Bleimunition in der Natur: „Der Druck auf unser Haus wächst“
Wie ein hoher Beamter des Klöckner-Ministeriums die Munitionslobby um Schützenhilfe bittet
Mit wissenschaftlich fragwürdigen Argumenten widersetzt sich das Bundeslandwirtschaftsministerium einem europaweiten Verbot bleihaltiger Munition bei der Jagd. Ministerin Julia Klöckner begründet ihre Blockade gegen ein Ende des qualvollen Sterbens von mehr als einer Million Wasservögeln Jahr für Jahr ausgerechnet mit dem Tierwohl. Was steckt hinter dem Versuch ihres Ministeriums, das Bleischrot-Verbot auf der Zielgeraden auszubremsen, und welchen Einfluss hat die Munitionsindustrie? Interne Mails eines hohen Beamten aus dem Landwirtschaftsministerium belegen einen engen Kontakt. Eine Recherche.
Endlich war die Sache vom Tisch – die Zustimmung Deutschlands zum Verbot giftiger Bleimunition bei der Jagd an Gewässern schien beschlossene Sache. Monatelang hatten sich die Vertreter von Bundesumwelt- und Landwirtschaftsministerium über die deutsche Haltung im Verbotsverfahren für Bleischrot-Munition bei der Jagd in Feuchtgebieten gestritten. Nun, kurz vor der entscheidenden Abstimmung, sollte damit Schluss sein. Wie erleichtert man im Bundesumweltministerium war, zeigt ein Blick zurück.
Die Verhandlungen
Immer wieder drehte sich in den Wochen zuvor die Debatte um ein einziges Wörtchen in dem von der EU-Kommission vorgelegten Entwurf. Es lautet: „Possession“ – „Besitz“. Um die Einhaltung des Verbots auch praktisch kontrollieren zu können, wollte die Kommission den Besitz von bleihaltiger Schrotmunition während der Jagd verbieten. Das sahen beide für Deutschland an dem Verfahren beteiligte Ministerien als einen zu großen Eingriff in die Eigentumsrechte an. Einhellig traten sie in Brüssel auf die Bremse. Sehr zum Ärger von Naturschützern, gibt es ein solches Besitzverbot doch in den Niederlanden bereits, und nach Auskunft der dortigen Behörden gibt es keine Probleme. Auch andere Länder legten sich quer, und die Jagdverbände machten ebenfalls Druck. Die Abstimmung wurde aus Furcht vor einer Niederlage mehrmals verschoben.
Das Gift
Die EU-Kommission hatte das langwierige Verbotsverfahren nach langem Zögern eingeleitet, um einer mit gesundem Menschenverstand kaum noch nachvollziehbaren, überkommenen Praxis ein Ende zu bereiten: Rund 5000 Tonnen des hochgiftigen Schwermetalls werden in jedem Jahr über Mooren, Seen und Feuchtwiesen in Europa verschossen. Nach Zahlen der Europäischen Chemikalienagentur ECHA sterben dadurch jedes Jahr mehr als eine Million Wasservögel als „Kollateralschaden“ qualvoll, nachdem sie die winzigen Bleikügelchen aus der Schrotmunition gefressen haben. Schon ein Körnchen kann nach Untersuchungen spanischer Forscher tödlich sein. Auch für Menschen ist Blei gefährlich.
Die Weltgesundheitsorganisation zählt es sogar zu den zehn gefährlichsten Substanzen für die menschliche Gesundheit. Und auch die Europäische Lebensmittelbehörde EFSA stuft das Schwermetall als Ultragift ein, für das es nicht einmal einen Grenzwert gibt, weil jede noch so kleine Exposition gesundheitsschädlich ist. Es gilt deshalb ein absolutes Minimierungsgebot, das sogenannte ALARA-Prinzip: As Low As Reasonably Achieveable – so niedrig wie vernünftigerweise erreichbar. Gemäß dieses Prinzips hat die EU Blei in den vergangenen Jahren aus weiten Bereichen des Lebens verbannt: Benzin, Farben, Stifte – nur die Jagd bildet bisher eine Ausnahme.
Die deutsche Zustimmung schien gewiss, denn alle in monatelangen Verhandlungen vorgebrachten Hindernisse waren sämtlich im Sinne des Landwirtschaftsministeriums ausgeräumt worden.
