Einfach besser trinken: Ist entkoffeinierter Kaffee wirklich koffeinfrei?

Kaffee ist seit langem eines der beliebtesten Getränke der Deutschen. Doch einige verzichten lieber auf den Koffeinkick – und greifen zum entkoffeinierten Produkt. Ist dieser Kaffee aber wirklich koffeinfrei? Und was ist dran an den gesundheitlichen Bedenken? Eine Kolumne.

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Halbnahe. Baristamaschine, darunter stehen 2 weiße Espressotassen, in die Kaffee läuft.

Ihnen kann ich es ja verraten: Einen entkoffeinierten Kaffee, der mir schmeckt, habe ich bisher nicht ausfindig gemacht. Vielleicht sollte ich mich stärker auf diesen Decaf-Kaffeekosmos einlassen. Denn deutschlandweit ergibt sich ein anderes Bild: Marktforscher von Grand View Research erwarten für den deutschen Markt für entkoffeinierten Kaffee von 2020 bis 2027 eine durchschnittliche jährliche Wachstumsrate von 6 Prozent.

Allerdings gebe ich gerne zu: Ich mag das Koffein – und das fehlt bekanntermaßen in koffeinfreien Kreationen. Koffein macht wach. Sehr wach! Ich glaube sogar in nicht wenigen Fällen ist Kaffee für Eltern eine Art Überlebenselixier, um den Wahnsinn zwischen Mental-Overload-Job-und-Familienalltag bei chronischer Müdigkeit zu schaffen. Kleine Auszeit? Kaffeepause!

Für das Wachgefühl nach dem Kaffee verantwortlich ist Koffein, welches anregend auf das zentrale Nervensystem und das Herz-Kreislaufsystem wirkt und unsere Aufmerksamkeit und auch unser Konzentrationsvermögen steigert. Einzeldosen von bis zu 200 mg Koffein – etwa 3 mg pro Kilogramm Körpergewicht sind laut der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) für die gesunde erwachsene Allgemeinbevölkerung unbedenklich.

Wie viel Koffein als unbedenklich gilt

Eine über den gesamten Tag verteilte Koffein-Aufnahme von bis zu 200 mg pro Tag hält die EFSA auch bei Schwangeren und Stillenden für unbedenklich. Eine US-amerikanische Studie aus dem Jahr 2022 kommt zu einem anderen Schluss: Kinder von Müttern mit starkem Koffeinkonsum kamen kleiner und leichter auf die Welt als im Vergleich zu Kindern, deren Mütter keine koffeinhaltigen Getränke während der Schwangerschaft zu sich nahmen. Die geringere Körpergröße und das geringere Gewicht waren bereits bei Koffeinkonsum unterhalb der empfohlenen Richtlinie von weniger als 200 mg Koffein pro Tag erkennbar. An der Untersuchung nahmen 2055 Frauen teil, die alle Nichtraucherinnen waren.

Studien zeigen immer wieder, dass regelmäßiger Kaffeekonsum nicht mit der Entstehung von Krankheiten in Verbindung gebracht wird. Etliche Analysen deuten auf viele mögliche gesundheitliche Vorteile hin. Neben Koffein liefert Kaffee auch noch jede Menge Ballaststoffe, Vitamin B2, Magnesium, Antioxidantien sowie Polyphenole, die zu den sekundären Pflanzenstoffen gehören. Auch im Kaffee finden sich sogenannte Diterpene, von denen bekannt ist, dass sie die Cholesterinwerte im Blut indirekt erhöhen können. Der Diterpengehalt des Kaffees ist allerdings abhängig von der Zubereitungsart: Filterkaffee-Trinker etwa sind hier fein raus. Auch Espresso soll die Cholesterinwerte nicht erhöhen.

Bei empfindlichen Personen gilt: Koffein könnte Sodbrennen, innere Unruhe oder Schlafstörungen hervorrufen. Auch eine Untersuchung aus dem Jahr 2022 sorgte für Aufsehen. Eine japanische Studie warnte vor einer übermäßigen Kaffeezufuhr bei Menschen mit schwerem Bluthochdruck. Wie die Forschenden schreiben, könne das koffeinhaltige Getränk das Risiko eines Herztodes ab einer gewissen Menge deutlich verstärken. Dies gelte aber nur für Kaffeetrinker:innen mit eben diesem schweren Krankheitsbild.

Für die tägliche Koffeindosis ist wichtig zu wissen: Koffein befindet sich nicht nur in Kaffee, sondern auch in Energydrinks, in Schokolade – und in Tee. Fakt ist: Mehr und mehr Verbraucher:innen greifen zu „koffeinfreiem“, also entkoffeiniertem Kaffee. Aber ist er wirklich koffeinfrei?

