Nach dem COP-Flop: Politisches Versagen wird die Energiewende nicht aufhalten

Von Fotovoltaik über Wärmepumpen bis zu Elektroautos: Global betrachtet ist das exponentielle Wachstum dieser nachhaltigen Technologien ungebremst. Ökonomische Faktoren garantieren, dass hier trotz Trump, Putin oder Merz große Beiträge realisiert werden, um CO₂-Emissionen dauerhaft zu mindern.

vom Recherche-Kollektiv Klima & Wandel:
4 Minuten
Sechsecke aus glasigen PV-Modulen schwimmen auf dem Meer

Kleine Fortschritte, aber insgesamt zu wenig und zu langsam: Das ist wieder einmal das Ergebnis des jährlichen Weltklimagipfels. Hinzu kommen weltpolitische Entwicklungen, die internationalen Klimaschutz nicht einfacher machen. Doch abseits der Politik gibt es gute Gründe, darauf zu hoffen, dass die Menschheit beim Klimaschutz große Fortschritte machen wird. Denn ein wesentlicher Treiber, um CO2-Emissionen zu verringern, ist die Energiewende. Und die läuft seit Jahren immer wieder schneller, als selbst optimistische Prognosen erwartet haben.

Solarenergie hat sich in drei Jahren mehr als verdoppelt

Das eindrucksvollste Beispiel ist die Solarenergie, die vor allem infolge des deutschen Erneuerbare-Energien-Gesetzes, das weltweit zigfach kopiert worden ist, abheben konnte. Betrug im Jahr 2021 der weltweite Zubau noch 188 Gigawatt (ein Gigawatt sind eine Million Kilowatt), waren es im Jahr 2023 447 Gigawatt. Von Ende 2020 bis Ende 2023 hat sich die kumulierte installierte Leistung dadurch von 708 auf 1624 Gigawatt mehr als verdoppelt. Mehr als die Hälfte des weltweiten Zubaus entfiel im Jahr 2023 auf China, gefolgt von den USA. Deutschland liegt mit rund 14 Gigawatt auf Platz fünf.

Die Internationale Energieagentur (IEA) erwartet in ihrem World Energy Outlook 2024, dass die Fotovoltaik bis 2030 um weitere 4400 Gigawatt wachsen wird. Bislang hat die IEA den Zubau mit jeder neuen Prognose höher angesetzt – und am Ende trotzdem unterschätzt.

Erstmals mehr als ein Terawatt Windenergie installiert

Nicht ganz so enorm, aber ebenfalls eindrucksvoll entwickelt sich die Windenergie. Wurden weltweit im Jahr 2021 noch 94 Gigawatt neu installiert, waren es im Jahr 2023 117 Gigawatt. Damit hatte die Windenergie Ende 2023 erstmals mehr als 1000 Gigawatt installierte Kapazität. Führend ist auch hier China, mit Abstand gefolgt von den USA und auf Platz drei Deutschland, dessen Anlagen Ende 2023 insgesamt über rund 69 Gigawatt verfügten. Unter Wirtschaftsminister Robert Habeck konnte die Regierung zudem Hemmnisse beim Ausbau der Windenergie beseitigen, die Habecks Vorgänger Peter Altmaier etabliert hatte.

Die IEA erwartet bei der Windenergie weiter ein rasantes Wachstum: Die Zubaugeschwindigkeit soll sich zwischen 2024 und 2030 im Vergleich zum Zeitraum zwischen 2017 und 2023 verdoppeln.

Betonfläche mit Container-artigen Modulen, umrahmt von einer Landschaft auf Wiese und Bäumen
Keine Technologie der Energiewende wächst so rasant wie die Energiespeicher. Das Bild zeigt den Plan für Europas größten Batteriespeicher, der in Niedersachsen entstehen und 275 Megawattstunden fassen soll.

Batteriegroßspeicher boomen, PV und Windstrom sind unschlagbar günstig

Insgesamt, so die IEA, dürfte sich die Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien von 2023 bis 2030 nahezu verdreifachen. Beachtenswert ist zudem die Entwicklung der Speichertechnologien, um Zeiten mit wenig Sonnenschein oder Wind zu puffern. Fassten Batteriespeicher 2015 weltweit noch 1,6 Gigawattstunden, so betrug allein der Zubau 2022 30 Gigawattstunden. 2023 waren es 42 Gigawattstunden, und für 2025 erwarten Marktanalyst:innen sogar einen Zubau von 362 Gigawattstunden.

