Raumstation mit Astronauten-Duo fotografiert
Ein außergewöhnlicher „Schnappschuss“ zeigt ISS-Astronauten beim Außenbordeinsatz – Interview mit dem Fotografen
Die Internationale Raumstation ISS kreist in einer Höhe von rund 400 Kilometern um die Erde. Für eine Umrundung braucht sie nur etwa 90 Minuten. Dabei zieht sie häufig über Europa hinweg. Geschieht dies am Abend oder am Morgen, lässt sie sich als heller Lichtpunkt beobachten, der innerhalb von wenigen Minuten von West nach Ost über den Himmel zieht.
Schon mit bloßen Augen sind diese Überflüge sichtbar. Und für viele ist es eine erhebende Vorstellung, wenn sie sich bewusst machen, dass dort oben Menschen leben und arbeiten, während sie mit rasanter Geschwindigkeit unseren Planeten umrunden.
Es ist sogar möglich, den Astronauten bei ihrer Arbeit zuzuschauen. Nicht nur mittels Bildübertragung von der ISS, sondern direkt von der Erde aus. Einige Beobachter reizt es, diesen künstlichen Trabanten unserer Erde mit hoher Auflösung zu fotografieren und möglichst viele Details an der rund 100 Meter langen und 50 Meter breiten Station zu erkennen.
Einer dieser „Space Station Spotter“ ist Sebastian Voltmer. Dem Astrofotografen gelang am 23. März 2022 eine ganz besondere Aufnahme der ISS – zu einem Zeitpunkt, als der deutsche ESA-Astronaut Matthias Maurer und sein NASA-Kollege Raja Chari gerade einen Außenbordeinsatz durchführten. Im Interview erläutert Voltmer die Geschichte hinter dem Bild:
Herr Voltmer, Ihre Aufnahme der ISS hat in den sozialen Medien und auf Astronomie-Webseiten eine große Beachtung gefunden. Was zeigt diese Aufnahme genau?
Das Bild zeigt die ISS mit zahlreichen Details, die ich während des Außenbordeinsatzes von Matthias Maurer und Raja Chari über der saarländischen Heimat von Matthias aufnehmen konnte. Zunächst sind alle wichtigen Elemente der Raumstation zu erkennen: Etwa die vier großen Solarmodule, die paarweise an den Enden des zentralen Gerüsts der ISS angebracht sind. Dann die dreireihigen Radiatoren, deren helle Oberflächen im Sonnenlicht glänzen und die Station vor Überhitzung schützen. Auch die verschiedenen Wohn- und Arbeitsmodule und die angekoppelten Raumschiffe lassen sich identifizieren. Das besondere Schmankerl aber ist, dass auch die beiden Raumfahrer in ihren weißen Schutzanzügen als helle Lichtpunkte zu erkennen sind. Matthias und sein US-Kollege Raja Chari waren gerade dabei, außen an der ISS eine Kamera auszutauschen und neue Kabel zu verlegen.
Wussten Sie zum Zeitpunkt der Aufnahme, dass die beiden Raumfahrer gerade einen Außenbordeinsatz absolvieren?
Ja, der Weltraumausstieg war im Vorfeld angekündigt. Bereits eine Woche vor dem geplanten Termin bereitete ich mich und mein Teleskop auf die Aufnahme vor. Ich wusste, dass die ISS zum fraglichen Zeitpunkt über Europa ziehen und vom Saarland aus sichtbar sein würde. Die entsprechenden Überflugzeiten für einen bestimmten Standort lassen sich aus verschiedenen Quellen im Internet abfragen.
Eine Kamera mit gewöhnlichem Teleobjektiv reicht für eine solche Aufnahme sicherlich nicht aus. Welches Instrument haben Sie benutzt?
Ich benutzte ein handelsübliches Amateurteleskop, wie ich es auch für die Sternenbeobachtung und die Fotografie von Himmelsobjekten einsetze. Dieses Gerät ist gewissermaßen ein besonders großes Teleobjektiv. Die Herausforderung ist, dieses Teleskop der schnellen Bewegung der ISS am Himmel nachzuführen. Dafür verwende ich eine Montierung, die in der Lage ist, Satelliten zu verfolgen. Ohne diese Nachführung würde die ISS in einem Bruchteil einer Sekunde durch das Bildfeld huschen. Und ich nutze eine digitale Kamera, die mit kurzen Belichtungszeiten eine Vielzahl von Aufnahmen erstellt. Wegen der unvermeidlichen Turbulenz der Luft sind viele Aufnahmen unbrauchbar. Man muss also die besten Einzelbilder auswählen und mittels einer speziellen Software überlagern, um schließlich das scharfe Endergebnis zu bekommen.
