Urlaub 2024 – Fernweh zwischen Overtourism, Klimakrise und Saisonarbeit

Reisen macht Spaß und erweitert, wenn’s gut läuft, den Horizont. Zugleich hat Urlaub reichlich Konfliktpotential. Ein Blick auf zwölf Länder auf vier Kontinenten.

vom Recherche-Kollektiv Weltreporter:
9 Minuten
Zahlreiche Touristen drängeln sich vor der weißen Sacré-Coeur-Kathedrale in Paris.

Er kann einem leid tun – Der „Urlaub 2024“ muss sich reichlich Vorwürfe und Fragen gefallen lassen: Er wird teurer und das Geld knapper. Während der Tourismussektor als Wirtschaftszweig wachsen will, fühlen sich immer mehr Bürgerïnnen von Touristenmassen und – vor allem in großen Städten – von Airbnbs verdrängt. Wo verläuft die Grenze zwischen Tourismus als nützliche Jobquelle und Overtourismus? Und sind Fernreisen angesichts der Klimakrise eigentlich noch zeitgemäß? In manchen Ländern hat sich die Branche vom Lockdown der Pandemie noch nicht erholt, andere Gegenden können sich vor Reisenden kaum retten. Wir berichten, wie in zwölf Ländern in Europa, Afrika, Australien und Asien Probleme gelöst oder behandelt werden.

Gassen voller Kreuzfahrerïnnen, keine neuen Airbnb in Paris

Dürnstein in Niederösterreich lassen sich viele Reiseveranstalter ungern entgehen: In der Region Wachau wird die Donau nicht von hässlichen Wasserkraftwerken gebremst, und der historische Weinort ist ein idealer Anlegeplatz für die Donau-Kreuzfahrtschiffe. Bis zu eine Million Touristïnnen durchstreifen jedes Jahr die malerischen Gassen, Plätze und Wanderwege rund um Dürnstein, berichtet Österreich-Weltreporter Alexander Musik. Die 90 Einwohnerïnnen der Altstadt sind nicht unbedingt immer glücklich darüber. Dürnsteins Dilemma ist klar: Wie soll der Ort die Besucherströme lenken, damit nicht sowohl Kreuzfahrttouristïnnen und Donau-Radwegradlerïnnen als auch Motorrad- und Autofahrerïnnen zur selben Zeit dieselben Wege nutzen – und versperren? Denn verscheuchen will man sie ja auch nicht, schließlich lebt der Ort vom Tourismus. Um die Belastung zu lindern, wurde eine Variante des Donauradwegs entwickelt, die nicht mehr durch die Altstadt führt, sondern am Treppelweg am Fluss entlang. Außerdem soll ein neues Leitsystem mit mehreren Themen-Routen, die kulturgeschichtliches Regionalwissen vermitteln, Touristenballungen vermeiden.

Etwas weiter südlich rühmt sich Frankreich, „das wichtigste Reiseziel der Welt“ zu sein. Allein Paris erwartet allein zu den Olympischen Spielen 16 Millionen Besucherïnnen. Frankreichs zweitbeliebteste Destination – den Mont Saint-Michel in der Normandie – wollten im vergangenen Jahr fast drei Millionen Besucherïnnen sehen. Dieser „surtourisme“ (zu deutsch: Übertourismus) wird in Frankreich heftig kritisiert. Trotzdem verkünden die Tourismusbehörden weiterhin stolz die Zuwachszahlen im Reisegeschäft. Vor allem in Paris verlassen unterdessen immer mehr Einheimische ihre Stadt, denn trotz massiver Wohnungsnot wird in großem Stil Wohnraum in Airbnbs verwandelt. Auch in dem Mehrfamilienhaus im Zentrum von Paris, in dem Weltreporterin Barbara Markert lebt, gehen mehr Touristïnnen ein und aus als „echte“ Nachbarïnnen. Doch wenigstens gibt es in ihrem Arrondissement ein paar Regeln: Seit 2023 ist es in ihrem Viertel verboten, Wohnraum in neue private Ferienunterkünfte zu verwandeln. Zudem sind in bereits bestehenden Quartieren pro Jahr maximal 120 Tage touristische Untervermietung erlaubt. Das hat die neuen Eigentümer des sechsten Stocks in Markerts Hinterhaus freilich wenig gestört. Sie haben ihr Penthouse sofort in ein Airbnb umgewandelt. Dafür müssen Sie allerdings mit bis zu 50.000 Euro Strafe rechnen.

Das niederösterreichische Örtchen Dürnstein liegt malerisch zwischen grünen Hügeln an der Donau.
Das niederösterreichische Örtchen Dürnstein an der Donau ist ein Touristen-Magnet.
Blick auf eine Reihe von dekorativen Grachtenhäusern in Amsterdam
Amsterdam ist Ziel von Touristïnnen jeder Art, es ist auch für Kneipentouren beliebt.

