Flugtaxis sollen in der Zukunft Mobilitätsprobleme lösen - doch ihre Bedeutung wird überschätzt
In Hollywoodfilmen funktionieren sie gut, und die Entwicklerfirmen haben große Hoffnungen. In vielen technikverliebten Zukunftsszenarien spielen Flugtaxis eine große Rolle. Doch es gibt viele Gründe, an ihrer Alltagstauglichkeit zu zweifeln. Die Mobilitätskolumne..
Wenn ich diesen Text in zehn oder 15 Jahren noch einmal lese, wundere ich mich vielleicht selbst, welcher Fehleinschätzung ich aufgesessen bin. Vielleicht ist der Himmel dann voller Flugtaxis, so wie es schon heute einige ExpertInnen erwarten. Trotzdem bin ich überzeugt, dass Flugtaxis keine große Zukunft haben. Aber es gibt viele Menschen, die das anders sehen und vom Erfolg des neuen Verkehrsmittels schwärmen.
PolitikerInnen in Los Angeles träumen davon, dass Flugtaxis rechtzeitig zu den Olympischen Spielen 2028 abheben. Auch Saudi-Arabien plant für seine futuristische Stadt der Zukunft, „The Line“, mit Flugtaxis als Verkehrsmittel. In Deutschland hat das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) über „Perspektiven für den städtischen Luftverkehr der Zukunft“ geforscht. Verkehrsminister Volker Wissing will 2026 die ersten Strecken für einen Testbetrieb genehmigen. Und es gibt sogar bereits Vorschriften, welche Ausbildung die PilotInnen haben müssen.
Vom Hamburger Flughafen zur Innenstadt
Das DLR hat 2023 eine konkrete Strecke in Hamburg in Erwägung gezogen: vom Flughafen bis zu einem „Vertidrom“ an der Binnen-Alster, mit den bestehenden öffentlichen Verkehrsmitteln sind das etwa 30 Minuten Fahrt. Doch die Forschungsergebnisse klingen ein wenig, als ob selbst die VerfasserInnen die Simulationen mit Skepsis und Ironie kommentieren wollten. Denn siehe da: Man kann die Strecke Flughafen – Innenstadt auch fliegen, und zwar schneller als im ÖPNV sitzend. Die als mögliche Lösung auserkorene Strecke ist allerdings nicht so innovativ wie das Gefährt: „Die nachgestellte Flugstrecke ließ sich günstig entlang der bestehender S-Bahn-Trasse legen.“ Das mag stimmen, aber vielleicht wäre es dann doch einfacher und besser der bestehenden S-Bahn kompromisslos freie Fahrt zu geben? Damit können die PassagierInnen auch unterwegs an einer anderen Station aussteigen – nur für den Fall, dass sie nicht zur schönen Binnen-Alster wollen.
Was in Hollywoodfilmen mit Bruce Willis funktioniert, produziert im Alltagscheck jede Menge Luftlöcher, die den Flugbetrieb gefährden. Ein Beispiel: Sollen Flugtaxis ein Bestandteil der Tür-zu-Tür-Mobilität werden, dann benötigen Hamburg und andere dicht besiedelte Regionen viel Platz für Landeplätze für ein senkrecht landendes und startendes Fluggerät, das ziemlich viel Wind macht.
Hochhäuser als Landeplatz für Flugtaxis
Private Hubschrauberlandeplätze sind auf bestimmte Gehaltsgruppen beschränkt. In Düsseldorf hat ein Immobilienentwickler vorgeschlagen, dass die Luftgefährte auf den Dächern der Hochhäuser landen könnten. Die Planungen lassen offen, ob der Luftshuttle dann auch nur den Besuchern und Angestellten in den Bürogebäude nutzen soll, oder ob die Dächer zentrale Haltepunkte der Jedermann-Mobilität sein sollen. Dann müssten wohl die Aufzüge umgerüstet werden, weil sie plötzlich täglich hunderte Reisende transportieren müssten.
Auffällig ist, dass für Szenarien mit Flugtaxis gern Flughäfen als Startpunkte gewählt werden. Das scheint irgendwie logisch, denn dort kennt man sich mit Start- und Landemanövern aus. Die meisten Menschen steuern allerdings nur selten einen Flughafen an. Die Gäste der Flughäfen könnten von der neuen Technologie profitieren, weil sie dank Flugtaxis schneller ihren Abflug erreichen. Auch dazu gibt es Überlegungen: In Düsseldorf erscheinen Strecken nach Aachen, Münster oder zum Kölner Flughafen für Mini-Flieger attraktiv. Die Bahnverbindungen sind dort schließlich so schlecht, dass man sie Reisenden nicht empfehlen möchte. Der Bau einer modernen Bahnstrecke wäre natürlich ungleich teurer als die Infrastruktur für Flugtaxis. Im Zug würden allerdings einige Hundert Menschen Platz finden. Dafür müssen die kleinen Flieger ziemlich oft unterwegs sein oder gleich in Schwärmen fliegen.
Wird die Bevölkerung den Lärm akzeptieren?
Ein weiteres Problem, über das die Branche häufig schweigt: Selbst leise Flugtaxis machen Lärm. Sie sind nicht so laut wie ihre großen Düsen-Geschwister, aber sie erreichen schon den Lärmpegel einer viel befahrenen Straße. Das könnte ihren Einsatz schwer vermittelbar machen, noch dazu wenn weit mehr Menschen vom Lärm betroffen sind als im Gefährt unterwegs.
Die Probleme sind also groß. Elektrische Kleinflugzeuge und Hubschrauber mit Platz für einen oder bis zu vier Passagieren mögen einige Nischenanwendungen für schlecht erreichbare Orte erobern oder als Freizeit-Attraktion TouristInnen und Wohlhabende bei Rundflügen transportieren. Mehr aber nicht. Da fällt es nicht ins Gewicht, dass die Batterien mit nachhaltigem Strom versorgt werden.
Elektrische Kurzstrecke als Nischenanwendung
Aber natürlich könnte alles anders kommen. Wenn wir kürzere Strecken fliegen wollen oder müssen, kann das in einer fossilfreien Welt nur mit elektrischen Antrieben oder Wasserstoff geschehen. So ist es gut, dass zwei in Deutschland beheimatete Entwicklungen weitermachen. Das konkursbedrohte Lilium konnte vorerst gerettet werden. Volocoptor steht nach eigenen Angaben vor dem Markteintritt, muss aktuell aber auch um frisches Geld kämpfen.
Doch der Name „Flugtaxi“ bleibt eine Mogelpackung. Ein Flugtaxi im Sinne eines fliegenden Taxis für jedermann, als ein Teil des alltägliche Unterwegssein, das wird es nicht geben.
Dieser Text gehört zu einer regelmäßigen Kolumne des Recherche-Kollektivs Busy Streets. Weitere Mobilitätskolumnen finden sie hier.