Habecks Zwickmühle: Mit erschöpften Brennelementen können Reaktoren nicht neu gestartet werden

Isar-2 und Neckarwestheim II könnten bei „Reservebetrieb“ nur nach Einwechseln von Brennstoff wieder hochgefahren werden, was einen längeren Betrieb ermöglichen würde. Auch alternative Optionen bergen politische Risiken für den Wirtschaftsminister

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Robert Habeck gestikuliert am Rednerpult.

Das Szenario von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) klang einfach: Zwei von drei der verbleibenden Kernkraftwerke in Deutschland – Isar-2 und Neckarwestheim II – produzieren ab Ende 2022 keinen Strom mehr, wie es das von der früheren schwarz-gelben Bundesregierung verabschiedete Atomgesetz vorsieht. Sollte es hingegen im Winter 2023 zu einer Stromknappheit kommen, vor der zum Beispiel die vier großen Stromnetzbetreiber in einem „Stresstest“ warnen, werden die Reaktoren bei Bedarf für einen kurzen Zeitraum von einigen Wochen bis maximal Mitte April einmalig wieder angeschaltet. Das Kernkraftwerk Emsland will Habeck dagegen dauerhaft stilllegen.

„Reservebetrieb“ nennt der Minister das Konzept. Dieser wäre für Habeck die attrakviste Lösung, weil er sich damit alle Möglichkeiten offenhalten würde. Er würde einerseits den lange ersehnten Atomausstieg liefern, auf dessen Enddatum 31.12.2022 viele in seiner Partei und in der Umweltbewegung seit langem hinfiebern.

Andererseits könnte man ihm nicht vorwerfen, einen Blackout riskiert zu haben. Sollten mangels Atomstrom Anfang 2023 dann doch akute Versorgungsengpässe drohen, könnte der Grünen-Politiker es auch den kompromisslosen Atomkraftgegnern gegenüber rechtfertigen, ein kurzzeitiges Anwerfen der Anlagen zu erlauben. Spätestens Mitte April wären die Brennelemente in den Reaktorkernen beider Anlagen ohnehin erschöpft.

Nur mit Brennstoff aus Reservebecken können Reaktoren neu starten

Doch Reaktortechnik und Sicherheitsauflagen machen Habeck nun einen Strich durch den Plan für einen derartigen Reservebetrieb.

Experten und dem Bundesumweltministerium zufolge könnten Isar-2 und Neckarwestheim II nicht einfach in weitgehend abgebranntem Zustand wieder zur Stromproduktion genutzt werden. Die Reaktorkerne müssten neu bestückt werden – mit leistungsfähigeren Brennelementen aus Reservebecken.

Wie stark die Brennstäbe in den verbleibenden deutschen Kernkraftwerken bereits erschöpft sind, zeigte am Montag die Mitteilung des Bundesumweltministeriums über ein leckes Ventil im Kernkraftwerk Isar-2. Der Betreiber PreussenElektra habe die bayerischen Behörden und auch die Bundesregierung darüber bereits in der vergangenen Woche informiert. Vor Ende 2022 sei eigentlich keine Reparatur notwendig, für einen möglichen Fortbetrieb 2023 aber schon. . „Um über den 31.12.2022 hinaus für einen Leistungsbetrieb zur Verfügung zu stehen, muss laut Preussen Elektra ein Stillstand mit einer Reparatur erfolgen“, teilte das Bundesumweltministerium mit. Dieser Stillstand müsse laut Betreiberangaben schon im Oktober erfolgen, „da die Brennelemente des Reaktorkerns bereits im November eine zu geringe Reaktivität hätten, um die Anlage aus dem Stillstand heraus dann wieder hochzufahren“.

Mit dieser Angabe bestätigten sich Warnungen des Chefs der Gesellschaft für Anlagen- und Reaktorsicherheit (GRS), Uwe Stoll, der zuerst bei RiffReporter und zehn Tage später in der Süddeutschen Zeitung vor einem Hochfahren von Reaktoren mit erschöpften Brennelementen gewarnt hat.

Deutschlandkarte mit den Standorten der drei Kernkraftwerke Isar, Neckarwestheim, Emsland
Die Standorte der drei umstrittenen Kernkraftwerke
Portraitfoto von Stoll, ein mittelalter lächelnder Mann im Anzug vor schwarzem Hintergrund
Uwe Stoll ist technisch-wissenschaftlicher Geschäftsführer der Gesellschaft für Anlagen- und Reaktorsicherheit (GRS).
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