Im Schatten der kolonialen Vergangenheit

Was haben Frankreich und Deutschland gemein? Beide Länder romantisieren, stigmatisieren und parodieren die karibische Kultur. Und machen damit gutes Geld.

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Eine Frau hält in einer Hand ein Mikrofon, in der anderen eine Muschel.

Südsee-Schönheiten, Traumstrände und Rum: Die meisten verbinden mit der Karibik ein romantisiertes und für europäische Augen exotisches Insel-Idyll. Dabei haben die Inseln zwischen Atlantik und Karibisches Meer viel mehr zu bieten.

In den Feuilletons führender Medien werden hitzige Debatten über Raubkunst in europäischen Museen geführt und Politikerïnnen gestehen immer häufiger ein, dass koloniale Herrschaft mit schweren Verbrechen einherging. Die westlichen Gesellschaften scheinen langsam eine höhere Sensibilität zu entwickeln, wenn es um Diskriminierung und gerade auch um Rassismus geht. Bedeutet diese vermeintliche „wokeness“ aber auch, dass wir bereits einen aufgeklärten Umgang mit unserer Geschichte pflegen?

Kolonialismus bis heute

Im 15. Jahrhundert landeten zunächst spanische, später auch französische, britische, portugiesische und niederländische Expeditionsflotten auf der Suche nach Indien in der Karibik. Die Antillen stellten sich als profitables Land heraus und die Kolonialmächte entwickelten den „transatlantischen Dreieckshandel“: In den karibischen Kolonien bauten sie unter anderem Tabak, Baumwolle und Zucker an und brachten die Produkte nach Europa. Europäische Waren tauschten sie in Afrika gegen Menschen, die sie als Sklavïnnen für Plantagenarbeit in die Kolonien verschleppten. Die indigenen Völker, die bereits vor der Ankunft der Europäerïnnen die Antillen bewohnten, wurden fast komplett ausgerottet oder ebenfalls versklavt. Von diesen präkolonialen Kulturen ist heute kaum noch etwas übrig. Aus dem Sprach- und Kulturkontakt zwischen Europäerinnen, Indigenen und Afrikanerïnnen entwickelten sich Subkulturen und Mischsprachen, das Kreolische. Da die kreolische Kultur der Antillen einen Teil der afrikanischen Diaspora darstellt, spricht man heute auch von „afro-karibisch“.

Doch anders als etwa Spanien oder Deutschland hat Frankreich bedeutende Teile der früheren Kolonien als sogenannte Übersee-Departements und Gebietskörperschaften behalten: insgesamt 13 Regionen oder Inselkomplexe, die über den gesamten Globus verteilt sind. Dazu gehören unter anderem die französischen Antillen (Guadeloupe, Martinique, Saint-Barthélemy und Saint-Martin). Als französisches Staatsgebiet sind sie Teil der EU.

Die Reise in den Karibikurlaub gilt damit als Inlandsflug, die Amtssprache ist Französisch und der Gang zur Geldwechselstube erübrigt sich. Die sogenannten „métropolitains“, die Französinnen und Franzosen des europäischen Festlandes, wissen die Exotik zum Vorteilspreis zu schätzen (im Schnitt kostet ein Mittelstreckenflug in die französische Karibik 500 Euro), aber ob sie den kolonialen Hintergrund dieses Privilegs begreifen, bleibt offen. Was sich aber klar abzeichnet: Rassistische Klischees und Machtgefälle werden reproduziert.

Schwarz-weiß-Portrait einer alten Frau. Sie trägt ein Kopftuch.
Mamanthé wurde am 24. September 1897 auf Martinique geboren – nur 50 Jahre nach der offiziellen Abschaffung der Sklaverei in den französischen Kolonien – und starb dort 2000. Sie war Mutter von 18 Kindern und hatte 78 Enkelkinder.
Menschen tanzen auf der Bühne
Tanzdarbietung im Rahmen von Kadans Caraib im Jahr 2019 in Marseille.
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