Erdwärmewende: Wie kommt mehr Geothermie in die Heizung?

Das Gas ist teuer, die Wohnzimmer sind kühl: Der aktuelle Winter zeigt, dass Deutschland noch immer stark von fossiler Energie abhängig ist. Dabei brodelt unter unseren Füßen ein heißer Schatz: Thermalwasser ließe sich vielerorts als lokale und klimafreundliche Energiequelle erschließen. Einige technische Ideen und viel Geld des Staates sollen die Geothermie jetzt in Schwung bringen.

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Ein Bohrturm, Bauzäune, im Hintergrund ein rundes Wasserbecken.

Ron Zippelius steht auf einem geschotterten Weg vor einem Bauzaun. Dahinter erhebt sich der Bohrturm, 38 Meter hoch und fähig, bis zu 5000 Meter in die Erde zu bohren. In der Tiefe verbirgt sich ein Sandstein, in dem die Deutsche ErdWärme GmbH heißes Thermalwasser vermutet. Die Bohrarbeiten sind fast abgeschlossen und die Vorstudien lassen auf ein erfolgreiches Ergebnis hoffen. Doch es besteht ein Risiko, dass die Bohrung trocken bleibt oder nicht genügend Thermalwasser gefunden wird. „Es ist schon ein Moment der Wahrheit“, gesteht Zippelius. „Es kribbelt trotzdem, ja. Auf jeden Fall.“

Die Befürworter der Erdwärme betonen gerne die physikalischen Fakten: Im Zentrum der Erde liegt ein Kern aus bis zu 6000 Grad Celsius heißem Metall, darüber der Mantel. Ganz außen folgt die Kruste, im Vergleich dünn wie eine Eierschale und wenige Kilometer unter der Oberfläche noch über 100 Grad Celsius warm. Genug, dass es sich lohnt, die Quelle anzuzapfen.

„Von der verfügbaren Energiemenge ist nachweislich genug da, um uns hier alle in unserem jetzigen Lebensstandard zu versorgen“, sagt auch Benjamin Richter. Er arbeitet als Wirtschaftsprüfer der Kanzlei Rödl & Partner für einen sehr speziellen Kundenkreis: Es sind Kommunen und deren Stadtwerke, die vielerorts verantwortlich dafür sind, die Haushalte mit Heizwärme oder Brennstoffen zu versorgen. Im Wärmebereich gebe es noch immer die größten CO2-Emissionen, die es nun gelte, herunterzubringen: „Wir haben uns in der Vergangenheit sehr um E-Autos und um Strom gekümmert“, sagt Richter. „Die Intensität muss jetzt in gleicher Form eigentlich im Wärmebereich anfangen.“

Wenn die Sanierung stockt und Wärmepumpen nicht reichen

Für Besitzer gut gedämmter Eigenheime sind Wärmepumpen bestens geeignet: Sie nutzen Energie aus der Umwelt, häufig aus der Luft. Für unsanierte Altbauten eignen sich die Vorlauftemperaturen nicht immer. Genauso ist es möglich, 50 bis 200 Meter tief zu bohren. Über Wasser, das in geschlossenen Rohren zirkuliert, wird dem Untergrund Energie entzogen, obwohl der Boden hier kaum wärmer ist als das Grundwasser. Die Wärmepumpe überträgt diese Energie auf den Heizkreislauf und im Haus wird es warm. Diese oberflächennahe Geothermie versorgt bereits über 400.000 Gebäude in Deutschland, gerät aber ausgerechnet dort an ihre Grenzen, wo der Wärmebedarf am größten ist: in dicht bebauten Städten.

Die Bürokomplexe und Wohnblöcke aus dem letzten Jahrhundert, deren Sanierung noch Jahrzehnte benötigen dürfte, brauchen schon vorher eine saubere Energiequelle. Und es gibt sie: In wenigen tausend Metern Tiefe ist Wasser im Porenraum des Gesteins oder in Rissen eingeschlossen, das aus dem Innern der Erde wie in einem Kochtopf geheizt wird. Dieses tiefe Thermalwasser ist heiß genug, um über bestehende Fernwärmenetze verteilt zu werden.

