Kolumne: Weltklimakonferenz in Baku – Ein neuer Plot muss her
Dramen, halbgare Beschlüsse und ein neuer Cliffhanger – die COP29 in Baku wirkt wie eine weitere schlechte Serien-Episode. Warum die Weltgemeinschaft endlich ein neues Drehbuch braucht. Eine Kolumne.
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Eigentlich hätte ich am liebsten abgeschaltet. So wie man es bei einer schlechten Serie tun würde, die auch in der 10. Episode noch immer mit den gleichen ermüdenden Plotmustern daherkommt. Bei der diesjährigen Weltklimakonferenz COP29 gab es viel Show, Drama, halbgare Versprechen – und am Ende einen Cliffhanger, der nichts wirklich auflöst. Viele andere Menschen haben daher wahrscheinlich schon längst abgeschaltet, aber ich kann es nicht. Beruflich nicht, und auch – weil ich noch immer auf ein gutes Ende hoffe. Denn es geht ja um mehr als um eine Telenovela.
Zwei Wochen lang verhandelten Vertreter:innen von knapp 200 Staaten in Baku, der Hauptstadt Aserbaidschans, über globale Klimaziele sowie über die Finanzierung von Klimaschutz und Anpassung – in einem Land, das seinen Wohlstand mit Erdgas- und Erdölexporten aufgebaut hat. Der Präsident der Konferenz, Muchtar Babajew, ein früherer Ölmanager, ist heute Umweltminister des Landes. Und Aserbaidschans Präsident Ilham Alijew setzte der Ironie die Krone auf, als er in seiner Eröffnungsrede den fossilen Reichtum seines Landes als „Geschenk Gottes“ pries und gleichzeitig Pläne zur Ausweitung der Erdgasexporte nach Europa ankündigte. Von Anfang an war klar: Aserbaidschan hatte kein wirklich großes Interesse daran, ambitionierte Klimabeschlüsse zu verhandeln.
Der Plot der COP29 – die Klimafinanzierung
Die zentrale Frage der diesjährigen Weltklimakonferenz: Wie viel Geld sollen reiche Länder zahlen, um den ärmsten und verletzlichsten Staaten bei der Bewältigung der Klimakrise zu helfen? Die Industriestaaten tragen eine historische Verantwortung: Sie haben den Großteil der Treibhausgase ausgestoßen, während die Länder des Globalen Südens am stärksten unter den Folgen leiden. Dass hier Gelder fließen müssen, ist eine Frage der Klimagerechtigkeit.
Doch die Verhandlungen blieben zäh, der Plot kam einfach nicht voran. Weit nach Mitternacht, um 2:40 Uhr Ortszeit am frühen Sonntagmorgen, war es dann soweit: Nach elf Tagen und 35 Stunden Überziehung wurde der Abschlusstext endlich beschlossen. Die zentralen Ergebnisse:
- Mit dem „New Collective Quantified Goal on Climate Finance“ wurde ein neues Finanzziel für Klimaschutz und Anpassung festgelegt: Der jährliche Beitrag - vor allem der Industriestaaten - soll bis 2035 auf mindestens 300 Milliarden Dollar erhöht werden
- Die von den ärmeren Ländern geforderte Summe von 1,3 Billionen Dollar wird im Beschluss als Zielgröße genannt. Wie diese Finanzlücke genau geschlossen werden soll, bleibt offen und soll erst auf der kommenden Konferenz 2025 besprochen werden
- Staaten wie China und die Golfstaaten werden ermutigt, freiwillig zur Finanzierung beizutragen – müssen das aber nicht
- Die Staaten haben sich außerdem auf einheitliche Standards für globale Kohlenstoffmärkte geeinigt
- Ein Fortschritt beim fossilen Ausstieg blieb aus – das Thema wurde auf die Zwischenkonferenz im Juni in Bonn vertagt
Magere Summen – Frust im Globalen Süden
Für die Länder des Globalen Südens sind die Finanzzusagen mehr als enttäuschend. Sie hatten immerhin mehr als das Vierfache der zugesagten Summen gefordert – und zwar in Form von direkten Zuschüssen. Stattdessen werden nun vor allem Kredite bereitgestellt, die die ohnehin hohen Schulden vieler Länder weiter vergrößern. Und auch 2035 ist viel zu spät für Staaten, die bereits heute mit verheerenden Überschwemmungen, Dürren und anderen Klimakatastrophen kämpfen.
