Christian Lindner und der Verbrennungsmotor: Die FDP lebt in der fossilen Vergangenheit

„Wie es ist, darf es nicht bleiben“, stand auf Christian Lindners Wahlplakaten. Von wegen! Bei Autos kämpft er weiter für klimaschädliche Antriebsarten. Ein Kommentar.

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Christian Lindner steigt aus einem Auto.

Warum entpuppen sich Bundesverkehrsminister in jüngster Zeit immer als Fehlbesetzungen?

Alexander Dobrindt, CSU: Greift 2016 während des Diesel-Skandals persönlich ein, um eine Sammelklage gegen VW zu verhindern.

Andreas Scheuer, CSU: Schließt Maut-Verträge ab, obwohl vor dem Europäischen Gerichtshof ein Verfahren gegen die deutsche Pkw-Maut läuft. Ein Untersuchungsausschuss, 560 Millionen Euro Entschädigungsforderungen und neuerdings sogar eine Anklage wegen des Verdachts auf Falschaussage: Für Scheuer kein Problem. Er hält sich bis zuletzt im Amt.

Volker Wissing, FDP: Rät erst vom Kauf von Verbrennern ab, legt dann eine 180-Grad-Wende hin. Aktuelle Projekte: Tempolimit verhindern, synthetische Kraftstoffe fördern, Benzinpreis senken.

Kurzum: Verkehrspolitik von gestern.

Was verkehrspolitische Fehltritte angeht, hat die rot-grün-gelbe Bundesregierung zwar noch nicht das Niveau ihrer Vorgänger erreicht. Aber sie ist auf dem besten Weg dorthin. Das liegt vor allem an einem Mann und einer Partei: Christian Lindner, FDP.

Geht es nach dem Willen des EU-Parlaments, werden ab 2035 keine neuen Autos mit Verbrennungsmotor mehr zugelassen. Lindner will davon nichts wissen. Er kämpft für „Technologieoffenheit“.

Klimaschutz? Veränderung? Nur Floskeln.

Gründe dafür mag es viele geben: Lindner fährt selbst gerne (Benzin-)Autos. Lindner will das Profil seiner Partei nach den jüngsten Wahl-Niederlagen schärfen. Oder er glaubt vielleicht wirklich daran, dass in synthetischen Kraftstoffen die Zukunft liegt.

Doch damit irrt er gewaltig. Um die Klimaziele zu erreichen – zu denen sich Deutschland international verpflichtet hat –, muss radikal umgesteuert werden. „Wie es ist, darf es nicht bleiben“, stand zu Recht auf Lindners Wahlplakaten. Doch das waren wohl nur Floskeln.

Schon der Umstieg vom Verbrenner aufs E-Auto ist kein Patentrezept, um unsere Verkehrs- und Umweltprobleme zu lösen. Doch nicht einmal diesen Minimalschritt will Lindner gehen. Stattdessen „Technologieoffenheit“. Mit anderen Worten: weiter wie bisher.

Der Wirkungsgrad von synthetischen Kraftstoffen ist gering. Bisher existiert keine nennenswerte Infrastruktur, um sie herzustellen. Die begrenzten Kapazitäten, die es gibt, müssten vor allem in die Luftfahrt fließen, in eine Branche, die sich nicht mal eben elektrifizieren lässt.

Fun-Fact am Rande: Lindner kämpft in seiner Funktion als Bundesfinanzminister für die Abschaffung von Subventionen, wozu er die Förderprämie von E-Autos zählt. Zur Steuerbefreiung von Kerosin sagt er hingegen kein Wort.

Selbst die Autoindustrie will Klarheit

Dass Lindner sich für den Verbrennungsmotor stark macht, erfreut den Verband der Automobilindustrie (VDA). Dessen Vorsitzende, Hildegard Müller, hält 2035 für „schlichtweg noch zu früh“ – so wie überhaupt das Ende des fossilen Zeitalters für Müller immer zu früh kommt.

Dabei ist es genau umgekehrt: Schon jetzt kommt das Umsteuern viel zu spät. Wenn schon Extrem-Sommer, Waldbrände und Überflutungen mit 180 Toten im eigenen Land keinen Eindruck hinterlassen, was denn dann? Ein weiterer Klimabericht sicher nicht.

Was aber die FDP durchaus nachdenklich machen müsste, sind die ökonomischen Aspekte: Schon heute ist absehbar, wohin die Reise geht. Auch große Teile der Autoindustrie haben genug vom Verbrenner; auch Wasserstoff spielt im PKW-Bereich nahezu keine Rolle mehr.

Selbst Autokonzerne halten 2035 für ein realistisches Ziel ist, um sich vom Verbrenner zu verabschieden. Es sei „Zeit zu wechseln“, verkündete unlängst sogar VW-Chef Herbert Diess.

Doch dafür braucht es verlässliche Rahmenbedingungen, kein ewiges Hin und Her.

Hoffentlich kommt diese Erkenntnis in der Ampelkoalition noch an. So still wie sich die Grünen derzeit verhalten, gerät fast schon in Vergessenheit, dass sie in der Regierung den Klimaschutz verantworten.

Die Zukunft unseres Planeten ist wichtiger als der Koalitionsfrieden. Robert Habeck, übernehmen Sie!

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