„Make T-Shirts, not war“ in Haiti: Wie eine Textilfabrik eine arme Grenzregion verändert

Textil-Sweatshops haben einen schlechten Ruf. Für eine haitianische Grenzstadt sind sie ein Rettungsanker – auch, weil die Betreiber der Freihandelszone in sozialen Frieden investieren.

vom Recherche-Kollektiv Südamerika+Reporterinnen:
8 Minuten
Eine junge Frau fädelt einen Faden in ein Nadelöhr an einer Nähmaschine.

Eine Fertigungsfabrik mitten auf dem Grenzstreifen zwischen Haiti und der Dominikanischen Republik? Als die dominikanischen Textilunternehmer Fernando Capellán und Joseph Blumberg vor rund 20 Jahren Politikern und Investoren ihre Unternehmensidee vorschlugen, ernteten sie von allen Seiten skeptische Blicke. Heute ist ihre Idee ein Erfolgsmodell.

„Hier sind wir in der Dominikanischen Republik“, sagt Joseph Blumberg, als er seinen SUV vor einem weißen Strich auf dem Asphalt abbremst. „Und hier in Haiti“, fügt er hinzu, als er im Schritttempo darüber fährt. Links wie rechts des symbolischen Streifens sieht es ähnlich aus: ein weitläufiger gepflegter Park mit schattigen Bäumen und Bänken, moderne Bürogebäude, Fertigungshallen für Textilien. Ein privater Sicherheitsdienst sorgt dezent, aber allgegenwärtig für Ordnung.

Denn der Industriepark Codevi liegt dies- und jenseits der Grenze beider Länder, die eine historisch schwierige Beziehung pflegen. Durchschnitten wird die Freihandelszone vom Massacre-Fluss. Er ist benannt nach einem grausamen, rassistischen Massaker, das 1937 der dominikanischen Diktator Leonidas Trujillo anordnete. Rund 10.000 haitianische Einwanderïnnen wurden erschlagen, ihre Leichen in den Fluss geworfen. Danach blieben die Grenzübergänge jahrzehntelang geschlossen. Heute kommen die haitianischen Arbeiterïnnen über eine von Codevi gebaute Brücke über den Fluss zur Arbeit.

Ein Fluss, in dem Frauen Wäsche waschen, im Hintergrund eine BrÜcke.
Blick auf den Grenzfluss Massacre zwischen Haiti und der Dominikanischen Republik. Im Hintergrund die Brücke zu Codevi.

Wettbewerbsvorteil gegen chinesische Dumpinglöhne

Die Fabrik war ein starkes Symbol der Aussöhnung. Doch Capellán und Blumberg hatten vor allem geschäftliche Gründe: Ihre Textilfirma Grupo M stand zur Jahrtausendwende unter Globalisierungsdruck. China war gerade der Welthandelsorganisation beigetreten, und mit den asiatischen Niedriglohn-Arbeiterïnnen konnte ihre Fertigung in der Dominikanischen Republik nicht mithalten, wie die Geografin Marion Werner von der Universität in Buffalo anmerkt. Sie ist Expertin für Freihandelszonen in der Karibik.

Das damals ausgehandelte und 2006 unterzeichnete Hope-Abkommen, das haitianischen Textilien zollfreie Einfuhr in die USA gewährte, bot den Unternehmern eine neue Chance. Der anvisierte Bauort war zudem für den schwindelerregenden Fertigungsrhythmus der Modebranche ideal: Vom Seehafen Manzanillo, der nur eine halbe Stunde entfernt ist, gelangt die Ware innerhalb von zwei Tagen in die USA.

Eine Frau balanciert einen Eimer auf dem Kopf, dahinter eine geöffnete, stacheldrahtbewehrte Stahltür undMenschengetümmel
Andrang auf der Grenzbrücke zwischen Haiti und der Dominikanischen Republik in Dajabon - Ouanaminthe.
Zwei junge Männer auf einem Motorrad, dahinter hunderte aufgereihter, parkender Mopeds.
Der Motorradparkplatz auf dem Gelände der Freihandelszone Codevi in Haiti.
Joseph Blumberg zeigt auf ein Drohnenfoto der Fabrik.
Codevi-Mitbegründer Joseph Blumberg vor einem Drohnenfoto der Anlage in Haiti.
Ein Musiklehrer spielt Gitarre und Kleinkinder hören ihm zu.
In der Kinderkrippe von Codevi in Haiti.
Porträt von Frandzie Tide.
Gewerkschaftsführer Frandzie Tide in der Mittagspause im Industriepark Codevi in Haiti.
Junge Leute schlendern durch einen schattingen Park.
Arbeiterïnnen in der MIttagspause im Industriepark Codevi in Haiti
Grenzschützer in hellen Uniformen überwachen die haitianischen Tagesmigranten, die im Gänsemarsch über die Grenzbrücke kommen.
Dominikanische Grenzschützerïnnen kontrollieren den Grenzübergang zwischen Dajabón und Ouanaminthe.
Ein Grenzschützer in heller Uniform auf einem Motorrad und ein stehender Grenzschützer an einer etwa 1 Meter hohen Grenzmauer aus Beton
Zwei dominikanische Grenzschützer an der frisch errichteten Grenzmauer.
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