Energiewende: Forscher skizzieren globale Kreislaufwirtschaft für Seltene Erden
Seltene Erden sind enorm gefragt, doch ihr Abbau ist mit ökologischen, sozialen und geopolitischen Problemen verbunden. Um so dringender wird es, sie zu recyceln.
Sie sind ebenso essenziell für die Energiewende wie für moderne Elektronik: Seltene Erden, eine Gruppe 17 chemischer Elemente, erleben eine Nachfrage wie nie zuvor. Von derzeit 60.000 Tonnen im Jahr auf 315.000 Tonnen im Jahr 2030 könnte der Bedarf steigen, prognostizieren Fachleute. Doch ihre Förderung ist ökologisch problematisch, konzentriert sich auf wenige Staaten und führt zu geopolitischen Abhängigkeiten oder Mangelsituationen. „Um die steigende Nachfrage zu befriedigen, ohne die Umwelt zu schädigen, muss die gesamte Industrie rund um die Seltenen Erden überdacht werden“, erklärt Raimund Bleischwitz, Experte für Kreislaufwirtschaft am Leibniz-Zentrum für Marine Tropenforschung (ZMT) in Bremen. Gemeinsam mit zwei Forschern aus China und den USA hat er im Fachjournal Natureaufgezeigt, wie eine Globale Kreislaufwirtschaft für Seltene Erden aussehen könnte, um die Probleme zu lösen.
Wofür werden Seltene Erden benötigt?
Wie dringlich das Thema ist, lässt sich daran erkennen, wo überall Seltene Erden benötigt werden: Neodym, Dysprosium und Terbium stecken in Solarzellen, um Lichtenergie in Strom zu verwandeln. LEDs benötigen Dysprosium und Europium für ihre Leuchtkraft. Die Magnete, die in Windkraftanlagen und den Motoren der Elektroautos stecken, verwenden Neodym und Samarium. Auch Smartphone und Computerfestplatten funktionieren nicht ohne Seltene Erden. Die Nachfrage zeigt sich auch daran, dass die Lieferschwierigkeiten Chinas während der Corona-Pandemie dazu geführt haben, dass sich die Preise für Seltene Erden zeitweise verfünffachten.
Woher stammen die Seltenen Erden?
Vor allem drei Staaten kontrollieren mehr als die Hälfte aller Vorräte und über drei Viertel der Förderung Seltener Erden: China, die USA und Russland. „Es gibt einen geopolitischen Wettlauf um die Kontrolle dieser besonderen Ressourcen. Länder versuchen, sich gegenseitig zu verdrängen“, sagt Bleischwitz. Europas größten Vorrat hat erst im Januar dieses Jahres das staatliche schwedische Bergbauunternehmen LKAB entdeckt, womit sich ein großer Teil des europäischen Primärbedarfs decken ließe. „Aber auch dort ist der Abbau mit Umweltbelastungen verbunden und zur Konzentration der Vorkommen und zur Wirtschaftlichkeit ist bislang wenig bekannt“, betont der Forscher. Auch gelte es die lokalen Interessen der indigenen Samen zu beachten.
Weshalb kann die Produktion nicht einfach erhöht werden?
Seltene Erden lassen sich nicht direkt abzubauen. In der Regel extrahieren Bergbauunternehmen sie als Nebenprodukte des Bauxit- oder Eisenerz-Abbaus. Für Investoren ist die Förderung zudem wenig interessant: Trotz ihrer Bedeutung beträgt das Marktvolumen Seltener Erden gerade einmal 0, 18 Prozent dessen von Roherdöl, wie aus Daten der Chatham House Resource Trade Database hervorgeht. Außerdem ist die Gewinnung ökologisch problematisch: Je Tonne Seltener Erden werden Treibhausgase entsprechend 40 bis 110 Tonnen CO2 freigesetzt, bis zu 1, 4 Tonnen radioaktive Abfälle entstehen sowie etwa 2000 Tonnen Reststoffe und 1000 Tonnen Abwasser, die mit Schwermetallen belastet sind.
Wie steht es um das Recycling Seltener Erden?