Bayern: Vorreiter bei tiefer Geothermie

Die Geothermie ist eine klimafreundliche und vor allem eine lokale Energiequelle, um Wärme und Strom zu gewinnen. Das Umweltbundesamt bescheinigt 2018 in einer Studie, dass 25 Prozent des deutschen Wärmebedarfs wirtschaftlich und ökologisch mit Tiefenbohrungen gedeckt werden könnten. Doch auch im Jahr 2022 gibt es nur 42 aktive Anlagen. Vier weitere werden gebaut. Sie produzieren zusammen so viel Strom wie ein großer Windpark – und versorgen rechnerisch gerade mal eine Stadt wie Saarbrücken mit Wärme. Tendenz: nur langsam steigend.

Laut Hubert Aiwanger gibt es eine Ausnahme – Bayern gehe viel schneller voran als der Rest des Landes: „Wir haben das süddeutsche Molassebecken, wo einfach die größten Wärmevorräte sind“, sagt der bayrische Staatsminister für Wirtschaft gegenüber RiffReporter auf eine Konferenz im September 2022. Während Bayern beim Ausbau der Windkraft anderen Bundesländern deutlich hinterherhinkt – bei der tiefen Erdwärme spiele es ganz vorne mit. Tatsächlich wird über 90 Prozent der Tiefenerdwärme in Deutschland im Südosten gefördert.

Die Vorreiterrolle der bayrischen Gemeinden hat vor allem geologische Gründe. Unter dem Alpenvorland liegt in einer Tiefe von zwei bis vier Kilometern ein mächtiger Kalkstein, der von Spalten und Rissen durchzogen ist. Es sind Karsthohlräume – und die führen viel Thermalwasser und lassen sich mittels geophysikalischer Methoden von der Erdoberfläche aufspüren. Das Risiko, dass eine Bohrung trocken bleibt, ist gering. Eine Ausnahmesituation – als Beispiel für ganz Deutschland taugt Bayern also nicht.

Rund einen Meter dicke Stahlrohre, die aus einem Heizwerk in die Erde führen, daneben Menschen mit Bauarbeiterhelmen und Warnwesten
Rohre der Geothermieanlage in München-Sendling
Eine Karte Münchens und des südlichen Umlands, darin blau markiert Flecken, die mit Fernwärme versorgt werden. Knapp die Hälfte der Fläche ist markiert. Von neun eingezeichneten Heizwerken werden sechs mit Erdwärme und eines mit Bioenergie versorgt.
Das Fernwärmenetz Münchens versorgt bereits einen Teil der Stadt mit klimafreundlicher Erdwärme

Doch selbst im Freistaat liegt der Anteil der genutzten Wärmeenergie aus der Tiefe im Bereich weniger Promille, muss der Minister zugeben: „Das Problem in der Vergangenheit war ja, dass schlichtweg das Gas aus Russland günstiger war als die eigene Bohrung, die vielleicht noch schiefgeht und Millionenkosten verursacht“, sagt Aiwanger. „Dann braucht man noch ein großes Wärmenetz und die Einsicht des Kunden, sich an dieses Netz anzuschließen.“ Bei funktionierenden Gas- und Ölheizungen und niedrigen Preisen gab es kaum wirtschaftliche Anreize, sich an Fernwärmenetze anschließen zu lassen.

Am Oberrhein: Sorge vor Erdbeben im Südwesten

250 Kilometer westlich von München, in Graben-Neudorf bei Karlsruhe, blickt Ron Zippelius auf den weitgehend automatischen Bohrturm. Der könne zehn Meter pro Stunde schaffen. Gerade zieht ein Roboterarm allerdings die zehn Meter langen Rohrpartien aus dickem Stahl aus der Erde, denn abschnittsweise muss das Rohr mit Beton gesichert werden. Deshalb braucht jede Bohrung einige Monate, bis sie ihr Ziel erreicht.

Der Oberrhein zwischen Frankfurt am Main und Freiburg ist neben München die zweite Region Deutschlands mit besonders viel Hitze in der Tiefe. Hier ist es eine tektonische Grabenstruktur, die dafür verantwortlich ist: Vor Jahrmillionen hat sich die fragile Erdkruste geweitet und wurde dabei etwas dünner. Dadurch bildete sich eine thermische Anomalie – es ist also genügend nutzbare Wärme in der Tiefe vorhanden. Doch der Rheingraben ist noch etwas Anderes: Er ist Erdbebengebiet.

