Tunesiens neue Kinemathek will das arabisch-afrikanische Filmerbe erhalten

Der Umgang mit dem eigenen Kulturerbe zog sich als Thema durch das Programm der JCC, des ältesten Filmfestivals des Kontinents, das Anfang November in Tunis stattfand. Mit der Eröffnung des Filmarchivs der Kinemathek haben Regisseure der Region nun einen Platz, wo sie ihre Werke sicher lagern können.

vom Recherche-Kollektiv Afrika-Reporter:
7 Minuten
Filmrollen im Filmarchiv der Kinemathek Tunesiens.

Vor mehr als fünfzig Jahren wurden die Filmtage von Karthago (Journées Cinématographiques de Carthage, JCC) als explizit panafrikanisches Festival gegründet. Zwischenzeitlich hatte das älteste noch existierende Festival auf dem Kontinent seinen Blick vor allem auf die arabischen Länder gerichtet. Doch in den letzten Jahren riefen die Organisatoren bewusst wieder die afrikanische Ausrichtung der JCC in Erinnerung. Gleich drei Preise gingen beim diesjährigen Festival Anfang November an Filme aus dem Sudan – ein Land, das eine Brücke sein könnte zwischen den arabischen und afrikanischen Kinematographien.

Der Preis für den besten langen Dokumentarfilm ging an „Talking about trees“. Darin erzählt Regisseur Suhaib Gasmelbari die Geschichte von vier sudanesischen Regisseuren. Die Herren, allesamt Mitglieder der alten Garde des sudanesischen Kinos, versuchen, in Karthoum ein Kino wiederzueröffnen. Ein aussichtsloses Unterfangen, das Gasmelbari mit großer Sensibilität begleitet.

In einer Szene ruft ein Regisseur in Moskau an, wo er früher studiert hat. In gebrochenem Russisch macht er sich auf die Suche nach seinem Abschlussfilm, den er dort gedreht hat, und von dem er selbst keine Kopie mehr hat. Was in „Talking about trees“ ein Nebenschauplatz ist, ist in vielen Ländern der Region jedoch ein Thema, das die Filmemacher umtreibt:

Wo ist das Filmerbe abgeblieben?

Tunesien hat seit zwei Jahren eine eigene Kinemathek und anlässlich der JCC 2019 deren Archive eingeweiht. Erstmals können dort Filme zu solchen Bedingungen gelagert werden, dass sie auch über Jahrhunderte keinen Schaden nehmen. Ähnlich wie bei Gemälden sind dafür umfangreichen Maßnahmen notwendig, um zu garantieren, dass Temperatur und Luftfeuchtigkeit stabil sind. Auf zwei Etagen der tunesischen Nationalbibliothek lagern derzeit mehr als 4000 Filmrollen, die mehr als 1500 Filme umfassen. Dabei handelt es sich um Werke, die teilweise über Jahrzehnte nicht inventarisiert und unter schlechten Bedingungen in verschiedenen staatlichen Institutionen lagen. Platz ist in den neuen Räumlichkeiten jedoch für 26 000 Rollen. Und dort sollen nicht nur weitere tunesischen Filme Platz finden, die derzeit noch in Kellern des Kulturministeriums und einem ehemals staatlichen Filmlabor verrotten, sondern auch Filme von Regisseuren aus der ganzen Region.

Die tunesische Kinemathek, seit Anfang November 2019 auch stolzes Neumitglied des Internationalen Verbands der Filmarchive (FIAF), betont die Bedeutung der arabisch-afrikanischen Dimension für ihre Arbeit.

Sahbi Kraiem, Experte für Filmarchivierung, hat den Aufbau der Archive für die Kinemathek geleitet.

Sahbi Kraiem, Archivierungsexperte der tunesischen Kinemathek
In nur wenigen Wochen hat Sahbi Kraiem mit einem kleinen Team die ersten 1500 Filme des Archivs inventarisiert.
Hichem Ben Ammar, künstlerischer Leiter der tunesischen Kinemathek, im Archivsaal der Kinemathek in der tunesischen Nationalbibliothek in Tunis.
Hichem Ben Ammar, künstlerischer Leiter der tunesischen Kinemathek, hofft darauf, bald einen Teil der wiederentdeckten Filme dem Publikum zugänglich machen zu können.
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