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Überraschender Erfolg: Wie Weltreporterin Theresa Breuer die „Luftbrücke Kabul“ organisiert hat.
„Wir lassen Euch nicht im Stich“ – Weltreporterin Theresa Breuer und die „Luftbrücke Kabul“
Surreale Erlebnisse, überraschender Erfolg: Wie Weltreporterin Theresa Breuer die „Luftbrücke Kabul“ organisiert hat.
Theresa Breuer hat das Aktionsbündnis „Kabul Luftbrücke“ mit initiiert. Vor und nach dem Einmarsch der Taliban in Kabul hat sie mit Freunden tagelang dafür gekämpft, dass besonders gefährdete Menschen das Land noch verlassen können. Das riskante Unternehmen gelang, „Kabul Luftbrücke“ konnte 189 Menschen an den umlagerten Flughafen bringen, sie wurden dann von der US-Luftwaffe ausgeflogen. Die Bundeswehr war da längst abgezogen. Im Gespräch mit Bettina Rühl erzählt Theresa Breuer von Tagen größter Anspannung, surrealen Situationen und einem überraschenden Erfolg.
Du warst eine der letzten Journalistïnnen in Kabul, während buchstäblich die ganze Welt auf diese Stadt guckte. Du hättest jede Menge Geld verdienen können, aber Du hast Dich dafür entschieden, nicht zu berichten, sondern alles dafür zu tun, noch möglichst viele Menschen außer Landes zu bringen. War das eine schwierige Entscheidung?
Überhaupt nicht. Es hat sich ganz natürlich entwickelt. Ich hatte mit meinem Übersetzer und einigen jungen Frauen gesprochen, die ich zwei Jahre lang für einen Film über afghanische Bergsteigerinnen begleitet habe. Die Taliban waren zu diesem Zeitpunkt noch nicht in Kabul, aber trotzdem war klar: Die Lage wird gerade richtig eng. Also habe ich mich mit zwei Freunden hingesetzt, und wir haben gesagt: „Wir müssen diese Leute eigentlich außer Landes bringen, und zwar so schnell und so unbürokratisch wie möglich.“
Schon da war ja klar, dass das nicht einfach würde. Welcher Weg schwebte Euch vor?
Wir haben uns mit einem Broker in Verbindung gesetzt, um eine kleine Maschine zu chartern. Wir wollten die Leute nach Deutschland bringen. Es ging erst einmal nur um zwölf Personen, also quasi meine engsten „Angehörigen“ in Afghanistan. In der Nacht, in der wir das besprachen, marschierten die Taliban in Kabul ein (am 15. August 2021, d.Red.).
Wer sind „Deine engsten Angehörigen“?
Meine besten Freunde vor Ort, also die Gruppe von jungen Bergsteigerinnen, die ich zwei Jahre lang für einen Dokumentarfilm begleitet habe, und mein Übersetzer samt seiner Familie. Der Freund, mit dem ich mich für die Rettungsaktion zusammengetan habe, hat dann noch einen ehemaligen Bundeswehr-Übersetzer und dessen Familie auf unsere Liste gesetzt. Das waren dann zwölf Leute, und wir haben wir gesagt: „Mit denen fangen wir erst einmal an.“
Das wurden aber ziemlich schnell mehr.
Ja, mehr und mehr Leute haben uns Namen genannt von Menschen, die unmittelbar gefährdet waren. Wir hatten ja mit vielen Medienorganisationen Kontakt, die ihre Mitarbeiterïnnen vor Ort auch rausbringen wollten. Auch eine deutsche Freundin hat sich an mich gewandt, sie hatte in Afghanistan noch als Doktorandin zum Thema Sufismus geforscht und sagte: „So viele meiner Kollegen von der Universität haben niemals eine Chance, auf eine Liste vom Auswärtigen Amt zu kommen. Sie müssen aber raus, weil sie zu einer religiösen Richtung forschen, die von den Taliban überhaupt nicht anerkannt wird.“
Tausende von Menschen wollten und wollen das Land verlassen. War es schwer, eine Auswahl zu treffen und zu entscheiden: Für die und die setzen wir uns ein, den anderen können wir nicht helfen?
