Kernfusion: „Wir werden in eine Energieabhängigkeit von China geraten, wenn wir uns nicht beeilen.“

Sonne und Wind reichten nicht aus, um den in Zukunft wachsenden Strombedarf Deutschlands zu decken, meint Milena Roveda, CEO des Münchner Startups „Gauss Fusion“. Die Industrie brauche möglichst schnell Strom aus Kernfusion. Doch um ein Fusionskraftwerk zu bauen, müssen noch hohe technische Hürden überwunden werden, räumt die Managerin im Interview ein.

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China holt bei der Fusionsforschung gegenüber Europa und den USA auf. Das Land ist stolz darauf und zeigt dies: chinesische Fahne auf der „künstlichen Sonne“, ein experimenteller Fusionsreaktor am Institut für Plasmaphysik der Chinesischen Akademie der Wissenschaften in Hefei.

Energie erzeugen wie die Sonne: Das soll ein Kernfusionskraftwerk. Bei der Kernfusion verschmelzen Wasserstoff-Atomkerne miteinander zu Helium und setzen dabei sehr viel Energie frei. Diese Energieform soll praktisch unerschöpflich, effizient und umweltfreundlich sein. Im Gegensatz zu Windkraft und Photovoltaik wäre sie unabhängig von Jahreszeiten und den Launen der Natur. Weltweit wollen Forscher die Kernfusion nutzbar machen. Neben staatlichen Instituten versuchen dies auch mehr als 40 Start-up-Unternehmen. Gauss Fusion ist eines von mehreren deutschen Kernfusions-Startups. Das Münchner Unternehmen will bis in die 2040er Jahre ein Fusionskraftwerk bauen, das Strom liefert. Riffreporter sprach mit der Geschäftsführerin Milena Roveda.

Frau Roveda, spricht man mit Fusionsforschern, bekommt man den Eindruck, dass sich die Kernfusion noch im Stadium der Grundlagenforschung befindet. Ist es nicht zu früh, um ein kommerzielles Fusionskraftwerk zu entwickeln, wie Sie es mit Gauss Fusion vorhaben?

Roveda: Nein. Die Fusionsenergie ist nicht mehr ausschließlich im Stadium der Grundlagenforschung, im Gegenteil: Sie ist weitestgehend reif genug, um „from lab to track“ (auf Deutsch: „Aus dem Labor auf die Strecke“, d. Red.) gebracht zu werden. Wir brauchen die Zusammenarbeit von Industrie, Wissenschaft und Forschung sowie der Politik, um die benötigten Technologien zu entwickeln, ein Fusionskraftwerk zu bauen und Fusion zu kommerzialisieren. Deshalb ist jetzt der Zeitpunkt gekommen, an dem wir Unternehmer und Ingenieure an Bord holen müssen. Die Grundlagen sind so weit erforscht, dass man eine Industrie aufbauen kann.

Sie schreiben auf Ihrer Website, dass Sie ein Fusionskraftwerk mit „venture speed“ entwickeln wollen, grob übersetzt also mit dem Tempo eines Privatunternehmens. Was wollen Sie anders machen als die herkömmliche, meist staatlich finanzierte Fusionsforschung?

Wir sind keine Wissenschaftler. Wir sind Unternehmer und handeln pragmatisch. Das heißt, wir wollen Fusionsenergie so schnell wie möglich ans Netz bringen und Over-Engineering vermeiden. Ein Wissenschaftler hat mal zu mir gesagt: „Wissenschaftler treffen erst Entscheidungen, wenn alle Fakten auf dem Tisch liegen.“ Unternehmer dagegen müssen Risiken abwägen und auch dann Entscheidungen treffen, wenn nicht alle Fakten vorliegen, um weiterzukommen und mit Venture Speed zu agieren.

Die Managerin Milena Roveda ist Chefin des Münchner Unternehmens Gauss Fusion, das bis 2045 ein Strom lieferndes Fusionskraftwerk bauen will.
Die Managerin Milena Roveda ist Chefin des Münchner Unternehmens Gauss Fusion, das bis 2045 ein Strom lieferndes Fusionskraftwerk bauen will.