verhelfen? Und warum ist es doch gut, dass Einstein Physiker wurde?

Illustration des physikalischen Phänomens der Interferenz: Trifft eine Welle auf zwei parallele, senkrechte Spalte (Doppelspalt), entsteht dahinter ein Überlagerungsmuster in Form von senkrechten Streifen.
Illustration des physikalischen Phänomens der Interferenz: Trifft eine Welle auf zwei parallele, senkrechte Spalte (Doppelspalt), entsteht dahinter ein Überlagerungsmuster in Form von senkrechten Streifen.
Sie haben Feedback? Schreiben Sie uns an info@riffreporter.de!