Es gab gar nicht so sehr den Zwang, eine Auswahl zu treffen, weil es einfach eine Frage der Zeit war. Wir haben diejenigen zuerst auf die Liste gesetzt, von denen wir zuerst die nötigen Angaben und Dokumente hatten: Passnummer, Kopie des Passes und so weiter. Jetzt kriegen wir immer mehr Namen genannt von Menschen, die auch gerettet werden sollen. Wir arbeiten das von oben nach unten ab. Aber damit bin ich im Moment noch nicht befasst, darum kümmern sich meine Kollegïnnen in Berlin.
In Kabul, vor allem am Flughafen, herrschte eine absolute Ausnahmesituation. Trotzdem kann man ja nicht einfach so Menschen ausfliegen und nach Deutschland bringen.
Wir haben schnell gemerkt, dass wir unsere Aktion ein bisschen professioneller aufziehen müssen. Wir haben uns überlegt, was wir alles an Daten brauchen, sind mit dem Auswärtigen Amt in Kontakt getreten und haben gesagt: „Wir wollen eine Passagiermaschine chartern und wir wollen die und die Leute rausbringen. Segnet uns bitte diese Liste ab.“ Das hat das Auswärtige Amt dann auch getan. Alles immer mit einer gewissen Verzögerung, was teilweise für uns verständlich war, aber in anderen Teilen nicht. So ist das Ganze entstanden.
Euer erster Evakuierungsversuch mit der gecharterten Maschine ist ja gescheitert. Was war das Problem?
Wir haben diesen zwölf Leuten (am 15. August) gesagt: „Ihr müsst jetzt an den Flughafen. Ihr müsst jetzt da raus.“ Da war der Flughafen schon verwaist, die Schalter waren verlassen: Die Menschen, die am Flughafen gearbeitet haben, die Leute, die für Passkontrollen zuständig waren, die Leute, die für Sicherheitskontrollen zuständig waren – alle waren weg. Und die Menschen haben diesen Flughafen praktisch überrannt. Die Amerikaner haben deshalb die Anordnung herausgegeben, dass nur noch militärische Maschinen landen dürfen. Deshalb kam unsere Maschine nicht mehr an, was letztlich gut war: Sie wäre morgens um sechs Uhr gelandet, und das war genau der Moment, an dem die Menschenmassen diesen Flughafen gestürmt haben, sich an Maschinen drangehängt haben, in dem verzweifelten Versuch, aus Kabul noch rauszukommen. Unsere Maschine wäre da niemals wieder losgekommen, es wäre eine Katastrophe gewesen.
Wie gefährlich war die Lage für die Menschen, die ihr ausfliegen wolltet? Hatten sie schon konkrete Drohungen erhalten?
Die Bergsteigerinnen waren noch nicht konkret bedroht worden, aber es war klar, dass sie sehr gefährdet waren: weil sie sehr exponiert waren, Frauen waren, und eben auch noch Angehörige der ethnischen Minderheit Hazara. Wir hatten in unserem Konvoi aber auch Menschen, die tatsächlich schon bedroht worden waren. Zum Beispiel eine junge Künstlerin, die kurz geschorene Haare hat, sehr cool aussieht, schon viele Ausstellungen mit Ausländern gemacht hat. Und eine der Familien hatte sich eine Woche lang in einem Keller versteckt, bis sie in unserem Konvoi war. Es gab Leute, die aus Schutzhäusern raus mussten, weil klar war: Die Taliban werden in den nächsten Stunden in diese Schutzhäuser reingehen und gucken, wer da so ist. Die Situation war also für viele schon sehr konkret sehr bedrohlich.
Ich könnte mir vorstellen, dass der Druck der Verantwortung für diese Menschen schwer auszuhalten war?