Die Zugeständnisse
Um diesen Zustand zu beenden und die Blockade einiger Länder, darunter Deutschlands, aufzubrechen, entschied sich die EU-Kommission zum Einlenken und legte am 2. Juni eine entschärfte Beschlussvorlage für die Beschränkung nach der Chemikalienverordnung Reach vor. Trotz Bedenken mit Blick auf die Kontrollierbarkeit wurde darin das Besitzverbot für Bleimunition aus dem Dokument gestrichen: Aus „possession“ wurde „carrying“ – aus einem Besitzverbot wurde ein Mitführverbot. Auch in anderen Punkten schwächte die Kommission ihre Beschlussvorlage im Sinne der Jagdverbände ab: Die Übergangsfristen wurden großzügiger, die bleifreie Pufferzone um Feuchtgebiete dagegen deutlich kleiner. Schmerzliche Zugeständnisse aus Sicht von Naturschützern, aber gerade noch vertretbar. Für den 23. Juni wurde das Beschlussgremium, der Reach-Regelungsausschuss, zu einer Videokonferenz einberufen, um den Meilenstein auf dem Weg zu einem umfassenden Bleiverbot auch in anderen Bereichen der Jagd zu beschließen.
Der Rückzieher
Die deutsche Zustimmung schien gewiss, denn alle in monatelangen Verhandlungen zwischen den Ministerien für Umwelt und Landwirtschaft vorgebrachten Hindernisse – allen voran das Besitzverbot – waren sämtlich im Sinne des Landwirtschaftsministeriums ausgeräumt worden. So sah man das im Umweltministerium. Die letzten Abstimmungsrunden der zuständigen Ministerialbeamten kurz vor der Entscheidung erschien deshalb als Routine. Doch dann ließ der zuständige Unterabteilungsleiter im Klöckner-Ministerium die Bombe platzen: Man werde nicht zustimmen, verkündete er.
Wie Kai aus der Kiste“, erinnert sich ein Beteiligter habe der Vertreter des Landwirtschaftsministeriums neue Argumente präsentiert, wegen derer eine Zustimmung nicht möglich sei.
Obwohl es sich auf ganzer Linie durchgesetzt hatte, blockierte das Landwirtschaftsministerium nun in allerletzter Minute eine Zustimmung zum Bleiverbot – mit europaweiten Konsequenzen. Denn nach der Geschäftsordnung der Bundesregierung muss sich Deutschland der Stimme enthalten, wenn sich die zuständigen Ministerien nicht auf eine einheitliche Linie einigen können. Mit einer deutschen Enthaltung im Reach-Ausschuss steht wiederum die gesamte europaweite Neuregelung auf der Kippe, denn das Stimmgewicht ist von der Größe der Länder abhängig.
Die neuen Einwände
„Wie Kai aus der Kiste“, erinnert sich ein Beteiligter, habe der Vertreter des Landwirtschaftsministeriums neue Argumente präsentiert, wegen derer eine Zustimmung nicht möglich sei. Was die Ministerialen von dem Beamten zu hören bekamen, machte einige fassungslos: Ausgerechnet der Tierschutz gebiete es, die Praxis nicht zu verbieten, an der Jahr für Jahr über eine Million Tiere qualvoll verenden, trug der Beamte aus dem Landwirtschaftsministerium vor. Denn mit einem Bleischrotverbot werde die Jagd auf größere – für das Ökosystem schädliche – sogenannte invasive Arten erschwert. Denn bleifreie Munition entfalte nicht dieselbe Tötungswirkung wie Bleischrot und deshalb liefen größere Tiere Gefahr, nur verletzt und nicht getötet zu werden. Sie würden dann qualvoll und langsam verenden.
Der neue Einwand mit Blick auf den Tierschutz hat den „Nebeneffekt“, dass der Munitionsindustrie der Markt für die Bleimunition erhalten bleibt und ihr zehn weitere Jahre Zeit zur Vermarktung derselben verschafft würden.
Die Protokollerklärung
Das Wohl von Waschbär, Nilgans und Marderhund beim Versuch, sie zu töten, gebiete es also, gegen ein Bleischrotverbot zu stimmen, lautete das neue Veto-Argument. „Das war vollkommen surreal“, erinnert sich ein Insider im Gespräch mit den Flugbegleitern. Der Beamte stellte eine Zustimmung aber für den Fall in Aussicht, dass eine Protokollerklärung angefügt werde. Der daraufhin von ihm vorgelegte Entwurf dafür hat es in sich. Die Kernsätze lauten:
„Die Europäische Kommission nimmt die Hinweise aus dem Anhörungsverfahren der Mitgliedstaaten und Verbände, die zum Tierschutz bei der Jagdausübung auf Flugwild und invasive Arten in Feuchtgebieten vorgebracht wurden, sehr ernst. Um entsprechende Projekte der Forschung bzw. Entwicklung an Schrotmunition, die möglichst kein Blei an die Umwelt abgibt, nicht zu behindern, sieht die Europäische Kommission solche Munition, die z.B. in ihrem Kern Blei- oder Bleianteile enthält, aber durch einen Mantel verhindert, dass das Blei in die Umwelt austritt, binnen einer Übergangsfrist von 10 Jahren als in Übereinstimmung mit der Reach-VO an.“
Der neue Einwand mit Blick auf den Tierschutz bei invasiven Arten hat also den „Nebeneffekt“, dass der Munitionsindustrie der Markt für die Bleimunition erhalten bleibt und ihr zehn weitere Jahre Zeit zur Vermarktung derselben verschafft würden. Das Umweltministerium lehnte diesen „Kompromiss“ denn auch dankend ab.
