Spargelanbau vertreibt Vögel aus Schutzgebieten
Seit Jahren kämpft Hubert Pomplun gegen die Folienfelder im Vogelschutzgebiet Mittlere Havelniederung. Jetzt kommt Bewegung in die Sache.
Für viele Menschen hat der Frühling erst so richtig begonnen, wenn der erste heimische Spargel auf dem Teller liegt. Doch Spargelanbau hat seine Schattenseiten. Hubert Pomplun mit seiner „Naturstiftung Kranichland“ und die Bürgerinitiative „Landschaft ohne Folie“ setzen sich seit Jahren dafür ein, den Spargelanbau unter Folie aus Vogelschutzgebieten zu verbannen.
Wie häufig die Praxis im Bundesland Brandenburg ist, Spargel unter Folientunneln in Schutzgebieten anzubauen, zeigt die Antwort auf die Kleine Anfrage Nr. 3621 der Grünen-Landtagsfraktion aus dem Jahr 2018: Damals teilte die Landesregierung mit, dass der Spargelanbau in Natura-2000-Gebieten zwischen 2007 und 2017 von gut 640 Hektar auf über 1000 Hektar gewachsen ist.
Am weitesten in ihrem Einsatz für den Naturschutz und gegen die eingepackten Felder sind Hubert Pomplun und seine Mitstreiterïnnen in der „Mittleren Havelniederung“. Die rund 25.000 Hektar große Fläche nördlich der Stadt Brandenburg ist seit 2004 als Vogelschutzgebiet ausgewiesen – eines von knapp 750 solcher Schutzgebiete in Deutschland.
Auf Folienfeldern ist für Vögel nichts zu holen
Joachim Budde: Warum ist Spargelanbau in Vogelschutzgebieten ein Problem?
Hubert Pomplun: Die Spargelbauern decken von Ende Oktober bis Mitte November ihre Spargelfelder mit Folien zu und lassen sie bis Mai, Juni auf den Feldern, also über ein halbes Jahr. Auf manchen Feldern bedecken die Folien nur die Wälle mit den Spargelpflanzen, auf anderen Äckern überspannen sie sogar die Zwischenräume zwischen den Reihen. Da wächst nur der Spargel, ansonsten sind die Flächen tot. Ausgerechnet im Frühling, wenn die Vögel massenhaft Insekten für ihren Nachwuchs brauchen, ist für sie auf 400 bis 500 Hektar nichts zu holen. Bodenbrüter können dort nicht nisten. Sie finden dort auch keine Ruhe. Da ist ständig Betrieb, weil Kolonnen von Erntehelfern da durchgehen, da steht ein Bus daneben und ein LKW, der die Kisten abtransportiert.
„Die Vertreibung der Vögel geht Jahr für Jahr weiter.“
Sie schreiben auf Ihrer Website, schon im Jahr 2013 habe das brandenburgische Landesamt für Umwelt die Brutvögel auf Flächen des Spargelanbaus unter Folie erfassen lassen. Was hat dieses Gutachten ergeben? Und gibt es inzwischen neuere Erkenntnisse?
Mir liegt die unveröffentlichte Studie vor. Ein Kernsatz lautet: „Es fehlen bis 2013 mindestens 21 Vogelarten als Brutvögel, davon verschwanden mindestens 20 Arten im Zeitraum des forcierten Unter-Folie-Anbaus.“ Darunter sind einige Arten, deren Bestände im selben Zeitraum auf der restlichen Fläche Brandenburgs gewachsen sind: etwa die Wiesenweihe, der Baumfalke, der Wiedehopf, der Raubwürger oder der Kranich – der Vogel, den ich besonders liebe und nach dem ich meine Stiftung benannt habe. Das Landesamt für Umwelt hat die Untersuchung im Jahr 2017 wiederholen lassen und gezeigt, dass die Vertreibung von Vogelarten noch weitergegangen ist. Jahr für Jahr.
Naturschutzgebiete sollten wirklich Schutz bieten
Wie lässt sich das Ihrer Meinung nach dieses Problem lösen? Gibt es alternative Anbauformen, die im Naturschutzgebiet in einem Vogelschutzgebiet in Ordnung wären? Oder geht Spargel anbauen generell nicht?
Wir sagen: „Spargel ja, aber nicht gerade im Schutzgebiet und mit Folien.“ Denn wir sind der Meinung, wenn man schon Schutzgebiete ausruft, dann muss in diesem Gebiet auch wirklich Schutz praktiziert werden.
Fast zehn Jahre lang haben Sie sich gegen den Spargel und die Folien im Schutzgebiet gewehrt. Erst vor Kurzem ist Bewegung in die Sache gekommen. Was hat sich geändert?
Seit 2017 geht die Untere Naturschutzbehörde der Stadt Brandenburg gegen den Spargelanbau im Schutzgebiet vor. Die wollen endlich die gesetzliche Regelung anwenden, wonach zum Beispiel Spargelanbau unter Folien in Schutzgebieten nur zulässig ist, wenn der Landwirt in einer Verträglichkeitsprüfung nachgewiesen hat, dass diese Anbaumethode unschädlich ist für die Schutzziele. Nicht mehr und nicht weniger steht seit Jahren im Bundesnaturschutzgesetz ab Paragraf 33.
Spargelanbau im Schutzgebiet bald nur noch mit Genehmigung?
Wie bewerten Sie das Vorgehen der Behörden?
Es wäre höchste Zeit, dass sowas endlich gemacht wird. Aber es ist schon wieder fraglich, ob das nun wirklich praktisch durchgesetzt wird. Die Untere Naturschutzbehörde hatte unserem Spargelproduzenten zur Auflage gemacht, bis zum 1. März 2021 die Spargelpflanzen hier zu roden. Und bis zum Oktober 2021 sollte er die Hecken wieder anpflanzen, die er beseitigt hat, und wieder kleinere Schläge herstellen. Sein Widerspruch und seine Klage gegen den sofortigen Vollzug haben die Gerichte abgelehnt. Jetzt setzt sich die Spargellobby für ihn ein. Man hat einen runden Tisch veranstaltet und erreicht, dass der Spargel bis Ende April stehen bleiben kann. Das finde ich sogar vernünftig. Man muss nach all den Jahren nicht gerade kurz vor der Ernte die Spargelpflanzen ausreißen. Jetzt hat es gerade ein neues Treffen gegeben. Was dabei herausgekommen ist, weiß ich noch nicht. Ich nehme an, dass der Spargelbauer auch für den Rest der Erntezeit bis Mitte Juni die Spargelpflanzen noch nicht zu roden braucht. Ich sehe die große Gefahr: Im Januar hat der Oberbürgermeister der Stadt Brandenburg Steffen Scheller noch in der Märkischen Allgemeinen Zeitung erklärt: Die Gesetze würden auch für den Spargelbauern gelten. In seinem letzten Interview Ende März sagte der OB, er glaube, dass man „eine Lösung finden“ könne. Nicht „nur“ im Interesse unserer immer weiter zurückgedrängten Natur, sondern auch des Rechtsstaats muss eine „Lösung“ doch darin bestehen, dass die gesetzlichen Vorschriften endlich auch bei einem Großen der Agrarindustrie angewendet werden.