Ein Tag in den Welt-Metropolen mit 50 Euro – wie machen das die Einheimischen?
Das neue Buch der Weltreporter ist kein Schnäppchen-Guide. Es geht eher ums Authentische, den Charme des Alltäglichen, findet Herausgeber Christoph Drösser.
Lassen sich mit 50 Euro am Tag die Metropolen der Welt erleben? Das fragen sich 28 Weltreporterïnnen in ihrem neuen Buch und kommen zu dem Schluss: Ja, das geht – und sogar gut! Und sie verraten, wie. Herausgegeben hat „Mit 50 Euro um …“ Weltreporter Christoph Drösser in San Francisco. Im Interview erzählt er, warum das Buch kein Schnäppchenführer für Billigheimer ist.
Das neue Buch der Weltreporter erzählt, was man mit 50 Euro in 28 Metropolen erleben kann. Verrätst Du uns, wofür Du zuletzt 50 Euro bzw. US-Dollar ausgegeben hast?
Christoph Drösser:Oh, wahrscheinlich für ein paar Griffe für die Küchenschränke, weil ich grad hier renoviere.
…und die Leser und Leserinnen sollen damit gleich einen ganzen Tag lang Spaß haben?
Diese 50 Euro sind ja eigentlich nur ein Aufhänger. Es geht darum zu erzählen, dass man auch mit alltäglichen Dingen in den Städten, über die wir schreiben, einiges erleben kann. Jemand, der dort lebt, hat ja auch kein Budget, um ständig mehr als diesen Betrag auszugeben. Deshalb ist es kein Ratgeber für Billigheimer, die unbedingt jeden Pfennig sparen wollen, sondern ein Buch, das zeigt, was eigentlich Leute machen, die in diesen Städten tatsächlich leben, wenn sie sich mal einen schönen Tag gönnen wollen. Dazu gibt es Geheimtipps, wo man günstig was zu essen bekommt. Es geht um den Charme des Alltäglichen.
Du hast mehr als 20 Bücher geschrieben – darunter den Bestseller„100 Kinder“. Ein Reiseführer war, soweit ich weiß, bisher nicht dabei. Was hat Dich an der Idee gereizt?
Ja, das stimmt, ich hab' bisher überhaupt wenig Reiseartikel geschrieben. Aber der Verlag ist mit dem Vorschlag auf das Weltreporter-Netzwerk zugekommen. Und ich fand die Idee spannend, meine eigenen Weltreporter-Kollegïnnen ein bisschen besser kennenzulernen und zu erfahren, was sie in ihren Gegenden so treiben. Ich war selbst natürlich auch längst noch nicht in allen diesen Städten. Ich hatte bei dem Projekt zwei Jobs: einerseits über meine eigene Stadt San Francisco zu schreiben, dann die Artikel einzusammeln und zu bearbeiten. Das hat unheimlich viel Spaß gemacht: Immer wenn ein neuer Text im Postfach lag, war das wieder eine ganz andere Geschichte in einem unterschiedlichen Stil geschrieben. Eine wirklich schöne Erfahrung.
Bücher der Weltreporter handelten bisher vonUtopien, Flüchtlingen, Klimakämpfern, also eher politischen Themen. Warum eignen sich diese Korrespondentinnen und Korrespondenten, jetzt ein Buch zu schreiben, das auch einen ganz praktischen Nutzwert hat?
Das hängt damit zusammen, weshalb die Weltreporter überhaupt so wichtig sind: Einerseits leben sie wirklich in diesen Städten, die meisten von uns schon seit sehr vielen Jahren. Andererseits haben wir durch unsere Arbeit für deutsche Medien immer noch einen Draht zu Deutschland und wissen, was die Menschen dort umtreibt und bewegt. Wir machen diesen deutschen Schritt gedanklich immer mit. Das ist die Voraussetzung, um die Leserinnen und Leser sowohl mit den Augen eines Einheimischen als auch mit deutschem Blick durch die Städte lotsen.
