Wie eine Wissenschaftlerin zum Ziel russischer Propaganda wird

Krieg wird immer von Propaganda begleitet. Das trifft auch die Wissenschaft. Russland behauptet, eine deutsche Forscherin sei an der Herstellung von Biowaffen beteiligt. Eine Erklärung, was hinter dem Vorwurf steckt und wie damit wichtige Forschung verunglimpft wird.

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Der russische Diplomat Vassily Nebenzia zeigt bei einer Sitzung des UN-Sicherheitsrats Dokumente, die beweisen wollen, dass die Ukraine Biowaffen entwickelt.

Am Nachmittag des 10. März öffnet Cornelia Silaghi eine E-Mail und staunt. Der anonyme Absender beschimpft die Tierärztin des Friedrich-Loeffler-Instituts. Sie sei eine skrupellose Wissenschaftlerin. Er vergleicht ihre Forschung mit den Aktivitäten der Nazis im Dritten Reich. Der Vorwurf in der englischsprachigen Nachricht ist ungeheuerlich. Silaghi sei an einem Geheimprojekt beteiligt, mit dem die Ukraine Biowaffen zur Bedrohung Russlands entwickeln wolle. Einen Moment lang mag sie die E-Mail für einen schlechten Scherz gehalten haben. Doch dann trifft die nächste Nachricht mit dem gleichen Vorwurf ein. Diesmal aus Rumänien. Die Leiterin des Instituts für Infektionsmedizin wird vorsichtig. Den Anhang der rumänischen E-Mail öffnet Cornelia Silaghi aus Sicherheitsgründen nicht.

Ebenfalls am 10. März beschuldigen russische Medien das Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin (BNITM) Biowaffen herzustellen. Deutschland finanziere das Projekt Nr. 68727 EN zur Erforschung der Erreger des hämorrhagischen Krim-Kongo-Fiebers und der Hantaviren, berichtet die regimetreue „Prawda“ auf ihrer englischen Webseite. Dafür seien „Hunderte von Blutserumproben von Bewohnern verschiedener Regionen der Ukraine“ an das Institut für Tropenmedizin in Hamburg übermittelt worden. Das russische Verteidigungsministerium habe von den Beschäftigten biologischer Labore in der Ukraine Unterlagen erhalten, in denen die geheimen Aktivitäten zur Herstellung von Biowaffen auf ukrainischen Boden dokumentiert werden.

Dieser 10. März ist der 15. Tag des russischen Angriffskriegs in der Ukraine.

Die russische Propaganda läuft seit Wochen, diesmal richtet sie sich gegen die Wissenschaft. In seiner täglichen Pressekonferenz erhebt der Sprecher des russischen Verteidigungsministeriums den Vorwurf, es werde geheim in der Ukraine an Biowaffen geforscht. Seine vermeintlichen Beweise sind im Fernsehen zu sehen. Er zeigt die erste Seite eines „Transfer Agreement“ vom 11. September 2020 zwischen dem „National scientific center institute of experimental and clinical veterinary medicine“ in Charkiw und dem Friedrich-Loeffler-Institut (FLI). Cornelia Silaghi wird als Empfängerin einer Lieferung von Fledermaus-Parasiten genannt. Ihre E-Mail-Adresse ist gut lesbar. So wird die Forscherin zur Zielscheibe der Proteste.

Im englisch-sprachigen Dokument ist in fetter Schrift hervorgehoben, worum es genau geht. Um den Transport von 143 Exemplaren von blutsaugenden Parasiten, die im Fell oder auf der Haut von Fledermäusen leben. Gelagert werden die Ektoparasiten in 0,2 Milliliter Gefäßen, eingelegt in 70-prozentigem Ethanol. Genauer gesagt sind es 100 Flöhe und 43 Lederzecken. Sie wurden in Charkiw in der Ukraine von unterschiedlichen Fledermausarten gesammelt. Sie sollen am FLI untersucht werden.

Die Herkunft des Dokuments, das die Russen als Beweis vorlegen, ist nicht bekannt. Es entspricht nicht dem Original. Es ist eine Arbeitsversion, vermutlich aus dem E-Mail-Verkehr zwischen den Wissenschaftlern. Das Original mit den handschriftlichen Unterschriften der Institutsleiter trägt ein anderes Datum als der gezeigte Screenshot.

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Charkiw am 14. März, die russischen Angriff haben einen Teil der Innenstadt zerstört.
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Bestimmte Zecken haben sich speziell an Fledermäuse angepasst, wie diese Ixodes verspertiliones, die Schildzecke der Fledermaus. Die Untersuchungen erfolgten aber an einer anderen Art, an Lederzecken der Fledermaus. Sie leben im Fell oder auf der Haut von Fledermäusen und saugen deren Blut. Lederzecken haben keinen Schild, der für andere Zeckenarten typisch ist. Sie können Krankheitserreger übertragen.
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So sammeln WissenschaftlerInnen Zecken: Geschützt mit Stiefel und spezieller Hose laufen sie durch Zeckengebiete und ziehen ein weißes Baumwolltuch mit. Die Zecken, die an den Gräsern auf ihre Wirte warten, krallen sich am Tuch fest und sind leicht zu erkennen.
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