Anonymous gegen Russland: Wie gefährlich sind die Angriffe des Hacker-Kollektivs?
Das Hacker-Kollektiv Anonymous greift Russland mit gezielten Hacks an, um die Ukraine zu unterstützen. Was genau macht die Gruppe und was ist davon zu halten?
- Die Gruppe Anonymous hat am 25. Februar dazu aufgerufen, russische Infrastrukturen anzugreifen und erklärt, mit Russland im Krieg zu stehen. Schon kurz darauf vermeldete die Gruppe Erfolg und veröffentlichte Daten, die sie von der Webseite des russischen Verteidigungsministeriums entwendet hatte. Zudem wurden russische Internet-Service-Provider und Telefongesellschaften angegriffen. Eine Gruppe hat zudem Seeverkehrsdaten manipuliert, wodurch es so schien, als sei eine Luxusyacht von Putin auf eine ukrainische Insel gefahren und zerstört worden. Die Hacker änderten das Ziel der Yacht in „Hölle“.
Hintergrund des Aufrufs von Anonymous ist der Angriff Russlands auf die Ukraine, dem auch Angriffe auf die digitale Infrastruktur des Landes vorausgegangen waren, unter anderem mittels einer zerstörerischen Wiper-Attacke. Expert:innen gehen davon aus, dass Russland dahinter stecken könnte.
Auf Telegram hat sich parallel dazu eine Gruppe namens „IT ARMY of Ukraine“ gegründet, die täglich um etwa 50.000 Mitstreiter:innen wächst – aktuell sind knapp 250.000 Accounts registriert. Dort werden Angriffsziele diskutiert und Links von Webseiten geteilt, die dann mit vereinten Kräften mittels so genannter DDoS-Attacken und ähnlichen Angiffen lahmgelegt werden. Jeder Erfolg wird gefeiert: In der Gruppe lässt sich in Echtzeit verfolgen, wie die Webseiten russischer Unternehmen und Behörden gehackt werden.
Manuel Atug, Sprecher der unabhängigen AG KRITIS, sieht das skeptisch. AG KRITIS ist eine Arbeitsgruppe von Expertïnnen, die sich täglich mit der Sicherheit kritischer Infrastrukturen befassen. Atug warnt Hacker:innen vor offensiven Angriffen wie jenen DDOS-Attacken auf russische Behörden und Webseiten:
„Die Ankündigung von Anonymous finde ich sehr bedenklich und halte diese für hochgefährlich. Offensiv vorzugehen ist nie zielführend, erst recht nicht in einem Krieg.“ Manuel Atug, AG KRITIS
Vielen sei nicht klar, dass sie damit zu aktiven Kriegsbeteiligten werden: „Damit ist man Kombattant in einem Krieg und riskiert einiges.“ Noch größere Bauchschmerzen bereiten Atug allerdings mögliche Angriffe auf kritische Infrastrukturen: „Angriffe auf kritische Infrastrukturen treffen immer die Bevölkerung. Im Militär nennt sich das Destabilisierung der Bevölkerung von innen.“
Digitale Angriffe könnten Putin als Vorwand dienen
Putin werde sich nicht „wegcybern“ lassen, warnt Atug: „Denn Kalaschnikows und Bomben funktionieren trotzdem weiter.“ Im Gegenteil: Digitale Angriffe könnte Putin als Vorwand nehmen, den Krieg zu eskalieren oder auch westliche Infrastrukturen anzugreifen. „Das würde die Lage noch viel schlimmer machen.“
Und auch für die einzelnen Aktivist:innen können Racheangriffe gefährliche Folgen haben. Schließlich handle es sich auch in der aktuellen Lage nicht um einen rechtsfreien Rahmen oder eine behördliche Legitimation. So könnte beispielsweise der russische Geheimdienst aktuelle Angreifer ermitteln und in entsprechenden Datenbanken sammeln, was diese womöglich erst Monate oder gar Jahre später zu spüren bekommen – „und dann passieren Dinge. Im Nachgang können solche Angriffe durchaus Implikationen nach sich ziehen.“
Wie kann die Ukraine mit digitalen Mitteln unterstützt werden?
„Interessierte sollten sich auf die defensive Cybersicherheit der Ukraine konzentrieren und auf keinen Fall versuchen, offensiv zu agieren und Russland anzugreifen“, rät Atug. Wer aktiv werden möchte und einen entsprechenden IT-Hintergrund hat, sollte besser kritische Infrastrukturen in der Ukraine auf Schwachstellen prüfen und die Ergebnisse an das ukrainische CERT (Computer Emergency Response Team) melden. „Dadurch wird die Cyberresilienz, also die Widerstandsfähigkeit, der Betreiber:innen kritischer Infrastrukturen erhöht und Ausfälle unwahrscheinlicher“, sagt Atug.
Und es gebe weitere Themen, denen sich auch Menschen widmen können, die nicht hacken können oder wollen: „Wer kann, sollte Fakenews analysieren und die Ergebnisse öffentlich machen“, rät Atug. „Diese Erkenntnisse helfen im Krieg.“
Außerdem findet er es wichtig, Systeme aufzubauen, mit denen die Mediensperren in Russland umgangen werden können. Aktuell zensiert Russland verschiedene soziale Medien und westliche Nachrichten:
„Es ist wichtig, Möglichkeiten zu schaffen, dass die russischen Bürgerinnen und Bürger sich in westlichen Medien informieren können und von der Putin-Propaganda wegkommen.“ Manuel Atug, AG KRITIS.