„Da ist eine Messstelle sehr nah an uns dran“, sagt Ron Zippelius und deutet eine Straße entlang. „Das sieht man dort hinten ein Parkhaus, in dem steht ein Seismometer, wie auch noch an drei weiteren Standorten in der Umgebung.“ Das Messnetzwerk soll die Geschwindigkeit messen, mit dem der Boden schwingt, sollte es einmal beben.

Nicht immer waren Geothermiebohrungen derart gut überwacht. 2007 bebte in Landau, nur wenige Kilometer weiter westlich, nach einer Erdwärmebohrung zweimal die Erde. Die Magnitude der Beben war gering: 2, 7 und 2, 4. Solche Erdbeben liegen nur knapp über der Wahrnehmungsschwelle des Menschen. Vereinzelt beginnen Gläser im Schrank zu klirren, Lampen an der Decke schwingen leicht.

Mehrere Bürgerinitiativen haben sich seither im Oberrheintal gebildet. Die Menschen sind besorgt, dass bei einem Erdbeben Risse ihre Häuser verunstalten. „Das Problem ist, dass wir hier Häuser gekauft haben“, sagt Anja Göttsche aus Graben-Neudorf. „Ich bin selbstständig, dieses Haus ist meine Rente.“

Klimaschützer halten dagegen: „Wir kennen keinen Menschen, der durch die Geothermie zu Tode kam“, sagt Sabine Hübner vom Klimabündnis Karlsruhe. „Wir haben aber in der Europäischen Union 300.000 Menschen, die jährlich aufgrund von Luftverschmutzung durch die Verbrennung fossiler Brennstoffe frühzeitig versterben.“

Der Streit mit den Gegnern dreht sich um persönlichen Wertverlust und lokale Risiken. In dem Maße, wie die Klimakrise sich verschärft, würden auch die globalen Risiken jeden einzelnen betreffen. Volker Stelzer, Vertreter der Scientists for Future in Karlsruhe, verweist auf die Niederlande. In Groningen im Osten des Landes sind die Schäden durch Erdbeben, die durch die jahrzehntelange Erdgasförderung entstehen, vielfach höher als entlang der südwestdeutschen Geothermiekraftwerke.

Bundesregierung: Geothermie steht im Koalitionsvertrag

Die Tiefengeothermie ist aus der Sicht der Unternehmen bereit für eine breite Anwendung und einen schnellen Ausbau – und sie erhält Rückendeckung aus der Politik. Die Ampel-Regierung nahm das Thema in den Koalitionsvertrag auf. Im November 2022 legte das Ministerium für Wirtschaft und Klimaschutz von Robert Habeck ein sogenanntes Eckpunktepapier für eine Erdwärmewende vor. Das darin formulierte Ziel lautet: Bis 2030 sollen 100 Projekte verwirklicht werden, mehr als doppelt so viele wie in den letzten drei Jahrzehnten.

Dazu kommt politische Unterstützung für die Infrastruktur: Die „Bundesförderung effiziente Wärmenetze“, noch von der Vorgängerregierung gestartet, trat im Sommer 2022 in Kraft. Damit zahlt der Bund in den nächsten vier Jahren bis zu drei Milliarden Euro für den Ausbau von Fernwärmenetzen.

Luftbild: oben ein Dorfrand, darunter ein Waldstreifen, darunter ein Bohrturm mit einigen Baucontainern, Zementbehältern und einem Wasserbecken. Weiter unten schließen sich grüne Felder an.
Ein Bohrturm für Erdwärme zwischen Dorfen, Höhenrain und Attenhausen in Bayern: Die 4500 Meter tiefe Bohrung gelang, aber das Vorhaben wurde 2018 wegen zu geringer Thermalwassermenge eingestellt.

Das Interesse an der Geothermie ist so hoch wie nie: „Wir kommen nicht hinterher, bei einzelnen Bürgern genauso wie bei Unternehmen“, sagt Birgit Schwegle, die Geschäftsführerin der Umwelt- und Energieagentur im Landkreis Karlsruhe, die von mehreren kommunalen Stadtwerken getragen wird. Hier laufen die Fäden zusammen: Trassen neuer Fernwärmeleitungen werden geplant, mögliche Wärmenutzer angesprochen.

Während die Energieagenturen in Baden-Württemberg diese Planung schon seit 14 Jahren durchführen, ist man in anderen Teilen Deutschlands noch nicht so weit. Stadtwerke müssen vielerorts erst einmal den geologischen Untergrund erkunden und erschließen. Für viele dieser kommunalen Unternehmen ist das Neuland, da sie bisher ganz andere Aufgabengebiete hatten: Sie waren lediglich Ankäufer und Verteiler von Gas, Erdöl oder Wärme.

