Peru: Sind Paranüsse die Rettung des Amazonas?

Perus Amazonas-Bauerïnnen sind glücklich, dass sie doppelt kassieren: Für die Nüsse und Boni aus CO₂-Zertifikaten. Doch abgeholzt wird weiter, und die Intransparenz der Vermittler ist verdächtig.

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Mit Erde beschmutzte Handfläche trägt eine Art Kokosnuss, deren oberer Teil abgeschnitten ist. Darin weissliche, daumendicke Samen, von einer harten Schale umgeben.

Er lässt sich nicht züchten, weil er ganz besondere Lichtbedingungen und die Umgebung anderer Pflanzen des Regenwaldes braucht. Der Paranuss-Baum. Man kann seine Frucht nicht pflücken, weil keine Leiter bis zur hohen Baumkrone reicht. Die kokosähnliche Frucht – bei uns als Paranuss bekannt, auf Englisch Brazil Nut, in Peru „castaña“ – ist so hart, dass nur die Nagetiere des Amazonas, die Agutis, mit ihren spitzen Zähnen ein Loch in die dicke Schale bohren und die Samen entnehmen können.

Dieser Königsbaum des amazonischen Regenwaldes überragt mit seinen 55 Metern die anderen Wipfel. Wer seine Frucht, die Paranuss, ernten will, muss warten, bis der Baum sie selbst hergibt und zu Boden fallen lässt. So begeben sich die Paranusssammlerïnnen von Madre de Dios jeden Dezember in den Wald, um die herabfallenden Früchte zu suchen. Mit Helm geschützt und einer vierzackigen Holzgabel heben sie sie auf, werfen sie in ihre Kiepe und spalten sie geschickt mit ihren Macheten. Jede Frucht beinhaltet mehrere Samenkapseln, die aufgeknackt, in großen Anlagen getrocknet und im In- und Ausland verkauft werden. Nicht zuletzt landen sie in so mancher Nussmischung im deutschen Supermarkt-Regal.

Blick von unten auf einen hohen, mit grünen Blättern belaubten Baum
Ein Paranussbaum wird über 55 Meter hoch, und braucht Licht, um zu wachsen. Oft wachsen Paranussbäume auf ehemaligen indigenen Siedlungen.

Es scheint, sie haben eine Lösung für eine der größten Herausforderungen unserer Zeit gefunden: Wie kann man im Amazonas-Regenwald Geld machen, ohne ihn gleichzeitig zu zerstören?

An die 1.200 Familien im peruanischen Madre de Dios leben von der Ernte der Paranüsse. Es scheint, sie haben eine Lösung für eine der größten Herausforderungen unserer Zeit gefunden: Wie kann man im Amazonas-Regenwald Geld machen, ohne ihn gleichzeitig zu zerstören? Denn wer die Paranussbäume schützt, bewahrt automatisch auch das sie umgebende Waldgebiet. Da Paranussbäume nicht in Plantagen wachsen, gerät auch niemand in Versuchung, andere Bäume zu fällen, um Paranüsse zu züchten. So die Theorie.

Modriger Waldboden, darauf eine Art Kokosnuss, die von einer Holzgabel mit vier Zacken hochgehoben wird.
Mit dieser vierzackigen Holzgabel heben die Sammler die heruntergefallenen Paranuss-Kapseln auf.

Wer soll das bezahlen?

Seit gut 20 Jahren wird auf den Weltklimakonferenzen an Finanzierungsmodellen herumgedoktert, die die Abholzung der Regenwälder aufhalten sollen. Herausgekommen ist das REDD-Modell (Reducing Emissions from Deforestation and Forest Degradation): Ausgleichszahlungen von Unternehmen, die CO₂ in die Luft jagen. Die von den Firmen im Norden geleisteten Ausgleichszahlungen fließen in Projekte in aller Welt, die CO₂ einsparen. In Bezug auf Waldschutz bedeutet dies konkret: Aufforstung oder Verhinderung von Entwaldung. Gehandelt werden die CO₂-Zertifikate auf dem freien Markt. Jeder kann ein Projekt entwickeln, es von einem anerkannten Zertifizierer abnehmen lassen und dann auf dem Kohlenstoffmarkt anbieten. Kaufen kann dieses Zertifikat jedes Unternehmen, das seinen CO₂-Ausstoß gesetzlich reduzieren muss oder sich freiwillig mit dem Siegel eines klimaneutralen Produktes schmücken will.

Den Regenwald schützen und den Klimawandel aufhalten – und gleichzeitig Geld machen: So dachte sich das auch der peruanische Forstunternehmer Jorge Cantuarias, als er 2009 als einer der ersten in Peru mit seiner Firma „Bosques Amazónicos“ (BAM) ein Projekt für den entstehenden CO₂-Emissionsmarkt entwickelte. Er brachte Paranussbauern in Madre de Dios zusammen, entwickelte ein Projekt, registrierte es beim weltweit größten Zertifizierer Verra und bot es auf dem freien Emissionsmarkt an: Wer CO₂-Zertifikate von Bosques Amazónicos kauft, unterstützt die Paranussbauern und schützt damit den Regenwald vor der drohenden Abholzung.

Die Frage ist: Funktioniert das? RiffReporter hat vor Ort recherchiert, was von diesem Projekt bei den Paranussbauern wirklich ankommt, und ob der Wald dadurch wirklich geschützt wird.

Gesicht einer schmalen, braunhäutigen Frau, mit weissen Haaren, ca. 60 Jahre alt. Sitzt an einem Tisch und gestikuliert mit den Händen während sie spricht.
Florencia Paredes besitzt eine Konzession zum Sammeln von Paranüssen und hat durch das CO₂-Kredite ein zusätzliches Einkommen.
Zwei Frauen stehen vor einem Plakat und blicken in die Kamera. Die Frau links ist grösser und kräftig, mit zu einem Pferdeschwanz zusammengebundenen Haaren. Die Frau links ist kleiner, schmächtiger und etwas älter.
Gertrudis Rossell (links) und Florencia Paredes (rechts) sind Paranussproduzentinnen in Madre de Dios und haben von den CO₂-Kompensationszahlungen profitiert.
Mann, ca. 60, braunhäutig, schwarze Haare, Brille, grünes Polo-T-Shirt, sitzt an Tisch und spricht
Francisco Grifa ist der Vorsitzende der Verbandes der Paranussproduzenten von Madre de Dios. Der Verband wurde mit dem Ziel gegründet, sich als Waldschützer und Nutzniesser am CO₂-Kredit-Projekt zu beteiligten.
Frau, graue Haare, weisshäutig, lila Hemd, lächelt in die Kamera.
Die Paranussproduzentin Rosa Chavez leitet die Produktionsgenossenschaft Ascart. Da ihre Konzession im staatlichen Naturschutzgebiet liegt, erhalten sie keine Kompensationszahlungen. Die CO₂-Zahlungen gehen an die Naturschutzbehörde.
Junge Frau mit nach hinten gekämmten Haaren bedient einen mechanischen Nussknacker und öffnet die Paranüsse.
Die Paranüsse werden von Arbeiterinnen im Akkord per Hand aufgeknackt.
Auf einem Bananenblatt, rechts eine offene Paranuss-Kapsel, mit inliegenden Samen. Links davon die geschälten und getrockneten Paranüsse, verzehrbereit.
Rechts die Paranuss-Samen in ihrer Kapsel, links geschält und getrocknet und damit für den Verzehr geeignet.
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