Merkels Eingeständnis: Klimapolitik wider besseres Wissen

Zum Abschied zeigt sich die Kanzlerin reuig, dass sie nicht genug zum Schutz der Lebensgrundlagen getan hat. Was heißt das für die Zukunft? Ein Kommentar

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Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sitzt in der Bundespressekonferenz und stellt sich den Fragen der Hauptstadt-Journalisten.

Am Ende von 30 Jahren in der Bundespolitik und 16 Jahren an der Spitze der Bundesregierung zeigt sich Angela Merkel in der Klimapolitik reumütig. Gemessen an dem Ziel, den weltweiten Temperaturanstieg auf maximal zwei Grad im Vergleich zur vorindustriellen Zeit zu begrenzen, sei während ihrer Kanzlerschaft „nicht ausreichend viel passiert“, sagte sie bei ihrer letzten “Sommerpressekonferenz”.

Zugleich versuchte Merkel, ihren zu Beginn ihrer Amtszeit erworbenen Ruf als “Klimakanzlerin” zu verteidigen: „Ich bin der Meinung, dass ich sehr viel Kraft für den Klimaschutz aufgewandt habe“, sagte sie. Sie habe „sehr, sehr viel Kraft in meinem politischen Leben dafür eingesetzt, Mehrheiten dafür zu finden, dass wir wenigstens diesen Weg gehen konnten“. Dies habe „eigentlich meine gesamte politische Arbeit geprägt“.

Die Aussagen zeigen, dass sich Merkel unter Druck fühlt, die umweltpolitischen Resultate ihrer Amtszeiten – zuerst als Bundesumweltministerin von 1994 bis 1998 und dann als Bundeskanzlerin von Ende 2005 bis zur Bundestagswahl – in ein gutes Licht zu rücken.

Eine Krise, die nicht wieder weggeht

Das ist aus Sicht einer Politikerin, die aufgrund ihrer zentralen Rolle bei Schlüsselereignissen des frühen 21. Jahrhunderts und wegen ihrer weltweiten Bekannt- und Beliebtheit auf jeden Fall einen Platz in den Geschichtsbüchern bekommen wird, gut zu verstehen.

Denn Verantwortliche, von denen es später heißen wird, dass sie die Klimakrise hätten abwenden können, es aber nicht getan haben, stehen in dem Risiko, dass alle anderen Erfolge ihrer Amtszeiten dagegen vollständig verblassen. Euro-Rettung, Flüchtlingskrise und vieles mehr, was Merkel hoch angerechnet wird – es wird im Rückblick klein wirken, wenn ständige Extremwetter Billionenschäden verursachen und aus unbewohnbar gewordenen Gebieten Menschen in den kühleren Norden aufbrechen.

Die Klimakrise ist anders als die anderen Krisen, die Merkel meistern musste. Denn die meisten Krisen, mit denen es Politikerinnen und Politiker zu tun haben, sind zyklischer Natur: Eine Wirtschaftskrise kommt – und geht. Ein militärischer Konflikt kommt – und geht. Selbst eine Pandemie, die man als Jahrhundertkrise bezeichnen kann, kommt – und geht.

Die Klimakrise dagegen, sie kommt und kommt, wird schlimmer und schlimmer. Und schlimmer. Sie ist keine zyklische Krise, sondern eine stetig eskalierende Krise, aus der es weder in den Zeitskalen der Demokratie noch denen von ein, zwei oder drei Generationen ein Zurück gibt. Es sind geologische Zeiträume, in denen die Klimakrise das Leben auf der Erde grundlegend verändert.

Die Erde könnte, wie der Klimageologe Gerald Haug, Präsident der Nationalakademie Leopoldina, sagt, schon bis zum Ende dieses Jahrhunderts “bis zur Unkenntlichkeit” entstellt werden.

Denen, die das Geschehen noch immer verharmlosen, führen die Fluten und Brände dieser Monate vor Augen, was Klimakrise und Naturzerstörung bedeuten.

Intuitives Verständnis der Wissenschaft

Was heute passiert, ist aber harmlos gegen das, was kommt. Die Hitzesommer von heute sind die kühlen Sommer von morgen. Die dürren Jahre werden als wasserreich in Erinnerung sein. Alles, was uns heute extrem vorkommt, wird sich zu einer brutalen “Normalität” verwandeln, der viele Menschen, Tiere, die Pflanzen auf den Feldern, ganze Städte, Infrastrukturen und Ökosysteme nicht gewachsen sein werden.

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