Inga Moeck leitet in Hannover das GeotIS, das geothermische Informationssystem Deutschland. Darin sind Daten von über 30.000 Bohrungen verzeichnet. Die meisten stammen aus der Öl- und Gasförderung, einige von Thermal- oder Mineralwasserbohrungen. Eine geothermische Schatzkarte, die lokale Energieversorger nicht unbedingt lesen können. „Im Grunde muss es Partner geben, die geologische Kompetenz haben“, sagt Moeck.

Der Norden: Risiko in heißem Gestein ohne Wasser

Norddeutschland ist ebenfalls eine heiße Region: ein riesiges Sedimentbecken zwischen der niederländischen und der polnischen Grenze. Doch hier spielt Geothermie keine Rolle – abgesehen von wenigen Anlagen, die noch aus der Zeit der DDR stammen. Der Grund ist das Risiko, dass eine Bohrung am Ende trocken bleibt. Denn in zwei bis drei Kilometern steigt das Risiko, dass etwas schiefläuft. Die Gesteinslast drückt hier in die Tiefe. „Man kann sich das vorstellen wie einen Schwamm“, sagt Inga Moeck. „Wenn ich ihn zusammendrücke, sind alle Poren zusammengedrückt – und so muss ich mir das auch beim Gestein vorstellen.“

Eine tiefe Erdwärmebohrung kostet zwischen 20 und 30 Millionen Euro – bei einem Fehlschlag ist das für kommunale Unternehmen ein kaum zu schulterndes Risiko. Dazu kommt: Die Wärmewende muss schnell vonstatten gehen – und das Fündigkeitsrisiko wirkt als erhebliche Bremse. Auch eine geplante Fündigkeitsversicherung des Staates löst das Problem nicht ganz.

„Der Bund hat nicht unendlich viel Geld, sondern eben begrenzte Mittel“, sagt die Geologin Moeck. „Da muss ich mich fragen, mit welchen Geldmitteln erreiche ich möglichst viele Kommunen, dass also nicht nur eine, zwei oder drei Regionen was abbekommen, sondern dass ich versuche, ganz Deutschland zu erreichen.“

Die Lösung: Vielleicht muss gar nicht so tief gebohrt werden. Vielleicht reichen schon 1000 bis 1500 Meter. Eine neue Generation von Hochtemperatur-Wärmepumpen ist seit wenigen Jahren auf dem Markt, mit denen es möglich ist, auch nur 50 Grad bis 60 Grad Celsius warmes Wasser aus dem Untergrund zu nutzen, um die Temperatur in einem Fernwärmenetz auf 80 Grad zu heben.

Luftbild einer verschneiten Landschaft im Dämmerlicht, in der Ferne Plattenbauten und Straßen, im Vordergrund ein gut angestrahlter Bohrplatz mit Bohrturm, Baucontainern.
Arbeiten an der zweiten Bohrung in Schwerin-Lankow. Über sie wird das im Heizwerk abgekühlte Thermalwasser in die Tiefe zurückgeleitet.

In Schwerin-Lankow wurde genau das getan: Ab 2018 wurde nur 1200 Meter tief gebohrt – gerade mal ein Drittel so tief wie bei Geothermieanlagen im Süden Deutschlands. Das Thermalwasser ist nur 50 Grad Celsius warm, doch dank der neuartigen Großwärmepumpe deckt die Landeshauptstadt Mecklenburg-Vorpommerns nun auf einen Schlag ein Sechstel ihres Wärmebedarfs aus Erdwärme. Das bestehende Fernwärmenetz kann direkt genutzt werden. „Die mitteltiefe Geothermie ist planbar, weil ich ein geringeres Erschließungsrisiko habe“, sagt Inga Moeck. „Wenn die Wärmepumpe dann auch noch durch Windstrom oder mit Biogas betrieben wird, weil es eine Gasmotorenwärmepumpe ist, dann bin ich völlig erneuerbar im Wärmesektor.“

Lithium: Beschleuniger der Wärmewende?

Die tiefe Geothermie könnte sogar noch mehr. Ein regelrechter Hype ist um das Metall Lithium ausgebrochen, essenzielle Zutat für die Akkus von Elektroautos und Stromspeichern. Als Salz im Thermalwasser gelöst, gibt es zumindest an manchen der Geothermiestandorte in Deutschland förderwürdige Mengen.