Weder das Treffen der Spitzenbeamten noch ein Krisengespräch auf Ebene der Staatssekretäre am Vorabend der Brüsseler Sitzung brachte ein Einlenken des Agrarministeriums. Umwelt-Staatssekretär Jochen Flasbarth musste nach der Sitzung des Reach-Ausschusses am folgenden Tag dann auch wenig überraschend per twitter mitteilen, dass sein Ministerium sich gegen die eigene Überzeugung in einer Art Probeabstimmung enthalten habe. Der Vorsitzende der Reach-Kommission leitete daraufhin eine schriftliche Abstimmung ein. Die Länder müssen nun bis zum kommenden Mittwoch schriftlich mitteilen, ob sie das Verbot stützen oder nicht. Lenkt das Klöckner-Ministerium nicht ein, könnte ausgerechnet zum Auftakt der deutschen Ratspräsidentschaft ein historischer Fortschritt in der europäischen Umweltpolitik am Widerstand eines Teils der Bundesregierung vorerst scheitern.
Die Meinung der Experten
Die von dem Spitzenbeamten des Landwirtschaftsministeriums vorgetragenen Tierschutz-Argumente gegen das Verbotspapier erscheinen auch deswegen fragwürdig, weil selbst der Dachverband der europäischen Jäger erklärt hatte, bleifreie Munition sei bei richtiger Anwendung ebenso effektiv wie bleihaltige.
„Vorgeschobene Scheinargumente aus der Mottenkiste“, nennt sie jemand aus dem Umweltministerium.“
„Vorgeschobene Scheinargumente aus der Mottenkiste“, nennt sie jemand aus dem Umweltministerium. Und in der Tat ist die Debatte über die Tötungswirkung ein alter Hut und – auch, wenn einige Jagdverbände sie wie ein Mantra wiederholen – nach Überzeugung führender Wissenschaftler nicht haltbar. „Man kann mit einer bleifreien Munition jedes Tier ebenso sicher töten wie mit einer bleihaltigen“, sagt etwa Carl Gremse im Interview mit den Flugbegleitern. Der Lehrbeauftragte an der Hochschule für nachhaltige Entwicklung in Eberswalde ist so etwas wie der deutsche „Ballistik-Papst“, der lange selbst zur Tötungswirkung von Geschossen geforscht hat. „Es gibt jede Menge wissenschaftliche Arbeiten, die belegen, dass bleifreie Munition bei richtiger Anwendung auch problemlos für schwere Arten angewendet werden kann. Es gibt aber keine wissenschaftliche Basis, die die gegenteilige Behauptung belegt“, stellt Gremse klar.
Auch Oliver Krone, Forscher am Berliner Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung betont: „Es ist heute eindeutig möglich, mit bleifreier Munition eine vergleichbare Tötungswirkung hinzubekommen wie bei bleihaltiger Munition“. Der Wildtoxikologe erforscht unter anderem, wie stark Seeadler durch die Überreste von Bleimunition aus der Jagd belastet sind. „Aus der Perspektive des Arten- und des Tierschutzes heraus betrachtet, wäre es definitiv eine ganz wichtige Entwicklung, wenn wir zu einem Verzicht von Blei in der Jagd kämen“, sagt der Leibniz-Forscher.
Derart unter Druck, wird es offenbar auch dem Unterabteilungsleiter langsam mulmig – dem Mann, der im Alleingang das europaweite Bleiverbot aufhalten will – zum Tierwohl, wie er sagt.