Die indische Delegierte Chandni Raina brachte den Frust vieler betroffener Staaten gut auf den Punkt: „Dieses Dokument ist eine optische Täuschung. Indien akzeptiert dieses Finanzziel nicht. Wir sind tief verletzt und extrem enttäuscht.“ Dennoch stimmten die meisten Staaten dem Abkommen zu – in erster Linie, um ein völliges Scheitern der Konferenz zu verhindern.
Die Charaktere: Blockierer, Betroffene, Möchtegern-Helden
Auch die Rollen und Konflikte haben sich in dieser Episode der COP wiederholt: Da gibt es zum einen die Blockierer und die zahlreichen Lobbyisten aus der fossilen Industrie. In einer Serie würden sie die klassischen „Bösewichte“ spielen, die Intrigen spinnen, um ihre Macht zu sichern.
Saudi-Arabien blockierte Verhandlungspunkte und versuchte, selbst den in Dubai beschlossenen fossilen Ausstieg zu verwässern, wie The Guardian berichtete. Aserbaidschan nutzte die Konferenz, um seine Gasexporte zu promoten, statt ehrgeizige Klimapolitik voranzutreiben. Auch konkrete Genderfragen wurden unter anderem von der arabischen Staatengruppe und dem Vatikan blockiert.
Die zweiten Charaktere des COP29-Plots waren die „Betroffenen“, also die Inselstaaten und Länder des globalen Südens, die am stärksten unter der Klimakrise leiden. Sie forderten mindestens 1,3 Billionen Dollar jährlich bis 2035 und mindestens 500 Milliarden Dollar an Beiträgen der Industriestaaten bis 2030 – und wurden bitter enttäuscht. Ihr Protest, inklusive eines kurzzeitigen Verlassens der Verhandlungen, verdeutlichte ihre Verzweiflung. Kurzzeitig dachte man sogar, dass die Konferenz komplett scheitern könnte.
Und dann gab es noch die „Möchtegern-Helden“: die Industriestaaten, wie die EU einschließlich Deutschland. Sie versuchten zwar nach außen hin den Schein wahren zu wollen, unternehmen selbst jedoch herzlich wenig in Sachen Klimaschutz. Auf der COP29 wagten sie es außerdem erst ganz am Ende der Konferenz konkrete Summen für die Finanzhilfe zu nennen. Bisher hatte die Bundesrepublik für die Klimafinanzierung rund sechs Milliarden Euro jährlich zugesagt. Wie viel Deutschland künftig zahlen wird, muss die nächste Bundesregierung entscheiden.
Geopolitische Konflikte
Überschattet wurde die Konferenz dann auch von den vielen geopolitischen Konflikten. Der Ukraine-Krieg hat Europa stärker in die Abhängigkeit von fossilen Energien gedrängt. Gleichzeitig erschwerten die Spannungen zwischen den USA und China eine konstruktive Zusammenarbeit – dabei sind diese beiden Länder die größten CO₂-Emittenten der Welt. Und auch Donald Trumps Wiederwahl und seine angekündigten Pläne, erneut aus dem Pariser Klimaabkommen auszusteigen, lähmten die Verhandlungsposition der USA. Langfristige Zusagen blieben daher aus.
Zeit für ein neues Drehbuch
Die COP29 hat erneut deutlich gemacht, wie schwerfällig die internationale Klimapolitik ist. Doch die Klimakrise schreitet unaufhaltsam voran – und Zeit ist das, was wir nicht haben. Es braucht daher dringend ein neues Drehbuch: verbindliche Finanzzusagen, klare Pläne für den Ausstieg aus fossilen Energien und eine echte Stimme für die betroffenen Länder. Protagonist:innen, die mutig voranschreiten – eben die klassischen Held:innen, die in einer Serie am Ende meistens gewinnen.
Mehrere Klimaforscher:innen und Politiker:innen fordern in einem offenen Brief eine grundlegende Reform der Weltklimakonferenzen – kleinere Treffen und damit weniger Massenzirkus, mehr Effizienz und Lösungen, weniger Einfluss von Akteuren aus der fossilen Industrie, mehr Mechanismen, Staaten zur Rechenschaft zu ziehen. Reformvorschläge, über die auf jeden Fall dringend nachgedacht werden sollte.
Die COP29 war insgesamt zwar keine Katastrophe, aber auch kein Erfolg – und den brauchen wir so langsam. Sie war eine weitere Episode, die Fortschritt vorgaukelte, ohne ihn zu liefern. Wenn es Jahr für Jahr so weiter geht, verliert man am Ende immer mehr Menschen, die an die Sinnhaftigkeit von Klimakonferenzen oder gar von Klimaschutz glauben. Die Zeit für Cliffhanger muss vorbei sein - ein neuer Plot muss her.
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