Derzeit kommt das Lithium vor allem aus Südamerika zu uns, verarbeitet wird es größtenteils in China. Valentin Goldberg vom Karlsruher Institut für Technologie hat sich den Hype, den einzelne Firmen derzeit befeuern, kritisch angeschaut: Zwei bis dreizehn Prozent des deutschen Lithium-Bedarfs für die Akkufertigung ließe sich ihm zufolge aus der Geothermie decken.

Das könnte Deutschland beim Hightech-Metall ein Stück unabhängiger machen, wenn die Extraktion aus dem Thermalwasser technisch gelingt. Aber das ist noch nicht sicher: „Wir haben bis jetzt kleine Prototypentests, danach muss man den Prozess hochskalieren und sollte diese kleineren Anlagen eigentlich über einen längeren Zeitraum von mindestens über einem Jahr testen“, sagt Goldberg. „Danach muss man die Industrieanlage skalieren.“ Goldberg schätzt, dass dieser Prozess noch drei Jahre oder mehr dauern dürfte.

Ein Bohrloch könnte auch im besten Fall nicht ewig Lithium liefern. Aber die Metallgewinnung könnte die Zahl neuer Bohrungen schneller ansteigen lassen und damit die Wärmewende beschleunigen. Kritiker fürchten allerdings, auch zwielichtige Investoren könnten auf den Plan gerufen werden, die mehr aufs schnelle Geld aus sind als auf eine nachhaltige Energieversorgung.

Ausbauziel: ehrgeizig und doch ungenügend

Kaum einer der Akteure glaubt momentan, dass es noch ein Zurück gibt: Die interessierten Wärmekunden, mit denen Birgit Schwegle im Gespräch ist, wollen dabeibleiben, selbst wenn die Preise für Heizöl und Erdgas wieder sinken sollten: „Für die ist nicht der Preis das Ausschlaggebende, sondern sie wollen jetzt mal wieder Ruhe haben“, sagt die Geschäftsführerin der Umwelt- und Energieagentur.

Die Gegner der Geothermie im Südwesten wünschen sich mehr Offenheit. Die Unternehmen vor Ort geben vor, das längst begriffen zu haben – Informationsveranstaltungen, aber auch Besuche für alle interessierten Bürger auf der Baustelle gehören ins Programm. Sabine Hübner vom Klimabündnis Karlsruhe würde gar nicht erst versuchen, alle Gegner zu überzeugen: „Die einen wollen die Windkraftanlage nicht, die anderen wollen den Strom, aber die Stromtrasse nicht“, sagt sie. „Diese vielen Bürgerinitiativen, die gegen etwas sind, was vor ihrer Haustür geschieht, halten uns auf, die Energie- und Wärmewende voranzutreiben.“

Das Ausbauziel der Bundesregierung ist ehrgeizig, obwohl das Tempo noch immer nicht ausreicht. Auch die anvisierten zehn Terawattstunden bis 2030 liefern kaum mehr als ein Prozent des heutigen Wärmebedarfs. Doch gerade Städten, deren Fernwärmenetze schon bestehen, können die neuen Tiefenbohrungen helfen, eine Lücke bei klimafreundlichen Wärmequellen zu schließen. Die Europäische Kommission will die Verfeuerung von Holz und Biomasse begrenzen, während Kohlekraftwerke oder Raffinerien, deren Abwärme derzeit als klimaneutrale Heizwärme genutzt werden, bald umweltfreundlichen Ersatz erfordern.

„Wie sieht denn 2050 die Energiewelt aus, wenn wir keinen fossilen Brennstoff mehr haben?“, fragt der Wirtschaftsprüfer Benjamin Richter, der die Stadtwerke zur Wärmewende berät. Da bliebe nicht mehr viel übrig: Man könnte Siedlungsabfälle verbrennen oder die Abwärme aus Fabriken nutzen, die heute in die Umgebung abgegeben wird. „Aber dann wird es schon eng“, sagt Richter. Da bleibe neben dem Heizen mit Strom über Wärmepumpen, der allerdings nicht ganzjährig und in Dunkelflauten zur Verfügung steht, nur noch die Tiefengeothermie.

Eine frühere Fassung dieses Textes ist als Feature in der Sendung Wissenschaft im Brennpunkt im Deutschlandfunk erschienen.

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