EU legt Abstimmung zu Bleiverbot in der Feuchtgebietsjagd auf Eis

Konsequenz aus kontroverser Debatte

vom Recherche-Kollektiv Flugbegleiter:
5 Minuten
Das Bild zeigt drei Stockenten im Flug. Stockenten sind ein beliebtes Ziel von Jägern.

EU-Kommission legt Bleiverbot bei Jagd in Feuchtgebieten auf Eis

Die Europäische Kommission hat die Abstimmung über ein europaweites Verbot von Bleischrot bei der Jagd in Feuchtgebieten auf Antrag Tschechiens gestoppt. Das geht aus einer Notifikation der EU-Behörde an die Mitgliedsstaaten hervor. Das Abstimmungsverfahren werde ohne Ergebnis beendet, teilte die Kommission mit. Eigentlich wäre morgen die Frist für die schriftliche Abstimmung abgelaufen. Tschechien begründete seine Blockade offiziell mit der im Verbotsentwurf vorgesehenen Definition von Feuchtgebieten.

Diese sei zu weitgehend und zu generell gefasst. Mit diesem Argument hatten auch die europäischen Jagdverbände gegen das Verbot mobil gemacht. Auch Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner hatte sich bis zu ihrem Einlenken am Montag auf dieses Argument berufen. Die Definition ist allerdings dieselbe, die auch anderen internationalen Abkommen zugrundeliegt, die europäische Staaten und auch Deutschland eingegangen sind. Der monatelange Prozess gilt nun als „ohne Ergebnis beendet“. Als wahrscheinlich wird in Verhandlungskreisen nun angesehen, dass es im September zu einer neuen Abstimmung kommen wird.

Klöckner lenkt ein und macht Weg für deutsche Zustimmung zu Bleiverbot in der Feuchtgebietsjagd frei

Julia Klöckner gibt ihre Blockadehaltung im Streit um das Bleiverbot für die Jagd in Feuchtgebieten auf. Damit ist der Weg für eine deutsche Zustimmung zu einem europaweiten Verbot nach mehr als fünfjähriger Diskussion frei. Ob das Verbot nun in Kraft treten kann, blieb aber wegen eines überraschend am Montag eingelegten Widerspruchs der tschechischen Regierung gegen das gesamte Abstimmungsverfahren unklar.

Ein Sprecher des Bundesumweltministeriums sagte den Flugbegleitern auf Nachfrage: „Wir haben uns geeinigt, dass die Bundesregierung zustimmt, wenn die EU-Kommission bereit ist, die Übergangsfrist von zwei auf drei Jahre zu verlängern. Da das Abstimmungsverfahren bereits läuft, müsste dies von der Kommission im Rahmen einer Protokollerklärung zugesagt werden. Für das Umweltministerium ist es wichtig, dass wir jetzt Klarheit schaffen, deshalb haben wir uns dem Wunsch des Bundeslandwirtschaftsministeriums geöffnet, ein weiteres Jahr an Übergangszeit zu erhalten.“

Die Einigung wurde nach Informationen der Flugbegleiter aus Verhandlungskreisen in einem Gespräch der beiden Staatssekretäre von Umwelt- und Landwirtschaftsministerium erzielt. Die Verlängerung der Übergangsfrist ist ein Zugeständnis an Klöckner.

Im Entwurf der Kommission war eine Übergangsregelung von in der Regel zwei Jahren vorgesehen. EU-Länder, in denen der Anteil von Feuchtgebieten mehr als 20 Prozent der Landesfläche beträgt, wird in dem Kommissionsvorschlag eine verlängerte Übergangsfrist von drei Jahren eingeräumt.

Offen ist derzeit noch, wie die EU auf den deutschen Wunsch nach einer längeren Übergangsfrist reagiert, da das Verfahren Zustimmung, Enthaltung oder Ablehnung abfragt und Deutschland nun eine weitere Änderung zur Voraussetzung für eine Zustimmung macht. Auch der Widerspruch Tschechiens könnte dazu führen, dass das gesamte Abstimmungsverfahren in einer neuen Sitzung des zuständigen EU-Ausschusses im September wiederholt werden muss. Die Einigung zwischen den beiden deutschen Ministerien wurde in Verhandlungskreisen dennoch als wichtiger Durchbruch bewertet. "Es ist Licht am Ende des Tunnels zu sehen", sagte ein Verhandlungsteilnehmer mit Blick auf das Inkrafttreten des Bleiverbots. Diesem sei man durch die einheitliche deutsche Position einen erheblichen Schritt näher gekommen.


