Über den Tellerrand hinaus: Wie gemeinsames Kochen Teilhabe und Integration fördert

Migration und Asyl, kaum ein anderes Thema wird im Wahlkampf so heiß diskutiert – meist mit verhärteten Fronten. Doch wie schaffen wir es, als Gesellschaft wieder zueinander zu finden? Ein Berliner Verein zeigt, wie es gelingen kann.

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Eine große Gruppe junger Menschen steht um den einen gedeckten Tisch und lächelt in die Kamera.

„Mein Mann hat mich überredet, hierherzukommen“, sagt Sharmin*, als sie an einem Samstagnachmittag vor der Berliner Roßbachstraße 6 steht. Während die junge Frau spricht, hören andere Frauen zu und pusten den Qualm ihrer Zigaretten in die kalte Winterluft. „Ich habe mich zuerst nicht getraut, weil ich mich manchmal nicht so gut ausdrücken kann“, erklärt Sharmin und hält kurz inne. „Aber jetzt bin ich ja hier“, lacht sie. Sharmin stammt aus Indien und lebt seit fünf Jahren in Deutschland. Seit einem Jahr lernt sie aktiv Deutsch und sucht Anschluss.

Ankommen in Deutschland, das kann dauern. Das Landesamt für Einwanderung, umgangssprachlich auch „Ausländerbehörde“ genannt, ist bekanntlich überlastet. Bis ein Termin zur Beantragung des Aufenthaltstitels frei wird, vergehen oft viele Monate. Ohne ihn gestaltet sich die Jobsuche allerdings schwierig. Und ohne Job keine Wohnung. Hinzu kommen Sprachbarrieren. Ein Sozialleben bleibt da oft auf der Strecke.

Vor dem Hauseingang Nummer 6 flattert ein Banner mit der Aufschrift „Über den Tellerrand“. Ein Blick durch die große Glasfront lässt erahnen, warum sich die Frauen hier treffen: Der großzügige Raum beherbergt eine offene Küche mit Kochinsel in der Mitte, umgeben von Pflanzen, gut bestückten Bücherregalen und vielen Sitzgelegenheiten. Das warme Licht von innen lässt selbst das Grau der Fassade strahlen. „Gehen wir rein?“, fragt eine der Frauen, als sie ihre Zigarette ausdrückt. „Let’s go“, antwortet Sharmin und öffnet die Tür.

Eine junge indische Frau hält eine Orange in der Hand und lächelt in die Kamera.
Sharmin ist zum ersten Mal bei einer Veranstaltung des Vereins dabei.

Soziale Teilhabe ist eine Frage der Herkunft und des Geschlechts

Eine Syrerin an der Kochstation für die Nachspeise erklärt, dass sie Mengenangaben immer in „Gläsern“ formuliere, da sie ohne Küchenwaage oder Messbecher kochen gelernt habe. „Ein Glas hiervon, ein Glas davon“, sagt sie, während sie die Zutaten für den Kuchen mischt.

„Kochen mit Freundinnen“ ist eines von zwei Formaten, die darauf abzielen, für besonders vulnerable Personen innerhalb der Zielgruppe Angebote zu schaffen. Außerdem gibt es noch die „Rainbow Kitchen“, die ausschließlich Mitgliedern der LGBTQ-Community vorbehalten ist. „Beide Aktivitäten sind als Safe Spaces konzipiert, also nur für Menschen zugänglich, die sich diesen Communitys zugehörig fühlen“, erklärt Moana.

Das sei sehr wichtig, betont sie, denn die soziale Teilhabe sei für zugewanderte queere Menschen und Frauen schwieriger als für Männer. „Es gibt einfach großen Bedarf für Räume, in denen sich Frauen begegnen können, unabhängig von Männern. Seit den Jahren 2015,2016 standen vor allem Männer, die nach Deutschland kamen, im Mittelpunkt. Das zeigt, dass Frauen mit Fluchterfahrung nicht so einen starken Zugang zur Gesellschaft haben.“

Das habe ganz unterschiedliche Gründe, erklärt Moana. Oft würde Kinderbetreuung eine Rolle spielen. In diesem Fall blieben Frauen meist zu Hause und unter sich. Andere fühlten sich in der Nähe von Männern aufgrund persönlicher, religiöser oder kultureller Motive einfach nicht wohl.

Doch warum soll ausgerechnet Kochen beziehungsweise Essen da helfen? Dahinter steht nicht etwa nur die Lust auf eine schmackhafte Mahlzeit, sondern ein Konzept. „Das ist ein sehr niederschwelliges Angebot“, erklärt Moana. „Immerhin essen und kochen wir ja alle – selbst wenn es nur Nudelwasser erhitzen ist. Das verbindet.“ Und: Kochen sei nicht so stark sprachbasiert. Menschen kämen durchs Tun zusammen und jede:r könnte dabei einen Beitrag leisten: schnippeln, Tisch decken, Musik auswählen oder abwaschen.

Drei Frauen stehen um den Herd, sie sehen einander an und lachen.
Kochen mit Freundinnen in Berlin.
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