Dein San-Francisco-Kapitel führt unter anderem in eine alte Posthalle mit Wandbildern des sozialistischen Realismus – so ziemlich das letzte, was ich in Kalifornien erwartet hätte. Was war für Dich überraschend beim Lesen der Rundgänge aus aller Welt?
Belgrad zum Beispiel – für jemanden aus meiner Generation war dieser Teil des Ostens lange verbunden mit tristem, grauen Sozialismus, Prag war auch so eine Überraschung. Diese Orte sind in den letzten 30 Jahren wieder zu unheimlich lebendigen Metropolen geworden, die sie ja früher auch waren waren. Und Belgrad als eine Art Schaltstelle zwischen Orient und Westeuropa hat natürlich diese Rolle wieder bekommen. Das hab ich unheimlich gerne gelesen. Das war für mich auch ein Anreiz, diese Gegenden mal zu bereisen.
Einer der (wenigen) Nachteile des Daseins als Auslandskorrespondentin ist für mich, dass ich zu wenig von anderen Kontinenten sehe. Wenn Zeit zum Reisen ist, haben oft Europa und Familie Vorrang. Unser 50-Euro-Buch hat mich wieder dran erinnert, wo ich unbedingt noch hinmöchte…
Geht mir genauso, aber das ist ja auch der Sinn des Buchs. Und kaum einer unserer Leser oder Leserinnen wird ja wohl in all diesen Städten gewesen sein. Ich fand auch Salvador da Bahia unheimlich spannend, auch Taipeh jenseits des chinesischen Festlandes reizt mich wirklich.
Empanada Pikachu in Argentinien, Bunny Chow in Durban, Ribollita im Markt von Florenz: Die Autorinnen und Autoren geben auch Geheimtipps zur lokalen Küche. Hier zeigten sich aber auch besonders große Kontraste, oder?
Stimmt, am Kulinarischen hat man wirklich am deutlichsten den Unterschied zwischen den teuren und preiswerten Ländern gesehen. In San Francisco haben wir den Leuten einmal einen Coffee-to-go gegeben, mittags ein Sandwich und sie abends zum Food Truck geschickt. In Istanbul oder auch in Jerusalem kannst Du ein bisschen mehr in die Vollen greifen, ebenso in Osteuropa. Daran sieht man die großen Preis-Unterschiede weltweit, das war ja auch eine Absicht dieses Buches.
Ich habe früher oft Reisereportagen ausAustraliengeschrieben, inzwischen kneife ich bei manchen dieser Anfragen. Ich denke mir dann: „Leute, entdeckt doch auf eigene Faust. Warum soll ich euch alles vorkauen?“ Sind Reiseführer nicht eigentlich doof?
Naja, es gibt den Standardreiseführer, dem etwa zu San Francisco vor allem Cable Car und Golden Gate Bridge einfällt. Aber der Reiz dieses Buches ist ja, dass wir etwas finden, was abseits davon ist, Gegenden vorstellen und Eindrücke schildern, die eben nicht schon überall erzählt worden sind. Und das ist durchaus reizvoll, finde ich.
Flugscham, steigendeKosten, die Klimakrise: Gerade in Deutschland werden Reisen und Tourismus ja durchaus auch kontrovers diskutiert. Eignet sich „Mit 50 Euro…“ eigentlich für Armchair-Traveller, also für Leute, die ihre Ausflüge lieber klimaneutral und nur in Gedanken machen?
Also zum shaming sag ich jetzt lieber mal nichts, als Weltreporter haben die meisten von uns ja schon von Berufs wegen ein großes Klima-Budget. Aber viele Kapitel sind sehr persönlich geschrieben und geben einem bei der Lektüre das Gefühl, nah dran und dabei zu sein. Die kann man auch mit Vergnügen lesen, ohne dort direkt hinfliegen zu müssen.