Schaut man auf die Stromgestehungskosten, ist es kein Wunder, dass die Energiewende boomt und auch durch fossile Lobbyisten in Regierungen kaum ausgebremst werden kann. Das Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme (ISE) hat für Deutschland die Stromgestehungskosten im Jahr 2024 verglichen, also jenen Preis, für den sich Strom aus einer neuen Anlage herstellen lässt, wenn diese kostendeckend arbeitet. Fotovoltaik auf Freiflächen ist damit für 3,6 bis 6,8 Cent pro Kilowattstunde möglich. Windenergie hat an Land Gestehungskosten von 3,9 bis 8,3 Cent pro Kilowattstunde. Zum Vergleich: Kohlekraftwerke liegen bei 15,1 bis 29,3 Cent pro Kilowattstunde, Gaskraftwerke mit Kraft-Wärme-Kopplung bei 17,2 bis 24,1 Cent pro Kilowattstunde (ohne KWK: 23,6 bis 43,3 ct/kWh) und Atomkraftwerke bei 13,6 bis 49,0 Cent pro Kilowattstunde.

Verbrenner-Pkw werden zu Ladenhütern

Bestimmte Politiker:innen und Medien mit wirtschaftlicher Nähe zur fossilen Industrie erzeugen in Deutschland gern ein anderes Bild und verunsichern Bürger:innen und Unternehmen. Insbesondere wer jetzt noch Gasheizungen installiert oder einen Verbrenner-Pkw neu anschafft, könnte dadurch in einigen Jahren ein böses Erwachsen erleben. Sinkende Strompreise und steigende Gaspreise belegen dies. Auch sind Verbrenner-Pkw international mittlerweile schwer verkäuflich. Denn hier gibt es zwei weitere Trends, die hinsichtlich des Klimaschutzes optimistisch stimmen: Auch der Verkauf von Wärmepumpen und batterieelektrischen Fahrzeugen wächst ungebremst.

2022 wurden etwa 20 Millionen Wärmepumpen verkauft, ein Plus von 18 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. In den USA wurden 2022 bereits mehr Wärmepumpen verkauft als fossile Heizungen. In Europa haben mindestens 17 Staaten Verbote für Neuinstallationen fossiler Heizungen angekündigt oder schon vollzogen. Wärmepumpen können zudem – anders als fossile Heizungen – auch kühlen. Die zunehmenden Hitzewellen werden daher den Absatz der Wärmepumpen beschleunigen.

Dann wären da noch die Elektroautos. Wurden im Jahr 2020 weltweit rund 3,1 Millionen batterieelektrische Pkw verkauft, waren es 2023 bereits 14,5 Millionen. Damit liegt der Anteil der Neuzulassungen bei 20 Prozent, Tendenz stark steigend, auch wenn es in Europa, insbesondere in Deutschland aktuell eine politisch verursachte Nachfragedelle gibt. Deshalb fuhr Ende 2023 von 42 Millionen reinen Elektro-Pkw weltweit jeder zweite wieder einmal in China. Daher rührt auch die aktuelle Krise von VW: Weil Verbrenner-Pkw in China inzwischen Ladenhüter sind, hat VW dort 220.000 Fahrzeuge weniger verkauft als noch im Jahr davor. Ein Trend, der bleiben wird: Die IEA erwartet, dass 2030 weltweit 226 Millionen Elektro-Pkw auf den Straßen sein werden.

Herstellerverband erwartet wegen Verbrenner-Pkw Milliardenstrafen für Autohersteller

Bald könnte sogar der Preis die Wende im Automobilsektor beschleunigen: Schon jetzt kommt der Automobilclub ADAC bei einer Gesamtkostenbetrachtung zu dem Ergebnis, dass Benzin-, Diesel- und Elektroantrieb vergleichbarer Fahrzeuge meist nur wenige Cent pro Kilometer auseinander liegen – und das, obwohl der ADAC mit 44 Cent pro Kilowattstunde recht hohe Strompreise angesetzt hat. Wer über eine Garage oder einen Stellplatz verfügt, kann deutlich günstiger laden. Und wer sogar eine Fotovoltaikanlage sein Eigen nennt, spart schon heute eine Menge Geld mit einem Elektroauto und bekommt gleich noch einen Batteriespeicher für den Hausstrom mitgeliefert.

Nicht zuletzt drohen den Pkw-Herstellern hohe Strafzahlungen, wenn ihre in der EU verkauften Fahrzeuge im Mittelwert bestimmte CO2-Grenzwerte überschreiten. Der Herstellerverband ACEA rechnet ab 2025 mit jährlichen Strafen für europäische Hersteller in Höhe von insgesamt 15 Milliarden Euro. Audi etwa hat bereits reagiert: Das Unternehmen erhöht im Dezember die Verkaufspreise nur für Fahrzeuge mit Verbrennermotor.

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