Ja. Die Frage: Was ist, wenn ich diesen Konvoi, den ich gerade zum Flughafen schicke, ungewollt geradewegs in den nächsten Taliban Checkpoint reinschicke? Wenn die Taliban an die Passagierliste kommen und sie als nächste Todesliste einsetzen? Die Leute nach Hause schicken und in den nächsten Tagen von Tür zu Tür gehen, mit den Daten, die sie haben? Ich habe in diesen Tagen kaum geschlafen. Ich habe kaum gegessen. Ich saß Kette rauchend auf einer Militärbasis und habe 3000 Anrufe am Tag erledigt. Ich habe einfach versucht, mich nicht in einen emotionalen Modus zu begeben, weil ich Angst hatte, dann würde ich zusammenbrechen. Ich war schon genug damit beschäftigt, mit der Todesangst der Afghanen umzugehen, immer wieder zu sagen: „Ruhig bleiben! Wir versuchen es nochmal, wir fahren jetzt nochmal an den Flughafen, wir tun alles, was wir können.“ Immer wieder die Versicherung mitzugeben: „Wir lassen euch nicht im Stich.“
Wo warst Du in dieser Zeit genau, und wie hast Du das ausgehalten?
Ich war am Flughafen und dort ständig mit dem Militärpersonal in Kontakt. Sowohl mit den Briten, als auch mit den Amerikanern und den Deutschen. Mein Freund Jordan B. hat in der Stadt den Konvoi gemanagt. In der Nacht, in der wir erstmal gescheitert sind, haben die Taliban angefangen, Jordan zu schlagen. Die Leute im Bus waren da schon fast 48 Stunden in der Stadt unterwegs und wir natürlich dementsprechend lange wach. Ich war am Flughafengelände so nah an den vielen Menschen, die draußen warteten. Aber trotzdem kamen diese zwei Welten nicht zusammen. Du denkst, du machst alles Menschenmögliche, und trotzdem reicht es nicht – das war eine enorme Frustration. Das war aber auch immer ein Antrieb, weiterzumachen. Ich bin ganz gut darin, eine Mauer zu ziehen und Dinge nicht an mich ran zu lassen, weil ich sonst eben in solchen Situationen nicht funktionieren kann. Wenn ich nach dem fünften frustrierenden Anruf oder nachdem wieder der General nicht mit mir über den Konvoi gesprochen hat – wenn ich mich dann hingesetzt hätte und anfangen hätte zu weinen, dann hätte nichts mehr funktioniert. Es war einfach: 24 Stunden am Tag funktionieren.
Wie habt ihr es dann doch noch geschafft, sogar viel mehr Menschen als ursprünglich geplant außer Landes zu bringen?
Nach vielen Optionen, die wir ausgelotet haben, haben wir einen Konvoi von fünf Bussen zum Südtor des Flughafens geschickt. Wir hatten das mit den Amerikanern abgestimmt und wussten, dass unser Konvoi ein kleines Zeitfenster hat, in dem er auf das Flughafengelände fahren kann: Um 18 Uhr musste er durch das südliche Tor fahren. Sieben oder acht Konvois sollten an diesem Tag dort durchkommen. Am Ende hat es einer geschafft. Als unserer endlich dort ankam, war es schon Mitternacht, weil sich wieder alles verschoben hatte.
Warum war es so schwierig, einen Konvoi durch die Stadt und auf das Flughafengelände zu kriegen?
Man scheitert immer wieder daran, dass die Taliban einen nicht durchlassen. Die Amerikaner mussten zuerst die Daten der Passagiere des Konvois an die Taliban schicken. Die haben sich diese Passagierliste dann angeguckt und den Konvoi daraufhin überprüft, ob alle Angaben stimmen: Die Anzahl der Leute, die genauen Daten und so weiter. Aber unterwegs haben natürlich ständig Menschen versucht, noch in die Busse einzusteigen. Sie haben versucht, die Scheiben einzuschlagen oder sich im Gepäckfach zu verstecken, um irgendwie mit auf diesen Flughafen zu kommen. Es ist einfach ein absoluter logistischer Irrsinn.
Konnten die US-Amerikaner Euch nicht unterstützten?
Manchmal kamen US-Militärs oder einen ihrer Übersetzer aus dem Flughafen und haben versucht, ein paar Dinge mit den Taliban zu klären. Aber es war nicht so, dass die Amerikaner bewaffnet vor die Flughafentore gegangen wären und zu den Taliban gesagt hätten: „So Leute, und jetzt reicht’s mal. Der Konvoi steht auf der Liste, wir haben das mit euch abgesprochen, jetzt lasst ihr den mal rein“ – so funktionierte das nicht. Wenn die Taliban keine Lust haben, haben sie keine Lust.