Klöckner stand unter Druck

Klöckner war zuletzt stark unter Druck geraten, nachdem die Flugbegleiter berichtet hatten, dass ein in der Angelegenheit federführender Beamter ihres Ministeriums die Spitzen der deutschen und europäischen Jagdverbände sowie den europaweit führenden Hersteller von Jagdmunition in einer E-Mail um Argumente in der Auseinandersetzung mit dem Bundesumweltministerium ersucht hatte. Auch die Gründe, die Klöckner für ihre Blockade anführte, waren als wenig glaubhaft bewertet worden. Klöckner hatte sich auf eine wissenschaftlich als widerlegt geltende These berufen, nach der bleifreie Geschosse eine geringere Tötungswirkung hätten als bleihaltige. Dies habe zur Folge, dass die von bleifreier Munition getroffenen Tiere nur verletzt würden und dann qualvoll verendeten. Nach Überzeugung des Bundesumweltministeriums jedoch, das sich ebenso wie die EU-Kommission auf zahlreiche wissenschaftliche Gutachten stützt, haben bleifreie Geschosse aber bei richtiger Anwendung eine gleichgute Wirkung wie Blei. Auch die EU-Kommission argumentierte, dass gerade weil es ausreichend Alternativmunition gebe, eine weitere Verwendung des giftigen Schwermetalls nicht mehr zu vertreten sei. Klöckner hatte zur Untermauerung ihres Kernarguments dagegen nur auf einen Schießtest in einer Jagdzeitschrift hinweisen können und diesen als „Studie“ bezeichnet.

Nach Zahlen der Europäischen Chemikalienagentur ECHA geraten durch die Jagd in jedem Jahr europaweit rund 5000 Tonnen Blei in die Umwelt. Mehr als 1,5 Millionen Vögel wie Enten, Schwäne, Gänse, aber auch bedrohte Watvogelarten und Rallen – sterben in jedem Jahr nach unbestrittenen wissenschaftlichen Schätzungen. Auch vor diesem Hintergrund war die Argumentation Klöckners mit dem Tierwohl als vorgeschoben bewertet worden.

Deutschland war zuletzt auch durch die Zustimmung Frankreichs zu der Neuregelung unter Druck geraten, die formell als sogenannte Beschränkung über die europäische Chemiekalienrichtlinie Reach umgesetzt wird. Mit der Zustimmung Frankreichs kam dem deutschen Abstimmungsverhalten eine entscheidende Bedeutung zu.

Hätte Klöckner nicht eingelenkt, hätte sich Deutschland bei der noch bis Mittwoch laufenden Stimmabgabe enthalten müssen. Dies hätte bedeutet, dass eine qualifizierte Mehrheit für das Verbot nicht zustande gekommen wäre, um das seit mehr als fünf Jahren gerungen wird. Endgültig verhindern hätte Klöckner das Verbot indes wahrscheinlich nicht können. Denn der Vorsitzende des zuständigen Ausschusses hatte bereits angekündigt, sich im Falle einer Abstimmungsniederlage direkt um eine Entscheidung im Europäischen Ministerrat und im Europäischen Parlament zu bemühen. Dort gilt auch wegen veränderter Abstimmungsmodalitäten eine Zustimmung als sicher.

Bundesumweltministerin Svenja Schulze hatte deshalb in einem Schreiben an Klöckner auch vor einer internationalen Blamage zum Auftakt der deutschen EU-Ratspräsidentschaft gewarnt. Nach dem Inkrafttreten des jetzt beschlossenen Bleiverbots bei der Jagd in Feuchtgebieten strebt die EU-Kommission ein noch weiterreichendes Verbot auch in allen anderen Lebensräumen an. Dieses Verfahren befindet sich aber noch in einer Anhörungsphase. Mit einer Entscheidung wird frühestens 2022 gerechnet.

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