Bleib weg aus Amsterdam, Afrikas grenzenlose Parks

In Amsterdam dürfen keine Hotels mehr gebaut werden – das ist die jüngste Maßnahme der Stadt im Kampf gegen Overtourism. 20 Millionen Übernachtungen pro Jahr gelten als Obergrenze. Denn das „Venedig des Nordens“ leidet ähnlich wie die italienische Lagunenstadt unter den Massen an Touristïnnen. Besonders unbeliebt sind in der niederländischen Großstadt junge Männer aus Grossbritannien, die mit dem Billigflieger anrücken, um im Rotlichtbezirk zu saufen, zu kiffen und zu gaffen, schreibt Weltreporterin Kerstin Schweighöfer aus Den Haag. Mit einer Onlinekampagne versucht Amsterdam seit 2023, sich solche Gäste vom Leib zu halten, und das geht so: Sobald Begriffskombinationen wie „billiges Hotel Amsterdam“ oder „Kneipentour Amsterdam“ in die Suchmaschinen eingegeben werden, erscheint in dicken roten Lettern „Stay away“ auf den Bildschirmen der Suchenden. Eine weitere Anti-Kampagne: Im vergangenen Jahr wurde in einigen Stadtteilen bereits ein Kiffverbot eingeführt. Als nächstes soll die Zahl der Coffeeshops und auch die der Kreuzfahrtschiffe, die in Amsterdam anlegen, gedrosselt werden.

Die Länder im Süden Afrikas haben andere Sorgen. Sie mögen Besucher noch und setzen zunehmend auf Kooperation: beim Natur- sowie Artenschutz, aber auch im Tourismus. 1999 wurde im Grenzgebiet zwischen Südafrika, Botswana und Namibia der erste grenzüberschreitende Park eröffnet. Mittlerweile gibt es achtzehn dieser Transfrontier Conservation Areas (TFCA) in der Region. Mit über einer Million Quadratkilometern machen sie mehr als die Hälfte der unter Schutz gestellten Fläche im südlichen Afrika aus. Einige dieser Parks sind schon weit entwickelt, andere noch im Aufbau, so wie der Lebombo-TFCA, der Südafrika, Mosambik und Eswatini verbindet und erstmals auch Meeresschutzgebiete umfasst. Leonie March berichtet für Riffreporter und Weltreporter.net aus Südafrika. Sie hat in Lebombo recherchiert, wie die Kooperation zwischen den drei Ländern funktioniert und wie Einheimische dort vom Tourismus profitieren.

Selten sind auf den weltberühmten Rambles in Barcelona fast ausschließlich Einheimische unterwegs. Am Welttag des Buches im April war es ausnahmsweise der Fall.
Selten sind auf den weltberühmten Rambles in Barcelona fast ausschließlich Einheimische unterwegs. Am Welttag des Buches im April war es ausnahmsweise der Fall.
Der Lebombo-TFCA-Strand in Südafrika kurz vor Sonnenaufgang
Der Lebombo-TFCA-Strand in Südafrika kurz vor Sonnenaufgang
Leere Strandliegen an einem griechischen Strand, das Bild ist auf der Chalkidiki entstanden.
Noch sind die griechischen Strände vielerorts leer, wie hier Anfang Mai auf der Chalkidiki.
Eine Gruppe von Reisenden aus Potsdam in Babylon
Eine Gruppe von Reisenden aus Potsdam in Babylon
Ein Strand in Puerto Escondido in Mexiko, dank Autobahn ist die Region zum beliebten Reiseziel geworden.
Puerto Escondido in Mexiko ist dank Autobahn zum beliebten Reiseziel geworden.
Touristen vor den Mauern des Colosseums in Rom
Touristen vor dem Colosseum
Ein Blick auf die weißen Flügel von Sydneys Opernhaus am Hafen
Sydneys Opernhaus am Hafen -Australien hat sich noch nicht vom Besucherrückgang erholt.
Mustafa Yahyaoglu, Vorsitzender der Gewerkschaft Dev-Turizm, in der Altstadt von Antalya
Mustafa Yahyaoglu, Vorsitzender der Gewerkschaft Dev-Turizm, in der Altstadt von Antalya
Jugendliche im Skateboard-Park in Venice Beach. Die Anlage gehört zu den Attraktionen, die nach wie vor Touristen nach Kalifornien ziehen.
Der Skateboard-Park in Venice Beach gehört zu den Attraktionen, die nach wie vor Touristen nach Kalifornien ziehen.