Klima-Kolumne: Warum unser Kleiderschrank mehr mit Klimaschutz zu tun hat, als wir denken

Alte Kleidung landet oft auf Deponien oder im Müll. Warum die neue EU-Richtlinie zur Textilentsorgung ein Anfang ist, aber nicht ausreicht – und wie wir Kleidung nachhaltig entsorgen können. Eine Kolumne.

vom Recherche-Kollektiv Klima & Wandel:
4 Minuten
Bunte Kleidungsstücke hängen in einem überfüllten Kleiderschrank.

Es ist Anfang Januar – Zeit für einen Neuanfang. Ich stehe vor meinem übervollen Kleiderschrank und denke mir: Ich muss dringend ausmisten. Viele Teile habe ich seit Monaten nicht mehr getragen. Warum liegt hier eigentlich noch die Hose, in die ich nicht reinpasse? Und das ausgeblichene Shirt mit dem Brandloch im Ärmel sollte auch mal weg. Doch: Wohin damit?

Unser Kleiderschrank und die Entscheidung, was wir an Kleidung kaufen und wie wir sie entsorgen, sind oft noch ein blinder Fleck, wenn es um den Klimaschutz geht. Dabei verursacht die Modeindustrie mehr CO₂-Emissionen als Flug- und Schiffsverkehr zusammen. Sie ist außerdem die drittgrößte Quelle für Wasserverschmutzung und Flächenverbrauch weltweit. Gleichzeitig tragen wir, wie man an mir sieht, viele Kleidungsstücke kaum oder gar nicht – in Deutschland liegt diese Quote bei 40 Prozent.

Fast Fashion und ihre Folgen

Der durchschnittliche Europäer kauft jedes Jahr fast 26 Kilogramm Textilien und wirft etwa elf Kilogramm davon weg. Wir entsorgen dabei mehr Kleidung als sie zu spenden. Nur ein Prozent wird derzeit in der EU zu neuer Kleidung recycelt. Stattdessen landet der Großteil – EU-weit rund 86 Prozent– auf Deponien oder wird verbrannt, oft in afrikanischen Ländern wie Ghana oder Kenia. Winterkleidung, aber auch minderwertige und löchrige Ware bringen den Menschen vor Ort allerdings herzlich wenig. In Ghana ist laut Greenpeace nur die Hälfte der importierten Textilien überhaupt für den lokalen Markt nutzbar. Die Kleiderberge landen auf offenen illegalen Mülldeponien mitten in der Natur oder in Flüssen und werden von dort aus in die Meere gespült.

Das Problem: Die Fast-Fashion-Industrie befeuert unser Wegwerfverhalten. Marken wie Shein, Bershka oder Zara bringen in immer kürzeren Abständen neue Kollektionen auf den Markt: preisgünstig und massenproduziert. Die sozialen Medien befeuern den Drang, die ständig neuen Trends mitzumachen. Das Ergebnis: Wir kaufen mehr, tragen weniger und verursachen immer mehr Müll.

Neue EU-Richtlinie 2025: Ein Schritt in die richtige Richtung

Seit Anfang Januar 2025 gilt eine neue EU-Richtlinie, die vorschreibt, dass Altkleider nicht mehr im Restmüll entsorgt werden dürfen. Stattdessen müssen sie getrennt gesammelt werden – zum Beispiel in Altkleidercontainern oder auf Wertstoffhöfen. Ziel ist es, mehr Textilien zu recyceln oder wiederzuverwenden.

Doch allein reicht die Regelung nicht. Mischfasern wie Baumwolle-Polyester-Gemische sind schwer recycelbar. Die Richtlinie unterscheidet außerdem nicht zwischen tragbarer, beschädigter oder verschmutzter Kleidung, was die Sortierung aufwändig und teuer macht. Viele Entsorger warnen bereits, dass das System an seine Grenzen stoßen könnte.

Was muss sich noch ändern?

In erster Linie ist die Modeindustrie gefragt. Textilien müssen so designt werden, dass sie tatsächlich recycelt werden können. Das bedeutet, Mischfasern zu vermeiden und stattdessen auf Materialien zu setzen, die leichter trennbar und wiederverwertbar sind. Nachhaltiges Design sollte nicht die Ausnahme, sondern die Regel sein. Dafür braucht es klare gesetzliche Vorgaben, die Hersteller verpflichten, langlebige und umweltfreundlichere Produkte auf den Markt zu bringen.