Die Realität
Wie wenig die These einer verringerten Tötungswirkung bleifreier Munition haltbar und wie schwach mithin das Tierschutzargument ist, zeigt auch ein Blick in die internationale und auch deutsche Wirklichkeit. In 14 der 16 Bundesländer ist die Jagd mit Blei „an und über Gewässern“ hierzulande längst verboten. In Dänemark und den Niederlanden wird generell bleifrei gejagt. Probleme meldet dort kein Jagdverband. Und auch in Deutschland steigen viele Jäger von sich aus auf bleifreie Munition um. „Die Behauptung, bleifreie Munition sei generell weniger wirksam, stimmt so einfach nicht. Es gibt Alternativen, die vielfach erprobt sind und die mittlerweile auch von Herstellern und Handel beworben werden“, betont auch Elisabeth Emmert. „Die angeblich geringere Tötungswirkung ist als Argument komplett in sich zusammengefallen. Das ist heute überhaupt kein ernstzunehmendes Argument mehr, und die Praxis zeigt es ja auch jeden Tag“, sagt die Präsidentin des Ökologischen Jagdverbandes.
Der Antrag auf überflüssige Tierversuche und das verheerende Echo darauf
Derart unter Druck, wird es offenbar auch dem Unterabteilungsleiter langsam mulmig – dem Mann, der quasi im Alleingang das europaweite Bleiverbot aufhalten will – zum Tierwohl, wie er sagt. Nach mehrfacher Aufforderung aus dem Umweltministerium, seine Behauptungen über eine geringere Tötungswirkung doch mit wissenschaftlichen Untersuchungen zu belegen, schickt er eine „mir zur Kenntnis gelangte Projektskizze der Fa. RUAG mit der LMU München zu diesem Thema“ an die Kollegen im Umweltministerium.
Mit Tierversuchen an Stockenten wollen die Antragsteller die Tötungswirkung „innovativer“ zinnummantelter Schrote mit einem Bleikern untersuchen.
In dem übersandten Papier wird ohne Belege die Kernthese des Beamten und der Bleimunitions-Befürworter wiederholt, nach der bleifreie Stahlschrotgeschosse nicht geeignet seien, tierschutzgerecht zu töten. Deshalb wollen die Antragsteller mit Tierversuchen an Stockenten die Tötungswirkung „innovativer“ zinnummantelter Schrote mit einem Bleikern untersuchen. Das Papier fällt bei Fachleuten durch. Tierversuche zu dem Komplex habe es schon vor vielen Jahren gegeben und seien allein aus Tierschutzgründen deshalb nicht zu rechtfertigen. Und überhaupt könne mit dem präsentierten Vorhaben die These einer schlechteren Wirkung bleifreier Geschosse nicht gestützt werden, lautete das Fazit. Dieser Befreiungsschlag des Beamten ging schief, das dürfte auch ihm geschwant haben.
Die „lieben Kolleginnen und Kollegen“ aus der Munitionsindustrie
Auch dem Spitzenbeamten ist offenbar klar, dass er keine guten Argumente hat, das Veto gegen ein Bleiverbot plausibel aufrecht zu erhalten, Und der öffentliche Druck wächst. Umweltverbände nehmen das Thema auf, Petitionen für ein Einlenken des Klöckner-Ministeriums werden auf den Weg gebracht. Die Öffentlichkeit beginnt mehr und mehr, sich für das Thema zu interessieren. Immer stärker unter Rechtfertigungszwang sendet der Beamte am 29. Juni schließlich per Mail eine Art Hilferuf an einige „Liebe Kolleginnen und Kollegen“. An erster Stelle der Adressaten steht Gerhard Gruber von RUAG Ammotec, jenes Unternehmens, das der Beamte bereits gegenüber dem Umweltministerium ins Gespräch gebracht hatte. Die RUAG (RüstungsUnternehmen-AktienGesellschaft) ist ein Technologie- und Rüstungsriese, der über seine Division RUAG-Ammotec mit deutschen Standorten in Fürth und Sulzbach-Rosenberg ein führender Hersteller von kleinkalibriger Munition für Sport, Jagd, Polizei und Armee ist. Im Bereich der Jagd- und Sportmunition ist die RUAG Ammotec nach eigenen Angaben europäischer Marktführer.
Der Ministerialbeamte bittet den Munitionsmanager und die Spitzen aller wichtigen deutschen Jagdverbände um Hilfe in einem Verfahren, das ihre direkten (Geschäfts-) Interessen berührt.
Der Ministerialbeamte bittet den Munitionsmanager und die Spitzen aller wichtigen deutschen Jagdverbände in der den Flugbegleitern vorliegenden E-Mail um Hilfe in einem Verfahren, das ihre direkten (Geschäfts-) Interessen berührt. Der Druck auf sein Haus wachse, dem Bleiverbot zuzustimmen, schreibt er offenbar in Eile – seine Mail enthält eine Reihe Rechtschreib- und Zeichensetzungsfehler.
