„Wir sollten uns fragen, ob wir weiterhin so egoistisch sein wollen, wie wir es jetzt sind“

Ende 2017 gab der am 8. Juni 2024 verstorbene Umweltpolitiker Klaus Töpfer ein ausführliches Interview über sein Leben, seine Motivation und seine Ziele: Ein Einblick in sein Denken und Aussagen, die aktueller kaum sein könnten

von , Max Rauner
13 Minuten
Töpfer im Portrait mit intensivem Blick.

Er war in der deutschen und globalen Umweltpolitik eine Größe. Am 8. Juni 2024 ist Klaus Töpfer im Alter von 85 Jahre verstorben. Ende 2017 hat der frühere Bundesumweltminister und Chef des UN-Umweltprogramms Max Rauner und Christian Schwägerl für das ZEIT-Magazin Wissen ein ausführliches Interview über sein Leben, seine Arbeit und seine Ziele gegeben. Töpfer stand damals kurz vor seinem 80. Geburtstag, hatte aber noch viel zu tun – und viel vor. Seine Einschätzungen von damals – etwa zur Atomenergie und zum Aus für den Verbrennungsmotor – bleiben vor allem auch für die Diskussionen in seiner Partei, der CDU, sehr aktuell.

Was lesen Sie gerade, Herr Töpfer?

Das ist mein Terminkalender. Ich nutze noch einen aus Papier.

Und das andere Buch?

Es handelt sich um Vorträge von Wolf Lepenies, dem langjährigen Rektor des Wissenschaftskollegs in Berlin und hoch angesehenen Soziologen. Er ist Jahrgang 1941, ich Jahrgang 1938 – also die gleiche Alterskohorte. Er nennt diese Altersgruppe sehr schön die „Generation des klugen Timings“: Sie sei rechtzeitig zu spät gekommen und werde rechtzeitig wieder gehen.

Was bedeutet das?

Am Ende des Zweiten Weltkriegs wurde meine Familie aus Schlesien vertrieben. Das war eine ziemlich harte Zeit. Danach ist meine Generation durch eine hierzulande friedliche, wirtschaftlich prosperierende Epoche gegangen, hat sie gestaltet. Es ist eine bittere Analyse, wenn Lepenies darauf hinweist, dass unsere Generation diese gute Zeit offenbar nicht genutzt hat, um auch kommende Krisen für die nächsten Generationen, etwa die Klimakatastrophe, etwas unwahrscheinlicher werden zu lassen.

Nächstes Jahr werden Sie 80. Aber Sie leiten eine Arbeitsgruppe zur Endlagersuche, sind im Gespräch für eine Zukunftskommission Saubere Mobilität und halten einen Vortrag nach dem anderen. Sie sind Deutschlands grünes Gewissen …

… oder schlechtes Gewissen.

Erinnern Sie sich noch an Ihren ersten Arbeitstag beim „Arbeitgeber Natur“, von dem Sie einmal sprachen?

1978 hatte ich eine Professur für Raumforschung in Hannover angetreten, mit meiner Familie war ich nach Bad Münder umgezogen, wir hatten ein Haus gekauft, und das dritte Kind wurde geboren. Ich dachte an vieles andere, nur nicht daran, umweltpolitisch tätig zu werden. Aber in Rheinland-Pfalz hatte der Ministerpräsident Bernhard Vogel entschieden, den Posten eines Staatssekretärs für Umwelt zu schaffen. Zwei oder drei Leute hatten dieses Angebot abgelehnt, als ich danach den Anruf des Sozialministers bekam. Dass ich mich mit meiner Entscheidung dafür in besonderer Weise der Schöpfung zuwende – ich sage bewusst „Schöpfung“, nicht „Ökonomisierung der Natur“ –, das konnte ich mir schon ganz gut vorstellen.

Und dann saßen Sie in einem Ministerium in Mainz und dachten sich: Jetzt muss ich die Welt retten?

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