Und wie genau haben Sie sich auf die Aufnahme vorbereitet?
Zwei Tage vor dem Überflug fütterte ich die Steuerung meiner Montierung mit den aktualisierten Bahndaten der ISS. Ich machte etwa vier Probedurchläufe an Tagen zuvor, wovon jedoch nur einer richtig gelang. Von daher bezweifelte ich, dass es am entscheidenden Abend, wie gewünscht, gelingen würde. Während des Weltraumausstiegs der beiden Astronauten verfolgte ich den Livestream der NASA. Ich war total happy, als das Kontrollzentrum in Houston wenige Minuten vor dem Überflug Matthias darauf hinwies, dass er seine Heimat überfliegen wird. Als die ISS das Saarland passierte, hatte Matthias gerade die Sonne im Rücken – er befand sich in der richtigen Sichtachse. Auch sein amerikanischer Kollege Raja Chari am Roboterarm Canadarm2 lag für eine knappe Minute in freier Sicht.
Hatten Sie im Vorfeld Kontakt zur NASA oder zur ESA? Oder war es Zufall, dass Sie den richtigen Moment erwischt haben?
Matthias Maurer stammt ja aus der Nachbargemeinde. Bereits während seines Trainings als ESA-Astronaut für die ISS-Mission „Cosmic Kiss“ hat er unser Weltraum-Atelier besucht, das Veranstaltungen zu den Themen Astronomie und Raumfahrt anbietet. Dabei sagte ich scherzhaft: „Falls Matthias Maurer seine Heimat im richtigen Moment überfliegt, nehme ich unseren Mann im All – den ersten Maurer von der Saar – von hier aus durch das Teleskop auf.“ Das war eher illusorisch und nicht ganz ernst gemeint. Lag es ja noch gefühlt weit in der Zukunft.
Als es dann aber konkret wurde, Matthias auf der ISS war und sein 52. Geburtstag anstand, sandte ich ihm als Geschenk ein aktuelles 3-D-Stereopaar der ISS, das ich unter nahezu perfekten Sichtbedingungen wenige Tage zuvor aufnehmen konnte. Ich ließ Geburtstagswünsche ausrichten mit einem Hinweis auf das versprochene Vorhaben. NASA-Mitarbeiter informierten ihn über meine Aktion. Da der Weltraumausstieg mit den unterschiedlichsten Arbeiten an der ISS sehr getaktet verlief, war es im Grunde tatsächlich ein Zufall, dass sich Matthias beim schwebenden „Klettern“ im richtigen Zeitpunkt in der Sichtachse zu seiner Heimat befand.
Sie haben also eine besondere Verbindung zu Matthias Maurer und seiner ISS-Mission?
Ja, es gibt eine Reihe von schönen Verbindungen: Matthias ist auch Schirmherr unseres Umweltprojekts „Gesundes Licht für Natur und Mensch“. Hierbei rüsten wir derzeit in Zusammenarbeit mit dem Stromversorgungsunternehmen, den Gemeinden und der Tourist-Info im Sankt Wendeler Land die Straßenlaternen so um, dass ihr Licht effizient und umweltverträglich eingesetzt wird und die Menschen auch wieder die Milchstraße sehen können. Matthias Maurer macht selbst in den sozialen Medien auf die zunehmende Lichtverschmutzung aufmerksam und warnt ebenso vor Satelliten-Megakonstellationen. Seine Liebe zur Erde und zu den Sternen kommt in dem Logo seiner Mission „Cosmic Kiss“ zum Ausdruck. Dieses ist an die Himmelsscheibe von Nebra angelehnt und bildet das Siebengestirn der Plejaden ab. Matthias fotografierte kürzlich ein in der Cupola der ISS schwebendes Plejaden-Foto, das am Weltraum-Atelier von unserem Mitarbeiter Christoph Pütz aufgenommen und dann von Matthias zurück zur Erde geschickt wurde. Lustig, wie sich die Kreise schließen. Im Dezember hatten wir gemeinsam mit dem Deutschen Museum, der Stiftung „KinderHerz“, dem Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier, dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt DLR und der Europäischen Raumfahrtorganisation ESA eine Liveschalte zur ISS. Das war absolut spannend und bewegend für alle Beteiligten.