Wieder kommt er auf das Münchner Projekt zur Entwicklung zinnummantelter Bleigeschosse zu sprechen, das beim Umweltministerium so krachend durchgefallen ist. „Ist solche Munition unter toxikologischen wie ökotoxikologischen Gesichtspunkten besser als Bleischrot und wenn ja warum?“, fragt er. Der Spitzenbeamte sucht offenbar händeringend nach Argumenten für die Auseinandersetzung mit dem Umweltministerium – und bittet die Munitionsindustrie und Jagdverbände um Schützenhilfe. Einziger neutraler Adressat der E-Mail ist der Präsident des zuständigen und dem Landwirtschaftsministerium nachgeordneten Bundesamts für Risikobewertung.
Frau Klöckner macht sich ein Argument zu eigen, das aus der Munitionsindustrie kommen muss, denn es nützt nur dieser.
„Meine Bitte ist, mir zu diesem Thema (Tötungswirkung von Stahlschrot und ggfs. Anderen Alternativen zu Bleischrot) soweit vorhanden Expertise zur Verfügung zu stellen, seien es Studien über entsprechende Versuche, seien es Forschungsergebnisse, von denen sie Kenntnis erlangt haben“, schreibt der Unterabteilungsleiter. Er nennt Stichworte gegen ein Bleiverbot, zu denen er Informationen anfordert. „In der Diskussion der vergangenen Wochen fiel immer mal wieder das Beispiel Norwegen, wo Bleischrot erst verboten und anschließend wieder erlaubt worden sei. Trifft das zu und haben Sie hierzu Hintergrundinformationen?“ Er setzt eine Frist bis zum 6. Juli für eine Antwort. Solange braucht er nicht zu warten. Vier Stunden später antwortet RUAG-Mann Gruber und sichert zu, „zeitnah“ Informationen zu liefern.
Die Ministerinnen und die Kanzlerin
Während Bundesumweltministerin Svenja Schulze in einem Brief vom Mittwoch an ihre Kollegin Klöckner ungewöhnlich scharfe Kritik an den Argumenten gegen ein Bleiverbot übt („Während dieses 3jährigen intensiven Bewertungsprozesses wurde kein einziges belastbares Dokument vorgelegt, das eine unzureichende Tötungswirkung von Stahlmunition ausweisen konnte.“), setzt die Landwirtschaftsministerin offenbar ganz auf die Argumente ihres Unterabteilungsleiters. „Stahlschrot verfügt aufgrund des erheblich leichteren Materials aber über schlechtere ballistische Eigenschaften und somit über eine schlechtere Tötungswirkung…“, schreibt die CDU-Politkerin an den Präsidenten des NABU, Jörg-Andreas Krüger. „Wir müssen Raum für Innovationen im Bereich der Jagdmunition lassen, die eine hinreichende Tötungswirkung gewährleistet und gleichzeitig kein Blei an die Umwelt abgibt“, schreibt Klöckner weiter. „Das ist wirklich ein Argument aus dem Köcher der Munitionsinsindustrie“, urteilt Ballistik-Experte Gremse. „Die versucht immer wieder, irgendwelche Produkte unterzubringen, in denen es immer noch Blei gibt, auch wenn es ballistisch überhaupt nicht nötig ist. Frau Klöckner macht sich ein Argument zu eigen, das aus der Munitionsindustrie kommen muss, denn es nützt nur dieser.“
Wenn Deutschland dem Verbot jetzt zustimmt, würde dies der Bundesregierung eine monatelange Debatte ersparen, in deren Verlauf die Fragwürdigkeit der behaupteten offenen Fragen ganz sicher deutlich werden würde“, schreibt Schulze an Klöckner.
Kommt das überfällige Bleiverbot doch noch, oder blockiert Klöckner weiter auf Basis fragwürdiger Argumente? Bis zum kommenden Mittwoch (15. Juli) muss die Bundesregierung entscheiden, ob sie das europaweite Bleiverbot doch noch unterstützt. In ihrem Brief an Klöckner fordert Schulze ihre Kollegin zum Einlenken auf und warnt unverhohlen vor einer internationalen Blamage zulasten des Landwirtschaftsministeriums: „Wenn Deutschland dem Verbot jetzt zustimmt, würde dies der Bundesregierung eine monatelange Debatte ersparen, in deren Verlauf die Fragwürdigkeit der behaupteten offenen Fragen ganz sicher deutlich werden würde“, schrieb Schulze. Ob Klöckner einlenkt, ist ungewiss. Am Ende muss möglicherweise Bundeskanzlerin Angela Merkel versuchen, Deutschland in ihrer letzten EU-Präsidentschaft vor einer Blamage zu retten.