Gleichzeitig müssen Recyclingtechnologien verbessert werden. Derzeit fehlen Systeme, um Textilien in großem Maßstab zu neuen Fasern zu verarbeiten. Mehr Forschung und Investitionen in eine Kreislaufwirtschaft sind entscheidend, um das Problem langfristig zu lösen.

Was können Einzelne tun?

Also: Wohin nun mit meiner alten Kleidung? Tragbare Stücke sollte man spenden, nicht wegwerfen – zum Beispiel an Organisationen wie das Deutsche Rote Kreuz, an die Kleiderkammern der Caritas oder an Sozialkaufhäuser. Auch die Bahnhofsmission, Malteser oder Kirchen nehmen Kleiderspenden gerne an. Am besten fragt man vorab, ob aktuell Bedarf besteht. Eine gute Möglichkeit ist außerdem, kostenlos alte Kleidung an die Deutsche Kleiderstiftung zu senden.

Welchen Altkleider-Containern kann man vertrauen?

Altkleidercontainer sind eine weitere Option für intakte, aber auch kaputte Kleidung sowie Gardinen, Decken, Plüschtiere, Schuhe und Gürtel – aber nur bei vertrauenswürdigen Siegeln wie BVSE, DZI-Spendensiegel oder FairWertung. Ein Teil der Textilien, die in den Altkleider-Containern landen, wird dabei laut dem Bundesverband Sekundärrohstoffe und Entsorgung BVSE für den Second-Hand-Markt aufbereitet. Dazu gehören sowohl Wiederverkäufe im Inland als auch Exporte ins Ausland. Nicht mehr tragbare Kleidung wird zu Dämmstoffen, Lappen oder Füllmaterial verarbeitet; rund 12 Prozent der Altkleider wird laut BVSE verbrannt. Stark beschädigte Kleidung sollte am besten zum Wertstoffhof gebracht werden, rät der NABU.

Es gibt leider viele Anbieter, die den Anschein von Wohltätigkeit erwecken, tatsächlich aber nur auf Profit aus sind. Die Kleidung wird dabei oft ohne Rücksicht auf soziale oder ökologische Folgen weiterverkauft.

Auf altkleiderspenden.de von FairWertung, einem Zusammenschluss gemeinnütziger Altkleidersammler in Deutschland, findet man zertifizierte Sammelstellen in der Nähe. FairWertung setzt dabei auf Transparenz. So kann man sich auf der Seite selbst darüber informieren, wo die Altkleider genau landen. FairWertung verspricht außerdem die Einhaltung ökologischer und sozialer Standards bei der Sammlung und Sortierung. Auch Container der lokalen Abfallbehörden oder von Organisationen wie das Deutsche-Rote-Kreuz sind meist sicher.

Slow Fashion statt Fast Fashion

An was ich mich in diesem Jahr immer wieder erinnern möchte, ist, weniger und vor allem bewusster einzukaufen, damit ich Kleidungsstücke wirklich länger tragen werde. Außerdem ist es langfristig sogar günstiger, hochwertige Kleidung zu kaufen, die zehn Jahre hält, anstatt Fast Fashion, die alle drei Jahre ersetzt werden muss, weil sie kaputtgeht. „Slow Fashion“ – also eine bewusste, nachhaltige Alternative zu Fast Fashion – hilft dabei, Ressourcen zu schonen und Müll zu reduzieren. Auch Second-Hand-Läden, Kleidertauschbörsen oder Plattformen wie Vinted bieten tolle Möglichkeiten, bereits gebrauchte Kleidung zu kaufen oder selbst weiterzugeben.

Ich werde mich jetzt an meinen Kleiderschrank heranwagen und endlich aussortieren: Aus dem Shirt mit dem Brandloch mache ich ein paar Putzlappen, und die anderen Teile bringe ich zur Kleiderkammer. Vielleicht freut sich jemand über meine zu enge Hose – und ich freue mich über ein bisschen mehr Platz im Schrank.

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