Wieso habt ihr es schließlich doch noch geschafft?
Eigentlich dachten wir selbst schon, wir wären gescheitert. Wir haben die Leute nach Hause geschickt und hatten bereits ein entsprechendes Statement vorbereitet. Dann sind ganz viele seltsame Dinge passiert, von denen ich nicht weiß, ob jemand von uns die noch konkret nachvollziehen kann. Da war zum einen unser Busunternehmer, der sich ja eine goldene Nase verdient hat an diesem Konvoi – er hat pro Bus 5.000 Dollar am Tag verlangt, ein Glücksritter in Kriegszeiten, so einer ist das. Der hat uns dann jedenfalls angerufen und gesagt, er habe jetzt mal mit einem Bataillon der Taliban gesprochen, die würden unseren Konvoi zum Flughafen eskortieren. Ich habe keine Ahnung, was er mit denen für einen Deal gemacht hat, bestimmt auch einen finanziellen.
Aber ihr brauchtet ja auch die US-Amerikaner.
Auch auf amerikanischer Seite muss etwas passiert sein: Ich bin nachts noch angerufen worden aus Tampa in Florida, von jemandem im Central Command des US-Militärs, der über unseren Konvoi Bescheid wusste – die müssen wohl irgendwie von einem Senator aus den USA kontaktiert worden sein. Mein Eindruck ist, dass es am Ende eine Anweisung von ziemlich weit oben gab, unseren Konvoi durchzulassen. Und deshalb haben die Amerikaner, die am Flughafen die Tore bewachten, zu uns gesagt:„Schickt die Leute nochmal los, wir versuchen es nochmal.“
Ihr wart also auf das Wohlwollen der Taliban und der US-Amerikaner angewiesen?
Genau. Und das hat halt in diesem einen Moment funktioniert. Die Briten hatten mich zu diesem Zeitpunkt schon evakuiert. Ich bin mit der letzten Militärmaschine, die Zivilisten transportiert hat, ausgeflogen und war in Dubai. Ich ging davon aus, dass unsere Mission gescheitert ist. Das war so ziemlich der schlimmste Moment. Ich bin in diese Maschine eingestiegen und sah die letzten afghanischen Familien, die von den Briten ausgeflogen wurden. Ich konnte sie nicht anschauen, weil ich wusste: Wir haben unsere Familien nicht rausgebracht.
Aber das war ja doch noch nicht das Ende.
Ich bin dann in Dubai gelandet und hatte 10.000 Anrufe aus Berlin auf der Mailbox, in denen es hieß: „Wir versuchen es jetzt nochmal.“ Ich habe dann live diese Mission verfolgt. Ich hatte Jordan am Telefon, habe die Verhandlungen gehört, und gleichzeitig stand ich mit allen Personen in Kontakt, die in dem Konvoi waren. Nach und nach bekam ich die Nachrichten: „Ich bin jetzt drin, ich bin jetzt drin.“ Ich war mit einem britischen Sicherheitsexperten unterwegs, Rob Gray. Wir sind uns in die Arme gefallen, haben uns heimlich in die Raucher Lounge geschlichen, haben eine Zigarre geraucht und sind anschließend vor Freude durchs Flughafengebäude getanzt.
Du hattest mit den Taliban, den Briten, den Amerikanern und den Deutschen zu tun – mit wem war der Umgang für Euch am schwierigsten?
Mit den Deutschen, und zwar mit Abstand. Erstens sind die Deutschen so früh abgereist. Ich war unfassbar wütend, als ich die Rede von Annegret Kramp-Karrenbauer gesehen habe, in der sie meinte: „Wir haben alles bis zum letzten Moment getan.“ Und neben mir waren Schlangen von afghanischen Familien, die von den Briten abgefertigt wurden, und auch wirklich nett und freundlich behandelt wurden. Zwischendurch hieß es, die Taliban griffen den Flughafen an. Die Briten haben uns in einem Bereich in Sicherheit gebracht, haben ihre Waffen entsichert, haben irgendwie die Umgebung gesichert und haben eine Stunde später mit den Evakuierungen weiter gemacht. Als die Deutschen abzogen, war also noch lange nicht alles getan oder nichts mehr möglich. Eine halbe Stunde, bevor sie komplett abgezogen sind, musste ich sie regelrecht anbetteln, unsere Passagierliste doch bitte den Amerikanern weiterzuleiten. Wenn sie das nicht getan hätten, wäre niemand von unseren Leuten aus dem Land gekommen.
