Anthropozän: Wissenschaftler suchen Ort, der neue Erdepoche repräsentiert

Ein Eiskern aus der Antarktis, Torfboden aus Polen und Sedimente aus der Ostsee sind Kandidaten als Referenzpunkt für das Anthropozän. Tropfsteinhöhle, Karlsplatz in Wien und Bucht von San Francisco ausgeschieden

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Blick aus der Internationalen Raumstation auf den nachtschwarzen Planeten mit vielen Lichtern aus Städten und von Fischereiaktivität.

Menschen haben die Erde so tiefgreifend verändert, dass Wissenschaftler eine neue geologische Erdepoche ausrufen wollen, das Anthropozän. Für die formale Anerkennung ist auch ein Ort nötig, der die geologischen Veränderungen und ihren zeitlichen Beginn dokumentiert. Bei der Suche nach diesem Ort sind die zuständigen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der „Anthropocene Working Group“ (AWG) nun einen wichtigen Schritt weiter. Deren Leiter Colin Waters und Simon Turner legen in einem aktuellen Beitrag im Fachblatt „Science“ dar, dass drei von zwölf Kandidaten aus dem Rennen ausgeschieden sind. Nicht mehr in der engeren Wahl sind die Ernesto-Höhle in Italien, die Bucht von San Francisco und der Karlsplatz in Wien. Die Entscheidung über den Ort, der den Beginn des Anthropozäns symbolisiert, soll Anfang kommenden Jahres fallen.

Derzeit befindet sich die Erde der geologischen Zeitrechnung zufolge in der Epoche des Holozäns. Deren Beginn wird mit dem Ende der letzten Eiszeit vor 11.700 Jahren angesetzt. Erdepochen beschreiben grundsätzliche neue Lebensbedingungen auf dem Planeten. Über ihre Einteilung wacht eine eigene wissenschaftliche Organisation, die Internationale Stratigraphiekommission, in deren Auftrag die AWG seit 2009 tätig ist.

Wo wird der „Goldene Nagel“ eingeschlagen?

Bereits im späten 19. Jahrhundert und früheren 20. Jahrhundert haben Wissenschaftler Umweltveränderungen durch den Menschen als so gravierend angesehen, dass sie von einem neuen Abschnitt in der Erdgeschichte sprachen. Im Jahr 2000 verlieh der Chemie-Nobelpreisträger Paul Crutzen dieser Forderung Gewicht. Zu den Argumenten für eine neue Erdepoche zählte er den Klimawandel, den Verlust von Biodiversität, die Anreicherung von neuartigen Chemikalien in der Umwelt, die teilweise Zersetzung der schützenden Ozonschicht und den massiven weltweiten Bergbau. Die Anthropocene Working Group hat bereits fast einstimmig dafür votiert, das Holozän zu beenden und das Anthropozän auszurufen. Für den formalen Antrag fehlt nun nur noch ein Ort, der die neue Epoche repräsentiert.

Die ausgeschiedenen Kandidaten verraten viel über die Kriterien, mit denen die Wissenschaftler der Anthropocene Working Group bei ihrer Suche vorgehen.

Weltkarte mit neun verbliebenen Kandidaten für den Symbolort.
Für die formale Anerkennung des Anthropozäns braucht es einen Ort, der die neue Erdepoche repräsentiert.
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