Unterwassermusik: Wie und warum Fische miteinander „reden“, singen und summen

Von wegen stumm: Fische kommunizieren mit einem überaus vielfältigen Repertoire an Geräuschen. Manchmal hört man ihr Knarren, Pfeifen, Quietschen und Trommeln sogar an Land. Forschende verändern die Klangwelt unter Wasser jetzt gezielt, um Korallenriffe zu schützen.

vom Recherche-Kollektiv Tierreporter:
10 Minuten
Ein Schwarm bunter Fische

Anfang der 1980 er-Jahre finden an zwei weit auseinanderliegenden Küstenstreifen kuriose Vorkommnisse statt. In beiden Fällen geht es um unbekannte Klänge aus dem Meer. Zunächst in der Bucht von San Francisco, Kalifornien. Dort reißt ein geheimnisvolles Brummen Nacht für Nacht die Hausbootbesitzer aus dem Schlaf. Es klingt wie ein Motorboot, das stundenlang nicht vom Fleck kommt. Gerade so, als habe sein Besitzer es am Steg festgemacht und die Maschine laufen lassen.

Doch die Ursache des Geräuschs lässt sich nicht ermitteln. Bald wird die Regierung verdächtigt, geheime Unterwassertests zu betreiben. Auch verborgene Radaranlagen sollen für die Ruhestörung verantwortlich sein. Manch einer glaubt gar an Außerirdische. Bloß an ein irdisches Lebewesen denkt niemand, zu sehr klingt das Brummen nach einer Maschine.

Etwa zur gleichen Zeit ist in Europa die schwedische Marine in Aufruhr. Immer wieder tauchen vor der Ostküste des Landes sowjetische U-Boote auf, zumindest vermuten das die Militärs. Denn ein Sonar fängt Geräusche auf – wie von feindlichen Unterwasserschiffen, die in schwedische Hoheitsgewässer vordringen. Und zwar in solcher Häufigkeit, dass den Marineoffizieren diese Töne bald ganz vertraut sind. Doch kein einziges U-Boot wird jemals gesichtet, trotz der zahlreichen akustischen Signale. Es ist, als operiere der Feind unter einer Tarnkappe.

Vermeintliche U-Boote entpuppen sich als Heringe

Erst zwei Meeresbiologen finden schließlich des Rätsels Lösung: Die vermeintlichen Sowjetschiffe entpuppen sich als Schwärme von Heringen. Und die pflegen eine bis dahin unbekannte Art der Kommunikation: Sie lassen Luft aus ihrer Schwimmblase durch den Anus entweichen, was ein knatterndes Geräusch erzeugt. Statt U-Boot-Lauten hatte das Sonar also die Flatulenzen von Heringen aufgefangen. Für das Militär war die Sache derart peinlich, dass die beiden Meeresbiologen ihre Erkenntnisse lange Zeit geheim halten mussten. (Einer der beiden Wissenschaftler, Magnus Wahlberg, berichtet davon in diesem TED-Talk.)

Bis heute ist ungeklärt, weshalb sich die Schwarmfische auf diese Art bemerkbar machen. Sie geben den Laut aus ihrem Hintern beim Auf- und Absteigen von sich, aber offenbar auch in Gefahrensituationen. Vielleicht warnen Schwarmmitglieder einander so vor Raubfischen. Oder die Fische wollen mit den hochsteigenden Luftblasen Angreifer irritieren. Es scheint sich jedenfalls um mehr zu handeln als nur um eine physische Aktion, vermuten die beiden Wissenschaftler.

Und in der Bucht von San Francisco? Da sind es männliche Bootsmannfische, die das technisch klingende Brummen produzieren. Den sehr tiefen Klang erzeugen manche Männchen bis zu eine Stunde lang, ohne Pause. Die Fische werben so um Weibchen, sobald die Balzzeit anbricht. Und je lauter sie brummen, desto größer sind ihre Chancen, dass eine Partnerin sie erhört.

Die Mär von den stummen Fischen

Ein runder Fisch, der sich aufgeblasen hat
Auch manche Kugelfischarten lassen von sich hören.
Ein silbrig-glänzender Fisch, der Geräusche machen kann
Umberfische können echte Krawallmacher sein, aber es gibt auch stillere Vertreter: hier ein Meerrabe.
Ein artenreiches Korallenriff mit vielen bunten Fischen
Ein lebendiges Korallenriff ist nicht nur farbenprächtig, sondern auch geräuschvoll.