Bei zwei Anschlägen vor dem Flughafen wurden am Freitag (26. August) mindestens 60 Afghanïnnen getötet, und 13 US-Soldaten. Die Lage galt die ganze Zeit schon als sehr angespannt und gefährlich. Hattest Du Angst?
Nein, ganz einfach, weil dieser Flughafen eine solche Festung war. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass eine große Gruppe von bewaffneten Kämpfern in diesen Flughafen kommen könnte, ohne sofort von Spezialeinheiten liquidiert zu werden.
Wie war die Stimmung innerhalb des Flughafens?
Unheimlich. In einer Nacht war ich auf der Suche nach einem geheimen Eingang, von dem ich wusste, dass er existiert. Ich nahm an, dass er am anderen Ende des Flughafens ist und bin nachts dorthin gegangen. Da war schon sehr viel verlassen und verwaist. Dieser leere Flughafen hatte etwas Postapokalyptisches: die zerstörten Militärfahrzeuge und die Kleider von Menschen, die ihr Gepäck zurücklassen mussten. Die Leute waren mit wahnsinnig viel Gepäck gekommen, aber die Militärs hatten ihnen dann gesagt: Jeder darf nur ein kleines Stück Handgepäck mitnehmen. Oder die Soldaten, die sich irgendwelche Fahrräder auf dem Flughafen schnappten und damit durch die Gegend fuhren. Es war einfach – ich weiß nicht – wie in Mad Max oder The Walking Dead. Das war auch das Gefühl, das ich die ganze Zeit mir herumgetragen habe: Wenn wir jetzt diese Leute nicht herausholen, dann tut sich hier ein Abgrund auf, und das war’s.
Was empfindest Du, wenn Du an diese Tage zurückdenkst?
Ich habe eine extreme Wut verspürt, und die spüre ich auch immer noch über die Art und Weise, wie das Land am Ende von den internationalen Truppen, von der NATO verlassen wurde. Einfach so abzuhauen, nachdem man selbst so viel vergeigt hat, ohne sich vorher zu überlegen: Wie kriegen wir all die Leute raus, die uns in den letzten Jahren unterstützt haben – das geht einfach nicht. Da muss man sagen: Wir bringen jetzt erst einmal die Leute außer Landes, denen unter den Taliban Gefahr für Leib und Leben droht. Und dann können wir immer noch abziehen, weil wir nach 20 Jahren immer noch nicht verstanden haben, wie wir dieses Land zur Ruhe bringen sollen.
Was kommt für Dich als nächstes?
Das Ganze hat etwas Surreales, weil es mit Abstand das Größte ist, wovon ich je ein Teil war. Ich war bisher eher jemand, der unter dem Radar bleibt. Ich habe meine Geschichten gemacht, darunter auch viele, die mir ein Herzensanliegen waren. Bei vielen habe ich mich auch persönlich eingesetzt, aber im engeren Sinne etwas Aktivistisches habe ich noch nie gemacht. Und in der Öffentlichkeit war ich auch nie präsent. So ganz kann ich es einfach noch nicht fassen.
Du wirst also nicht einfach zur Tagesordnung und Deinen „normalen“ Geschichten übergehen?
Ich glaube, die Arbeit für die „Kabul Luftbrücke“ wird noch eine ganze Zeit lang weitergehen. Es kommt auch ein bisschen darauf an, wie die Bestrebungen der Bundesregierung sind, jetzt weitere Evakuierungsmaßnahmen in Gang zu setzen. Und darauf, wie das mit den Taliban weitergeht. Ich sehe da gerade meine größte Verantwortung, weil ich die entsprechenden Kontakte habe und wir dank der „Kabul Luftbrücke“ auch die finanziellen Möglichkeiten haben, weitere Menschen zu evakuieren. Das wird also wahrscheinlich in den nächsten Wochen das Projekt sein, an dem ich arbeite. Dazu kommt dann noch, den Leuten, die in Deutschland angekommen sind, bei der Ankunft zu helfen.