Das Merkel-Lexikon: Von Dame ohne Unterleib über DDR und Diesel bis Duzen

45 Minuten
Die Hände von Kanzlerin Merkel, zur Raute geformt.

Dame ohne Unterleib

Sprachbilder wie diese finden sich immer wieder in deutschen Medien, wenn es um Merkel geht. Mal ist damit die Schwäche der CDU in den Ländern und Kommunen gemeint, mal die mangelnde Unterstützung für Merkel und Deutschland in Europa. Die damalige stellvertretende SPD-Vorsitzende Andrea Nahles bezog den Begriff in der ersten großen Koalition auf die SPD: „Was ist Merkel ohne die SPD in dieser Regierung?“, fragte Nahles damals – „eine Dame ohne Unterleib.“[1]

[1] Andrea Nahles, 5. September 2009 bei einem SPD-Wahlkampf-Auftritt in Wetzlar, Video


Danken

Vielleicht liegt es an ihrer christlichen Erziehung, vielleicht ist es ein kluger pädagogischer Trick, vielleicht auch der Versuch des Einschmeichelns: Noch nie hat ein deutscher Regierungschefs seinen Dank so oft und an so viele Gruppen von Menschen ausgedrückt wie Angela Merkel. In fast jeder Rede und vor allem in Regierungserklärungen bedankt sich die Kanzlerin bei Personen, Berufsgruppen oder gleich ganzen Ländern. Auf einem Empfang der Wirtschaft etwa dankte sie Unternehmen, die Flüchtlinge ausbilden[1], vor einem CDU-Bundesparteitag den Polizisten, zum Tag der deutschen Einheit Soldaten, Polizisten und Entwicklungshelfern, nach der Elbeflut den Fluthelfern, in der Flüchtlingskrise den vielen ehrenamtlichen und hauptamtlichen Freiwilligen.[2] Und in der Rede vor dem US-Kongress oder vor beiden Häusern des britischen Parlaments[3] dankte sie 2014 den Alliierten des Zweiten Weltkrieges für ihr Vertrauen in das Nachkriegsdeutschland. Vor allem seit der Flüchtlingskrise nehmen Merkels Danksagungen in Reden einen noch größeren Teil ein.

Merkel ist dieser Trend bei ihr selbst ebenfalls aufgefallen – und sie amüsiert sich sogar darüber. Denn als junge Ministerin habe es sie oft genervt, wenn Kanzler Helmut Kohl nicht nur allen möglichen Leuten dankte, sondern immer wieder auch seine Dankbarkeit ausdrückte, dass er so lange Kanzler und CDU-Chef sein konnte. Heute empfindet Merkel dieses Gefühl aber selbst immer stärker. Deshalb ist es kein Wunder, dass sie ihre Abschiedsrede als CDU-Vorsitzende nach 18 Jahren an der Spitze der Partei mit den Worten schloss: „Heute, in dieser Stunde, in diesem Moment, bin ich von einem einzigen, alles überragenden Gefühl erfüllt: Von dem Gefühl der Dankbarkeit. Es war mit eine große Freude. Es war mir eine Ehre. Herzlichen Dank!“[4]

Wenig später legte Merkel in Templin noch auf einer persönlichen Ebene nach, als sie die Ehrenbürgerschaft der Stadt erhielt. „Danke an all die, die an meinem Leben mitgewirkt haben und mir damit ermöglicht haben, das zu sein, was ich heute als Mensch sein kann“, sagte sie in dem Saal, in dem außer ihrer Mutter und Geschwistern auch frühere Freundinnen und Lehrer aus ihrer Schulzeit saßen. „Das ist ein tiefer Dank aus ganzem Herzen.“ [5]

  • [1] Merkel-Rede beim Jahresempfang der rheinhessischen Wirtschaft in Mainz, 11. Januar 2016.
  • [2] S. etwa Merkel-Rede auf dem CDU-Bundesparteitag in Karlsruhe, 14. Dezember 2015 oder zum Tag der deutschen Einheit in Hannover, 3. Oktober 2014.
  • [3] Rede vor beiden Häusern des britischen Parlaments in London, 27. Februar 2016.
  • [4] Merkel in ihrer letzten Rede als CDU-Chefin auf dem CDU-Bundesparteitag in Hamburg, 7. Dezember 2018.
  • [5] Merkel in der Rede bei der Entgegennahme der Ehrenbürgerschaft der Stadt Templin, 8. Februar 2019.
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