Koffeinfreier Kaffee enthält zu 99,9 % kein Koffein

Laut der „Verordnung über Kaffee, Kaffee- und Zichorien-Extrakte“ aus dem Jahr 2001 darf entkoffeinierter Rohkaffee und Röstkaffee höchstens ein Gramm Koffein in einem Kilogramm Trockenmasse enthalten. Hochgerechnet auf eine Tasse koffeinfreien Kaffee ergibt das laut dem Deutschen Kaffeeverband rund drei Milligramm Koffein. Zum Vergleich: Eine Tasse normalen Kaffee enthält je nach Zubereitung zwischen 50 und 100 Milligramm Koffein.

Das erste kommerziell genutzte Verfahren zur Entkoffeinierung wurde 1903 von Ludwig Roselius, Gründer der Kaffeemarke „Kaffee HAG“ entwickelt und einige Jahre später patentiert. Der Anlass: Kurz zuvor war sein Vater gestorben, Roselius führte dies nicht zuletzt auf den immensen Kaffee- und Koffeinkonsum zurück. Doch auch der erste entkoffeinierte Kaffee war nicht unbedingt förderlich für die Gesundheit. Denn nachdem die Kaffeebohnen in Salzwasser aufgequollen waren, entzog Roselius ihnen mit Hilfe von Benzol das Koffein. Benzol ist giftig und gilt als krebserregend. Gut für die Decaf-Trinker unter Ihnen: Das sogenannte Roselius-Verfahren wird heute nicht mehr angewendet.

Wie Kaffee koffeinfrei wird

Am schnellsten - und kostengünstigsten für die Hersteller – ist es heutzutage, das Koffein durch ein Bad in einem chemischen Lösungsmittel aus den Kaffeebohnen herauszulösen. Das Lösungsmittel wird danach möglichst vollständig entfernt, die nassen Kaffeebohnen werden getrocknet. Am häufigsten wird Dichlormethan für die Extraktion eingesetzt.

Dichlormethan hat jedoch keinen guten Ruf. Das Lösungsmittel, das früher als Abbeizmittel für Lacke verwendet wurde und 2012 verboten wurde, „steht im Verdacht, krebserregend zu sein“, schreibt die Verbraucherzentrale Bayern. Der mögliche Restgehalt ist nach dem Reinigen der Bohnen wahrscheinlich sehr gering, dennoch weisen Verbraucherschützer:innen nicht nur hierzulande immer wieder auf dieses gesundheitliche Risiko hin. Als unbedenklich gilt das Lösungsmittel Ethylacetat, denn es kommt von Natur aus in einigen Obst- und Gemüsearten vor.

Wer eine lösungsfreie Variante sucht: Ganz ohne Lösungsmittel kommt das sogenannte Kohlenstoffdioxidverfahren aus. Dabei werden die Kaffeebohnen unter hohem Druck mit flüssigem Kohlenstoffdioxid umspült. Dadurch wird das Koffein gebunden. Dieser Vorgang muss mehrmals wiederholt werden. Diese Decaf-Varianten werden häufig als „natürlich entkoffeinierter Kaffee“ beworben. Es gibt noch verschiedene weitere Verfahren, um den Bohnen das Koffein zu entziehen. Oft erfahren die Verbraucher:innen jedoch nicht, welches Verfahren angewendet wurde. Auf den Verpackungen ist diese Information nur selten angegeben. Hier hilft nur, bei den Unternehmen und Verkaufsstellen direkt nachzufragen.

Schnell einen Kaffee trinken? Aber lieber ohne Mikroplastik!

Ich bleibe lieber beim Kaffee mit Koffein – genauer gesagt: beim Espresso. Entgegen der gängigen Meinung enthält ein Espresso übrigens nicht mehr Koffein als ein Kaffee. Zwar ist die Konzentration von Koffein im direkten Vergleich in Espressobohnen etwas höher, dafür wird Espresso in geringeren Mengen getrunken. Zudem ist die Kontaktzeit zwischen gemahlenen Bohnen und Wasser kürzer - die Konzentration von Koffein bleibt vergleichsweise gering. Nicht nur beim Espresso nehme ich mir Italien zum Vorbild. Ich trinke ihn mit etwas mehr Zeit entspannt im Café - oder aber mal schnell an der Theke.

Auf diese Weise verzichte ich auch auf Verpackungsmüll - und auf Mikroplastik im Körper. Denn Hitze und Plastik vertragen sich nicht. Was nur wenige wissen: Die Mehrheit der handelsüblichen Pappbecher ist mit einer dünnen Plastikschicht überzogen. Pappbecher bestehen laut Angaben der Deutschen Umwelthilfe im Durchschnitt zu 5 Prozent aus dem Kunststoff Polyethylen. Noch mehr Mikroplastik im Körper? Da sage ich doch glatt: nein, danke!

Egal, welchen Kaffee Sie am liebsten mögen – am allerbesten ist doch: ihn in Ruhe genießen.

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