Empörung über harte Urteile gegen tunesische Oppositionelle in der „Staatsstreichaffäre“

Anonyme Zeugen, Verstöße gegen die Strafprozessordnung, politisch motivierte Urteile: Nachdem ein Gericht in Tunis im größten Verfahren seit der Revolution fast vierzig Oppositionelle zu bis zu 66 Jahren Haft verurteilt hat, sparen Anwälte und Menschenrechtsorganisationen nicht mit Kritik. Die Urteile seien politisch motiviert und ein Versuch, abweichende Stimmen mundtot zu machen.

vom Recherche-Kollektiv Afrika-Reporter:
4 Minuten
Männer und Frauen stehen protestierend mit Bildern von anderen Menschen am Straßenrand und rufen Slogans

Ein kleines Grüppchen steht am Montag im Regen vor dem Gericht von Tunis, schreit seinen Frust in die Luft. „Freiheit statt Justiz auf Anordnung“ rufen sie lautstark. Gerade haben sie offiziell das Urteil in die Hand bekommen, nachdem ihre Angehörigen am Freitag quasi im Eilverfahren zu langjährigen Haftstrafen verurteilt wurden. Doch sie lassen sich nicht unterkriegen. „Alles in Ordnung, wirklich!“, sagt Monia Brahim mit einem freundlichen, ruhigen Lächeln. Ihr Mann Abdelhamid Jelassi, ein ehemaliger Parlamentsabgeordneter, sitzt bereits seit mehr als zwei Jahren in Untersuchungshaft. Elf weitere Jahre Gefängnis sollen es noch werden, so das Urteil der Richter. Brahim kennt das, sie hatte mit noch höheren Strafen gerechnet. Bereits unter dem ehemaligen Machthaber Zine El Abidine Ben Ali hatte ihr Mann sechzehn Jahre in Haft verbracht.

Als Anwalt Samir Dilou, einer des Anwaltskollektivs der Verurteilten, wenig später auf einer eilig einberufenen Pressekonferenz das Urteil vorliest, schütteln viele den Kopf. Immer wieder geht ein ungläubiges, bitteres Lachen durch den Saal. Dabei sind die Vorwürfe und die Strafen alles andere als komisch: Bildung einer terroristischen Vereinigung, Umsturzpläne gegen den Präsidenten, Angriff auf die innere und äußere Sicherheit des Landes sind nur einige. Dafür wurden 37 Personen zu vier bis 66 Jahren Haft verurteilt. Unter ihnen Anwälte, Oppositionspolitiker unterschiedlichster politischer Strömungen, Geschäftsleute und Medienschaffende. Dem einflussreiche Geschäftsmann Kamel Ltaief, der das höchste Strafmaß erhalten hat, wurde vorgeworfen, an der Spitze der Verschwörung zu stehen. Der Politikberater und Gründer eines Thinktanks, Khayam Turki, wurde zu 48 Jahren, der ehemalige Justizminister und Mitglied der konservativen Ennahdha-Partei Noureddine Bhiri zu 43 Jahren Haft verurteilt.

Zwei Männer in dunklen Jacken und mit Schiebermützen stehen am Straßenrand unter Bäumen. Sie scheinen zu scherzen. Links im Bild ist ein blaues, auf einer Kamera montiertes Mikrofon zu sehen. Sie werden gefilmt und schauen in die Kamera.
Für Anwalt Samir Dilou (r.) und Ezzedine Hazgui, Vater des inhaftierten Jawher Ben Mbareks, kam das Urteil alles andere als überraschend.
Sie haben Feedback? Schreiben Sie uns an info@riffreporter.de!