Gegenwärtig werden nur ein Prozent der verarbeiteten Seltenen Erden recycelt. Weltweit existiert kein Programm, um Seltene Erden zu sammeln und zu recyceln. Dabei werden beispielsweise zwei Drittel weniger Energie benötigt, um Neodym aus alten Magneten zu recyclen als neu zu gewinnen – und es werden weniger Schadstoffe freigesetzt. Ein Pfandsystem bei Rückgabe eines Elektronikgeräts könnte die Sammelquoten kurzlebiger Geräte verbessern. Allerdings enthält etwa eine Festplatte nur ein bis zwei Gewichtsprozent Seltene Erden. Zudem sind viele Produkte mit Seltenen Erde auch noch weit von ihrem Lebensende entfernt – etwa die Batterien von Elektroautos und die Magnete der Windkraftanlagen. Nicht zuletzt sind die bisher entwickelten Technologien, um Seltene Erden zu recyceln, nicht ausgereift und oftmals unwirtschaftlich. Die Forschung konnte jedoch zeigen, dass grundsätzlich bis zu 99, 8 Prozent Erneuerbare Erden aus einem Produkt zurückgewonnen werden könnten.
Wie könnte eine Kreislaufwirtschaft für Seltene Erden entstehen?
In Europa und in China sind Hersteller schon heute verpflichtet, Elektroschrott zurückzunehmen. Vorrangig geht es dabei darum zu verhindern, dass Giftstoffe in die Umwelt gelangen. Aber es wäre denkbar, diese Regelungen auf E-Auto-Batterien und Permanentmagnete auszuweiten und um den Aspekt des Recyclings zu ergänzen. Die EU hat den Plan verabschiedet, dass 2030 15 Prozent des Bedarfs an Seltenen Erden aus Sekundärquellen stammen muss – also aus der Wiederverwertung. Bis zur nationalen Gesetzgebung und industriellen Praxis ist es jedoch noch ein weiter Weg. Außerdem kritisieren Unternehmen in Deutschland, dass der Genehmigungsprozess entsprechender Anlagen, die unter das Bundesimmissionsschutzgesetz fallen, schwierig sei. Dementsprechend gibt es in Deutschland bislang kaum ein Recycling Seltener Erden in nennenswertem Maßstab. Die einzige große Recyclinganlage für Kritische Materialien in Europa betreibt die Firma Umicore in Belgien.
Prognosen, welches Potenzial das Recycling hat, sind für die Forschung zudem schwierig: Oftmals ist ein Firmengeheimnis, ob und in welcher Menge Seltene Erden in einem Produkt enthalten sind. Bleischwitz schlägt deshalb vor, dass Produkte entsprechend gekennzeichnet werden sollten. Mit einer neuen internationalen Datenbank ließe sich dann sogar prognostizieren, zu welcher Zeit welche Seltenen Erden aus dem Recycling verfügbar werden, weil Produkte ihr Lebensende erreichen. Für die Wirtschaft würde die Beschaffung so planbarer.
„Auf absehbare Zeit wird die Sekundärroute nicht genügen“, weiß auch Bleischwitz. „Wir müssen aber jetzt darauf hinarbeiten, dass nicht zu viel nach der Sammlung zerstört wird.“ Denn bislang wird Elektronik oft geschreddert, was das Recycling weiter erschwert. Besser wäre vorher eine sortenreine Trennung. „Das kann automatisiert geschehen“, versichert der Forscher.
Was hat es mit der Idee des Rohstoff-Leasings auf sich?
Diskutiert wird, ob es nicht möglich wäre, Seltene Erden zu leasen. Dazu müsste ein System der Rückverfolgbarkeit etabliert werden, und wer Seltene Erden für ein Produkt verwendet, müsste die Rohstoffe nach Ablauf des Produktlebens zurückgeben. Strittig ist jedoch, wem die Rohstoffe gehören sollten: Dem, der sie abgebaut hat, oder dem, der damit Produkte herstellt und die recycelten Stoffe gern behalten und wiederverwenden würde? Ein Innovationsnetzwerk Kreislaufwirtschaft könnte helfen, dieses Geschäftsmodell zu etablieren.