Shell-Jugendstudie: 30 Prozent der Jugendlichen in Deutschland fühlen sich benachteiligt

Aus der aktuellen Shell-Jugendstudie werden häufig nur Details berichtet und als typisch bewertet. Dabei liegt eine der Stärken der Befragung in der Beschreibung, wie sehr sich Jugendliche in Deutschland unterscheiden. Die AutorInnen finden den Mainstream, die Progressiven, die Selbstbezogenen, die Verunsicherten und die Verdrossenen. Das sollte eine Aufforderung sein, sich besser um junge Menschen zu kümmern.

vom Recherche-Kollektiv die ZukunftsReporter:
5 Minuten
Wie denken Jugendliche heute? Das Symbolbild zeigt eine Gruppe bei einem Selfie, eine junge Frau streckt frech die Zunge raus.

Es ist zum Verzweifeln. Vor ein paar Jahren war die Jugend noch rebellisch, trat in den Schulstreik und demonstrierte bei „Fridays for future“ gegen den zu laxen Umgang mit dem Klimawandel. Zuletzt schien die Jugend politisch eher rechts verortet, denn sie wählte bei den Landtagswahlen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg zu einem hohen Anteil die AfD. Die Empörung über das Verhalten ist jedes Mal groß, auch wenn die kritisierenden Stimmen aus unterschiedlichen Lagern kommen.

Und wenn die Jugend nicht an einzelnem Verhalten gemessen werden soll, dann schwebt über ihr eine umfassende Generationsbeschreibung. So geht es denjenigen, die als „Generation Z“ geboren wurden, die nun den Millennials oder der Generation Y folgt. Deren Leben wird geprägt von Online-Erfahrungen, durch das Internet und soziale Medien, die mit mühsam erworbenen Offline-Erfahrungen verbunden werden müssen. Damit ist eigentlich alles gesagt über die Jugend: Sie hat offenbar ihre Individualität und Kreativität verloren und verhält sich wie eine große Masse, vermutlich kann sie nicht anders, denn sie wurde ja so sozialisiert.

Jugendliche so unterschiedlich wie Erwachsene

Da ist es gut, dass es in der Kakophonie der Stimmen Jahrzehnte überbrückende Konstanten gibt wie beispielsweise die Shell Jugendstudie. Seit 1953 befragen die Forschenden eine repräsentative Auswahl Jugendlicher im Alter zwischen 12 und 25 Jahren, methodisch lassen sich Fragen und Antworten seit dem Jahr 2000 miteinander vergleichen. Im Oktober ist das Ergebnis der 19. Befragung veröffentlich worden. Und eine zentrale Aussage ist seit 70 Jahren nahezu unverändert – nämlich die, dass es die Jugend im Sinne einer ähnlich handelnden Gruppe junger Menschen gar nicht gibt. Eltern tun also gut daran, die eigenen Kinder nicht als Vertreter der Jugend zu sehen, obwohl es dann vermeintlich einfacher fällt, sich mit den Jugendlichen und ihrem Denken auszukennen.

In der Berichterstattung über die Shell-Studie standen häufig die Ängste der jungen Menschen im Vordergrund. Dass 81 Prozent der Befragten Angst vor einem Krieg in Europa haben, ist kaum verwunderlich. Wenn allerdings im nächsten Satz betont wird, dass sich 34 Prozent vor mehr Zuwanderung nach Deutschland fürchten, so ist das eine Verzerrung des Meinungsbildes. Denn die Angst vor mehr Zuwanderern hat zum einen seit 2019 nicht zugenommen und liegt zum anderen lediglich auf Platz 13 der angstmachenden Faktoren. Nach der Angst vor Krieg folgt die Sorge um die wirtschaftliche Lage, steigende Armut, soziale Ungerechtigkeit, wachsende Feindseligkeit zwischen den Menschen, sowie die Angst vor Umweltverschmutzung und Klimawandel. Die Angst vor Arbeitslosigkeit und der Möglichkeit, keine Ausbildung zu finden, haben einen historischen Tiefpunkt erreicht.