Post aus Barcelona: Darf ich als „guiri“ über die vielen Touristen schimpfen?

Jeden zweiten Mittwoch erzählen unsere Korrespondent*innen, was sie und die Menschen in ihrem Teil der Welt bewegt. Heute: Weltreporterin Julia Macher über die Proteste gegen den Massentourismus und ihre eigene Rolle dabei.

vom Recherche-Kollektiv Weltreporter:
4 Minuten
Die Illustration zeigt eine junge Frau, die auf einem Globus sitzt und auf ihrem Laptop schreibt.

Liebe Leserin, lieber Leser, In Spanien wird derzeit fast überall gegen die Auswirkungen des Massentourismus protestiert. Bei mir in Barcelona bespritzten Demonstrierende Anfang Juli Touristïnnen mit Wasserpistolen und skandierten vor Hotels balconing, balconing: Ein deutsches Magazin hat das – sehr frei – mit „In Balkonien ist es auch schön“ übersetzt. Tatsächlich ist „balconing“ das spanisch-englische Kunstwort für das Springen vom Hotelbalkon in den Pool. Das ist natürlich verboten, bei Partytouristen aber trotzdem oder gerade deshalb beliebt. Jedes Jahr kommt es dabei zu schweren, auch tödlichen Unfällen. Die wenigsten Urlauberïnnen haben wohl verstanden, dass sie von den Protestierenden dazu aufgefordert wurden, herunterzuspringen.

Ich war auch auf dieser Demo, in erster Linie als Reporterin, in zweiter als Bewohnerin der Stadt, in der ich seit fast zwanzig Jahren lebe. Die latente Aggressivität gegenüber den Touristen hat mich irritiert. Dabei verstehe ich den Frust und die Wut der Demonstrierenden gut.

Auf einer breiten Straße in Barcelona demonstrieren Menschen gegen die Auswirkungen des Massentourismus. Ein Demonstrant hält ein selbst gemaltes Schild vors Gesicht, auf dem steht „Balconing is fun“.
„‚Balconing‘ is fun“: Das ist als Demo-Slogan schon etwas zynisch - auch wenn den Begriff wohl kaum ein Tourist, kaum eine Touristin kennt.